Wenn einen das Schicksal – oder besser die eigene (Un)Gesundheit – zu einer Auszeit zwingt, dann kann man bemerken, was der Geist momentan noch zu leisten vermag, wenn er NICHT zu irgendetwas gezwungen wird. In meinem Fall lautet die aktuelle Antwort: ZERO! Ich bin an das Funktionieren unter widrigen Umständen unterdessen gewöhnt. Auch daran, weiterzumachen, wenn ich eigentlich lange aufgehört haben sollte. Jemand hat Muhammad Ali mal gefragt, wie viele Wiederholungen er während seines Trainings bei Sit-Ups, etc machen würde. Er antwortete sinngemäß, dass er das nicht wisse, weil er erst zu zählen begänne, wenn der Schmerz käme… Ich kann über physisches Training nicht allzu viel sagen. Aber wenn es um Stressresilienz, kognitive Leistungsfähigkeit, Problemlösen geht, mache ich in aller Regel weiter, auch wenn es schon sehr weh tut. Und dann eben auch länger, als dies sinnvoll wäre, denn jede*r von uns ist irgendwann durch mit “dem Leisten”. Man kann das als Gabe betrachten – oder als Fluch. Das Ergebnis hängt vermutlich vom gewählten Zeitpunkt ab. Das Problem ist, wie bei allen systemischen Kipppunkten, dass man sie erst aus der Nähe zu erkennen beginnt und auch eine Vollbremsung einen erst DAHINTER endgültig zum Stehen bringt. Scheiße daran ist, dass man das eigentlich weiß; und trotzdem jedes einzelne Mal wieder in diese Falle tappt. Nur ein bisschen noch…

Ich hatte die schöne Idee im Kopf, einfach bis zum Urlaub durchzuhalten und dann, in der Ruhe und Abgeschiedenheit den Schalter umzulegen und auch mal ein paar (hundert) Zeilen für meinen eigenen Projekte zu schreiben. Weil ich meine Kreativität ja nicht zu Hause lasse, nur weil ich auf Reisen gehe. Was ich jetzt in den letzten Tagen an mir selbst erlebt habe, lässt mich allerdings sehr zweifeln, dass das auch nur im Ansatz funktioniert haben könnte. Denn meine kreativen Batterien (und im Übrigen auch meine sozialen) sind so lotterleer, dass ich erst mal 48h zum Smombie degeneriert bin. Ich lies mich durch antisocial media und allen möglichen anderen Online-Quatsch treiben und schwamm in meinem Cortisolsee regelmäßig solange hin und her, bis der Akku leer war. Antriebslos. Ideenlos. Von allem überfordert. Erst jetzt, nach ein paar Tagen, da ich echte Maßnahmen gegen meinen Zustand ergriffen und zwischendurch sogar einige wenige, wohldosierte soziale Kontakte gepflegt habe, bemerke ich überhaupt, WIE LEER ich tatsächlich war… und immer noch bin. Als ein gutes Zeichen in diesem Zuammenhang möchte ich allerdings werten, dass es mir wieder möglich ist, mich hier schriftsprachlich so auszudrücken. Die letzten drei Tage war ich nicht mal fähig, kohärente Gedanken zu fassen, die signifikant über das existenziell notwendige hinausgingen. Yeehaa!
Meine Vermutung dazu lautet folgendermaßen: mentaler Detox bedarf des verschärften Müßigganges. Allerdings nicht Urlaubsstyle. Denn Urlaubsstyle würde u. U. bedeuten, dass man irgendwohin reisen muss und für den Aufenthalt dort womöglich ein Programm, oder zumindest einige Highlights eingeplant hat, die man unbedingt gesehen haben muss, weil man ja NIEMALS wieder dahin kommt. Dieser Gedanke ist für mich übrigens noch so ein Grund, lieber in bekannte Gefilde zu reisen… Nichts von dem ziellosen Mäandern, welches die letzten Tage mein Tun und Lassen beherrscht hat, passte jedoch in dieses Muster. Ich bemerkte an mir den Drang nach Zweckfreiheit, wie ich diesen auch im Urlaub habe; allerdings mit dem Unterschied, dass düstere Gedanken mich im Griff hielten und alles Denken, Fühlen, Schaffen zu einem Stopp auf freier Strecke kamen. Rien ne va plus. Das fühlte sich für mich zunächst bedrohlich an, bin ich doch sonst so gut wie nie derart ziellos untätig. Hatte ich nicht erst kürzlich davon gesprochen, dass es mir ein intrinsisches Bedürfnis ist, kreativ tätig sein zu können, ohne dessen Befriedigung ich in ein Loch voll subjektiver Nutzlosigkeit falle? Quod erat demonstrandum. Die Bedrohlichkeit weicht eben der Erkenntnis, dass man nur kreativ sein kann, wenn noch ein Fünkchen Energie in einem verblieben ist. Offenkundig war da allerdings nichts mehr. Womit das, oben erwähnte, gute Zeichen in zweierlei Hinsicht Zuversicht in mir schafft: die düsteren Gedanken lassen sich relativieren, indem man über diese spricht und die Wiederaufladung meiner Batterien ist möglich.
Ich hatte mich selbst in den letzten Wochen einmal mehr – immer mehr – grundlegend fehl am Platze empfunden, meine Wurzeln aus dem Sinn verloren, meine Fähigkeit irgendwie durch den Sturm namens Leben zu navigieren eingebüsst, also verlernt, mich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen. Ja, ja ich weiß, auch mit dem Schwank hatte der Baron von Münchhausen natürlich eine Lügengeschichte erzählt. Aber die Idee, aus eigener Kraft aus einem derben Schlamassel rauskommen zu können, ist trotzdem charmant. Noch sehe ich das für mich selbst allerdings nicht. Aber vielleicht muss ich das mit der richtigen Hilfe ja auch gar nicht? Es würde eh nur wieder diese gefährliche Illusion nähren, dass wir Meister unseres eigenen Schicksals wären, wenn wir doch nicht einmal ein klitzekleines bisschen hinter die Mauer der nächsten Sekunde sehen und uns somit auch nicht gegen die Macht des Zufalls imprägnieren können. Ich werde hier nicht dem Fatalismus das Wort reden, da ich weiß, dass der durch gute Pläne Vorbereitete dem Schicksal wenigstens dann und wann ein Schnippchen schlagen kann. Aber wie wäre es stattdessen mit etwas mehr DEMUT? Insbesondere vor der eigenen Fehlbarkeit und Verletzbarkeit; aber auch vor der Fehlbarkeit und Verletzbarkeit der Anderen. In diesen Abgrund der Erkenntnis starre ich seit ein paar Tagen. Eben hat er zurückgeblinzelt. Mal schauen, was als nächstes kommt…







