Ich habe keine Ahnung von Fußball. Echt jetzt! Und dieses Spiel interessiert mich noch nicht mal besonders. Ich kann das ganz gut kaschieren, weil ich mir ziemlich gut nutzlose Fakten merken kann und überdies über einen halbwegs funktionalen analytischen Verstand verfüge, der es mir erlaubt, auch Dinge zu beurteilen, die nicht unbedingt zu meinen Kernkompetenzen zählen; wie eben dieses komische Spiel, bei dem 22 Leute 90 Minuten einem Ball hinterher rennen und am Schluss… ach was soll ich hier jetzt Garry Linneker zitieren, das ändert ja auch nix daran, dass mir dieser ganze Wahn mittlerweile ziemlich auf den Sack geht.
Es ist für mich eigentlich kaum ein Problem, wenn die Menschen in meiner Nachbarschaft sich abends hinsetzen und zusammen Fußball kucken, dabei Bier (oder auch Anderes) saufen und über Dinge fachsimpeln, von denen ich zwar irgendwie schon mal gehört habe, die ich aber nicht beschreiben könnte; wenn sie sich zusammenrotten und Fahnen schwenkend und mittels ihrer Hupe Ohren malträtierend durch die Stadt korsieren, um ihrer Freude Ausdruck zu verschaffen, dass das jeweils favorisierte Team gewonnen hat. Oder wenn sie ungläubig den Kopf darüber schütteln, dass ich mir selbst WM-Spiele nicht anschaue und es mir tatsächlich bumms ist, ob Deutschland nun Weltmeister geworden ist. Selbst wenn ich dafür angepflaumt werde, dass man doch ein bisschen Nationalstolz haben muss – den ich, nur mal so am Rande für eines der absolut unnötigsten Gefühle auf dem Erdenrund halte, weil ich diese Nationalstaaterei so absurd finde – bleibe ich ruhig, lächle, dulde und lache innerlich dreckig, weil mir die Armseligkeit, mein Selbstwertgefühl aus der sportlichen Leistung anderer ziehen zu müssen so fremd ist. Oh, Pardon, habe ich jetzt vielleicht doch ein paar Gefühle verletzt? Tja, DAS ist mir leider auch bumms…
Egal, wie die Spiele auch ausgegangen sein mögen, ich werde das Gefühl nicht los, das selbst gute Journalisten manchmal ihre Objektivität und Unparteilichkeit verlieren, wenn sie sich zum Beispiel entblöden, wie im „Stern“ gerade geschehen, ein Loblied auf die Völkerverständigung zu singen, welche die WM doch geschaffen hat. Nur dass diese ganzen anderen Völker in wenigen Tagen wieder weg sind, bestenfalls die allerwenigsten von ihnen jemals wiederkehren werden und die paar Milliärdchen, welche die Sportstätten nebst zugehöriger Infrastruktur verschlungen haben in naher Zukunft vor sich hin gammeln werden, wenn nicht gerade die erste Liga Brasiliens drin spielt. Man kann in einem Fußballstadion nur leider nicht wohnen, es erzeugt keine Energie, sondern verbraucht welche und es zum Gemeindezentrum, oder zu einer Produktionsstätte umzuwidmen, wird wohl etwas komplizierter. Oh sicher hat sich jemand über die sogenannte Folgenutzung Gedanken gemacht, nur ob dabei Nachhaltigkeit, oder die Verantwortung gegenüber den Bedürfnissen der eigenen Bevölkerung irgendeine Rolle gespielt haben, lässt sich nur noch sehr schwer sagen. Mit Sicherheit war allerdings von Gewicht, was dieser eingetragene Verein, der sich gerne aufführt wie ein Staatsorgan zu sagen hatte. Denn die Jungs von der FIFA sind ja nicht nur bezüglich des Balls immer an Bewegung interessiert; auch beim Geld sagt man da nicht unbedingt nein.
Unsere Elf hat den Weltmeistertitel geholt, schöne Sache das; und jetzt? Tja, jetzt geht es auf beiden Seiten des Atlantiks weiter wie gewohnt: es wird robotet für oft zu schmales Geld, die Interessen und verbrieft geglaubten Rechte der Bürger sind bumms, so lange die Industriekapitäne ihren Reibach machen können, die NSA hört ab, bis die Server glühen und viel zu viele kucken immer noch matt auf die Scheibe, während das Freihandelsabkommen TTIP immer düsterer unsere Existenzgrundlagen bedroht. Chlorhühnchen sind da das geringste Problem. Aber feiert ruhig noch ein paar Monate weiter Weltmeister, unsere Staaten- und Wirtschaftslenker werden das Kind schon verschaukeln…