Das Länderkennzeichen für Irland auf Nummernschildern lautet IRL. Kann man auch mit “In Real Life” übersetzen. Was es mit diesem Gedankensprung (für mich) auf sich hat, möchte ich in Kürze erläutern, doch zuvorderst sei Folgendes ausgesprochen: JA, ich gebe es gerne zu das ich den Sommer in Mittelitalien LIEBE! Aber das hier (ein nicht zu kleines Cottage direkt an der N70, auch “Ring of Kerry” geheißen, mit unverbautem Blick auf Kenmare Bay) ist mal eine Hausnummer, die sich sehen lassen kann; denn zu sehen gibt es hier so einiges. Bereits die letzten paar Dutzend Kilometer Anfahrt haben in mir spontan die Erinnerung an unseren letzten Aufenthalt in Irland geweckt. Die Landschaft, die enge Straße, der letzte, höchst bunte kleine Ort vor unserem völlig frei steheden Refugium – Seele auf Suche nach Frieden, was willst du mehr? All in (also mit dem 2-Tages-Schlenker über Brügge und der Fährfahrt Cherbourg -> Dublin) waren wir in den letzten 4 Tagen aber auch insgesamt über 2200 KM unterwegs. Und hier wird es auch die eine oder andere Tour zu fahren geben. Denn es gibt viel zu knipsen 😉 Unsere neuerliche Reise nach Éire lässt mich also, vom Start weg, keinesfalls unbeeindruckt zurück.

Urlaub soll ja eine Auszeit von der allzu durchgetakteten Normalität des Alltags sein. Denn oft genug kommt man sich in seinem sonstigen Leben nur noch wie ein NPC (also ein Non-Player-Character) vor; wer jetzt nicht weiß, was das ist, liest es bitte hier nach. In aller Kürze beschrieben bedeutet dieses Gefühl, subjektiv nicht die Kontrolle über bestimmte Rahmenbedingungen der eigenen Existenz zu haben, seine Entscheidungen nicht einfach frei treffen zu können, weil irgendwelche Algorithmen diese Freiheit begrenzen (z. B. die Notwendigkeit den eigenen Lebensunterhalt in abhängiger Lohnarbeit bestreiten zu müssen), schlicht seine Bedürfnisse hintenan stellen zu müssen; sich insgesamt also fremdgesteuert zu fühlen. Vollkommen unabhängig davon, wie sehr man tatsächlich fremdgesteuert wird (oder auch nicht), führt diese Empfindung natürlich dazu, sich aus dem engen Geschirr des Alltags herauswinden und mal etwas Anderes machen zu wollen. Und weil wir Menschen diesbezüglich alle zumindest ähnlich gestrickt sind – und Arbeitgeber überdies heutzutage keine Peitsche mehr benutzen dürfen, um Compliance mit IHREN Bedürfnissen herzustellen – ist Urlaub eine der Maßnahmen, die der Wiederherstellung der Fähigkeit zur Erduldung des NPC-Daseins dienen sollen. Obacht – mir ist bewusst, dass diese Darstellung polemisch überzogen wirken mag; jedoch komme ich nicht umhin, auch für mich feststellen zu müssen, dass mich das Leben im Dienste Anderer in letzter Zeit in einem Maße angekotzt hat, dass der Gedanke, sich frei zu machen (oder selbstständig) immer charmanter in meinen Ohren klang. Aber ich kann natürlich immer nur für mich selbst sprechen. Überdies waren (und sind) da natürlich Verpflichtungen, die man nicht einfach so hinschmeißt, was aber das NPC-Gefühl verstärkt, weshalb die Verpflichtungen… wie man es auch dreht und wendet: es bleibt ein Teufelskreis, wenn man erst mal ein gewisses Level an Frustration erreicht hat.
Nun ist jedoch – ganz nach den perfiden Plänen der Kapitalisten, in deren Fängen so viele von uns unser unfreies Dasein fristen – der Urlaubseffekt eingetreten und ich habe einmal mehr am WAHREN LEBEN geleckt. Bin also subjektiv wieder Im Realen Leben angelangt. Oder besser in einem realen Leben, welches mir echte Freude bereitet, mich wieder auf vollkommen andere Arten fordert und mir die Chance gibt, neue Perspektiven zu gewinnen. Weil hier meine Bedürfnisse wieder so viel Geltung haben, dass sie in Einklang mit meinen Ideen, Plänen und Handlungen stehen können. Soweit ist dieser verdammte Kapitalistenplan aufgegangen… Schade nur, dass ich euch durchschaue, haha…! Spaß beiseite. Erstmal wird hier keine Rebellion stattfinden. Weil ich Verantwortung trage und in vielen Momenten meines Lebens alles andere als ein NPC bin; nein vielmehr selbst ein Player sein muss, weil sonst so manches nicht funktioniert. Aber die eben gesponnenen Gedanken bleiben im Hinterkopf, in der Ablage A wie Archiv, um bei Bedarf weiter gedacht werden zu können. Bin ich also wirklich ein NPC? Sagen wir mal so: in den dunkleren Stunden meines Daseins fühlt es sich manchmal so an, als sei ich nur eine Figur aus “Brave New World” oder “1984” – gemacht, um dem System zu dienen. Der Umstand, dass ich all diese Dinge (öffentlich) reflektieren kann, verrät mir jedoch, dass ich weder in einer solchen Dystopie lebe, noch dauernd fremdgesteuert werde. Ich kann den Grad der Manipulation, die auf mich ausgeübt wird anscheinend ganz gut regulieren. Was bedeutet, dass ich mindestens ein Player-Character sein muss – wahrscheinlicher aber selbst ein Player. Man muss sich dessen nur immer wieder erinnern. Und die Rückkehr nach Irland scheint dazu ein guter Anlass zu sein. Feels good, to be back again, Éire. Wir hören uns die Tage, folks…
