Eigentlich wollte ich heute über die vielbeschworene, aller Abneigung gegen rechte Thesen zum Trotz dennoch durchaus existente Bedrohung durch den Islamismus reden. Aber manchmal reagieren die Leute tatsächlich auf das, was ich äußere und wenn dies auf gehaltvolle Weise geschieht, ist mir das auch die Zeit wert, hier darüber zu meditieren. Doch zunächst das Zitat (es wurde nur um der Handhabbarkeit Willen ein wenig gekürzt):
„Wir werden in der nächsten Zeit Veränderungen erleben, die wir uns nicht wünschen. Die Migranten werden nicht aus Nächstenliebe ins Land gelassen, es ist das zukünftige Prekariat, das den Mindestlohn von 8,50 Euro sprengen wird und für kleines Geld für die Reichen in der Republik arbeiten wird.
Es sind 100 Tausende von Menschen im Land die nicht erfasst sind, da sie sich nicht in die staatlichen Auffanglager begeben haben. Die Politik wird mit Straßensperren / Checkpoints reagieren, wir werden bei einer Fahrt von Mannheim über den Rhein nach Ludwigshafen unsere Ausweise zeigen müssen, damit die Menschen nachträglich registriert werden. Es wird ein Europa der Grenzen werden… […] Das ist nicht mein Europa. Ich bezeichne mich als Europäer mit der Heimat Kurpfalz und einem deutschen Pass. Ich liebe es vom Nordkap bis Süditalien ohne Ausweis zu fahren. Und diese Freiheit möchte ich nicht verlieren“
Was hier geäußert wird, habe ich an dieser Stelle schon einmal angeschnitten und auch ich sehe die große Gefahr, dass die Zuwanderer sozialversicherungspflichtige Arbeits-verhältnisse sprengen und den ohnehin schon prekären Arbeitssektor noch weiter in Bedrängnis bringen. Sicher reibt sich der eine oder andere Arbeitgebervertreter schon die Hände bei dem Gedanken, endlich noch ein Chalet in der Schweiz kaufen zu können – die liefern ja auch nicht aus, wenn’s hier dann irgendwann hart auf hart kommt. Aber ebenso sehr glaube ich daran, dass viele dieser Menschen willig und fähig sind, sich in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren und produktiv in unserem Wirtschaftssystem mit zu arbeiten, egal wie gerecht oder ungerecht es zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch sein mag. Unser Problem ist, dass Staatsministerin Aydan Özoğuz, unsere Bundesbeauftragte für Migration heute nichts weiter ist, als ein Feigenblättchen für die bislang extrem mangelhafte Fähigkeit unserer Politik, sich den Fängen ihrer neoliberalen Einflüsterer zu entziehen und endlich Geld in die Förderung und Bildung von Migranten zu stecken, anstatt sie in einem Bildungssystem, welches durch vielfältige soziale Mechanismen Kinder aus „gutem Hause“ viel zu oft automatisch bevorzugt, immer und immer wieder gegen unsichtbare Wände laufen zu lassen.
Unsere bundesweit tätige Kaffeehausmafia der Industrie-Lobbyisten weiß sehr genau, dass sich ein Prekariat nur dann im Griff und für die dreckigen, schlecht bezahlten Jobs bei der Stange halten lässt, wenn diese Menschen keine Alternativen, keine Hoffnung, keine Visionen haben; die meisten von ihnen müssten diese erst von jemandem gezeigt bekommen. Und was für die „alten Migranten“ gilt, hat sich bei den neuen kaum verändert. Solange auch kleine Privatanleger glauben, mit Aktienfonds für das Alter vorsorgen zu müssen, wird sich allerdings nichts an der geringen Nachhaltigkeit und kurzfristigen Gewinnorientierung der Unternehmen ändern, die ihre Manager quasi wie eine selbst erfüllende Prophezeiung vor sich her treibt: „Du musst dieses Quartal mindestens 7% Kapitalrendite erwirtschaften, um die Anleger zufriedenzustellen!“ Dass diese Margen auf dem Rücken derer erwirtschaftet werden, die glauben, vom System zu profitieren ist für mich persönlich die wahrhaft bitterste Ironie des Schicksals überhaupt! Doch es gäbe Wege, dem entgegen zu stehen, wenn man nur endlich von der Couch hoch käme!
Was aber nun Europa betrifft: das Gespenst des wieder erstarkenden Nationalismus weht durch Europa seit vor dem Beginn der internationalen Finanzkrise 2009. Dass sich nicht so mancher schon lange wieder aus der Staaten-Union verabschiedet hat, liegt doch nur an den mannigfaltigen Bezügen aus Brüssels Honigtöpfen, welche die Kosten der Krise ein wenig gedämpft haben. Anstatt aber die richtigen Schlüsse aus der Krise zu ziehen und dem Neoliberalismus endgültig den Rücken zu kehren, die Finanzmärkte zu regulieren und die Verursacher die Zeche zahlen zu lassen, hat man nach der Privatisierung der Gewinne die Kosten sozialisiert und auf uns alle abgewälzt. Doch anstatt zu begreifen, dass das Problem global ist, begann man noch vehementer mit dem Finger auf andere zu zeigen, woran die jeweiligen nationalen Medien so gut wie immer Mitschuld tragen – auch hier in Deutschland.
Auch ich möchte ein Europa ohne Schranken, einen Kontinent, ein Bündnis von Staaten in welchem ich mich frei bewegen, äußern und arbeiten kann! Auch ich fühle mich als Europäer mit kurpfälzischem Wohnsitz und deutschem Pass, aber so lange der Idee von Europa immer wieder mit der Idee nationaler Selbstbestimmtheit begegnet wird, welche aus dem Gedanken erwächst, dass es tatsächlich bei irgendeinem der europäischen Staaten so etwas wie eine gemeinsame nationale Identität, eine gemeinsame nationale Geschichte, ein gemeinsames nationales Schicksal gibt, dass auch unabhängig von Nachbarn – und damit von Europa – Gültigkeit und Legitimität besitzt, werden wir davon nur träumen können! Europa beginnt in den Herzen und solange Politiker mehr auf ihre Wahlergebnisse und ihre Verbindungen zu den Lobbyisten schielen, anstatt tatsächlich an einer gemeinsamen Agenda zu arbeiten, wird es auch immer nur ein Traum bleiben. Und so lange es ein Traum bleibt, was uns dazu zwingt, das Flüchtlingsproblem zunächst nur hier bei uns lösen zu können, fällt uns Deutschen die schwierige Aufgabe zu, zu zeigen, wie man es richtig macht. Ob wir das schaffen können? Ja, wir können – aber nur, wenn möglichst viele mitmachen!