Introspektion reloaded…

Ich bin eine Rampensau! Man könnte dieses Fakt freundlich umschreiben und zum Beispiel sagen, dass ich mich manchmal ganz gerne ein wenig vordrängle; oder das es mir vielleicht dann und wann echt schwer fällt, nicht einfach mit Anlauf ins Rampenlicht zu springen. Aber ganz gleich, wie viel Euphemismus man auch einsetzen mag, ich bin jemand, der von sich gerne denkt, dass da wo er ist, vorne sein muss. Das kann durchaus charmante Züge annehmen. Es fällt mir selten schwer, die Leute mit einem markigen Spruch oder ein bisschen Stand-up-Comedy abzuholen, um sie zu unterhalten; vielleicht manchmal auch, um ihnen meine Denke nahe zu bringen. Das Problem ist, dass ich genau deswegen oft nicht Fünfe gerade sein und mal Andere machen lassen kann. Was einerseits die Gefahr der Redundanz in sich birgt, andererseits Jenen, die nicht so vehement vorwärts preschen, wie ich das zu tun pflege, den Raum zu agieren nimmt. Und das bedauere ich zutiefst!

Ich mache das ja nicht, weil ich böse bin und denke, dass diese Anderen es nicht drauf hätten. Im Gegenteil gehe ich bei (fast) jedem Menschen zunächst davon aus, dass er beziehungsweise sie genau wie ich einfach nur ein Mensch ist, der seine Sache – gleich welche Sache – ganz ordentlich macht und sich den üblichen Regeln des Zusammenlebens entsprechend zu benehmen weiß; ruhig aber nicht vollkommen passiv, höflich aber nicht devot, beflissen aber nicht servil, aufmerksam aber nicht speichelleckerisch, und so weiter… na sie wissen schon. Dieses Vorschussvertrauen wird üblicherweise bis zum Beweis des Gegenteils der ersten Annahme aufrechterhalten. Personen, die nicht in den Genuss dieser Behandlung kommen, haben das Pech, dass ich, genau wie jeder andere Mensch auch leider bezüglich bestimmter Sachverhalte und Personen Vorurteile habe. Man kann in mancherlei Hinsicht einfach nicht aus seiner Haut, auch wenn das vielleicht angebracht wäre…

Was jedoch mich betrifft, so brennt in mir ein Feuer. Das klingt jetzt sicher pathetisch und wenn man mich so anschaut, würde man vermutlich eher an ein Häufchen Grillkohle anstatt eines beachtlichen Osterfeuers denken. Doch tatsächlich bin ich ein eher unruhiger Geist und sehr häufig auf der Suche nach Stimuli. Da ich irgendwann beschlossen habe, dass bewusstseinserweiternde Substanzen abseits von alkoholhaltigen Getränken für mich nix sind, extreme Sportarten wie Downhillbiking, Fallschirmspringen und Ähnliches mich nicht reizen und ich dafür überdies NULL Begabung habe, blieb neben kognitiven Herausforderungen noch das soziale Feld… darauf kann ich gut spielen und tue es auch sehr gerne, was aber dazu führt, dass ich – deutlich öfter, als mir lieb ist – Menschen mit meiner Präsenz an die Wand fahre.

Nur, um dies als Teil meiner Entschuldigung in Positur zu bringen: ich plane sowas nur höchst selten, das passiert einfach. Menschen sagen irgendwas und vor meinem geistigen Auge klappt, wie bei Windowsprogrammen so ein Dropdown-Menü runter, mit zwischen drei und sieben wahlweise gaghaltigen, bösartigen, lustigen oder ironischen Kontern. Manchmal mischen sich auch mehrere der vorgenannten Optionen und mein launiges Konversationsstammhirn feuert munter drauf los, oft ohne vorher mögliche Folgen abzuwägen. Oh doch, ich kann durchaus diplomatisch sein, mich vorsichtig erklären, auf Menschen zugehen und sie auch gewähren lassen. Es gibt aber zwei Typen von Situationen, in denen dieses Feature meiner Persönlichkeit unwillkürlich zuschlägt: wenn ich mich wohl fühle und merke, dass jemand mitzieht, brenne ich gerne mal ein Feuerwerk an Albernheiten ab. Falls mein Gegenüber aber eher passiv ist, kann es passieren, dass ich die Person durch meine Worte und Handlungen dominiere, ihm oder ihr meine Deutung der aktuellen Situation aufnötige und entsprechend meiner jeweils gezogenen Schlüsse ohne ein weiteres Wort handle; auch wenn das bedeutet, dass ich mich später einer Diskussion stellen muss, wenn der derart überfahrene nämlich festgestellt hat, was ich gerade abzuziehen die Stirne besessen hatte.

Man muss keine Intelligenzbestie sein, um erahnen zu können, dass mich das gelegentlich in Schwierigkeiten bringt. Menschen, die sich von mir in irgendeiner Weise unangemessen behandelt oder benachteiligt fühlen, sind was Unschönes, egal ob sie ihren Frust verbalisieren oder nicht. Denn ich merke oft sehr wohl, dass ich über das Ziel hinaus geschossen bin. Aber zum sich entschuldigen können gehört eine Größe, an der es mir manchmal ebenso mangelt, wie an der Bedachtsamkeit, welche die Notwendigkeit einer Entschuldigung verhindern könnte. Daher sei es auf diesem Wege als digitaler Dispens erbeten: wenn ich in letzter Zeit jemanden zu sehr überfahren haben sollte, tut es mir ehrlich und aufrichtig leid! Ich versuche mich zu bessern. Nur das spontane Reißen bösartig-ironischer Witzchen, das werde ich wohl nie ablegen können. Ironymus ist halt mein zweiter Vorname…

Ein Gewerk schaffen…?

Ich hatte dieser Tage eine Diskussion über Sinn und Zweck von Gewerkschaften. Und mein Gegenüber vertrat die Ansicht, dass sich Gewerkschaften nur zu gerne als Hüter der sozialen Gerechtigkeit aufspielen, jedoch tatsächlich lediglich die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Anderen, zuerst den Arbeitgebern aber auch der Gesellschaft insgesamt vertreten würden. Dass die Streiks kleiner Spartengewerkschaften wie etwa Cockpit oder GdL das Ansehen von Gewerkschaften insgesamt noch weiter beschädigen würden, obwohl doch der Nutzen nur sehr Wenigen zu Gute käme. Einem sozialdemokratischen Reflex in mir folgend habe ich Gewerkschaften auf Grund ihrer Errungenschaften für die Rechte von Arbeitnehmern verteidigt, doch es fiel mir schwer, zu dem Zeitpunkt diese Argumente zu entkräften. Vielleicht, weil ich selbst als Mitglied mittlerweile in dem Problem gefangen bin, welches alle großen Gewerkschaften haben: sie sind in ihren eigenen Ritualen erstarrt und haben es sich in neokorporatistischen Arrangements bequem gemacht!

In der Tat wirken junge Leute, die bei einem Gewerkschaftstreffen auf der Bühne Arbeiterkampflieder zum Besten geben, wie ein Anachronismus; andererseits beziehen solche Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern ihre eigentliche Schlagkraft aus dem Wir-Gefühl, aus der Solidarität, die gemeinsame Werte und Zielvorstellungen zu schaffen in der Lage sind. Trotzdem hat zum Beispiel Verdi seit 2001 über 750.000 Mitglieder verloren – das entspricht etwa 36,4% der Mitgliederzahl von 2001! Woran das liegt, kann ich hier nur spekulieren, ich würde allerdings vermuten, dass neue Generationen von Werktätigen in den Dienstleistungsbranchen auf Grund der geschrumpften Reallöhne und der gewachsenen Arbeitsbelastung durch Arbeitsverdichtung keinen Sinn im gewerkschaftlichen Tun mehr sehen konnten und daher das 1% vom Bruttolohn lieber anderweitig verwendet haben. Da hapert es mit den gemeinsamen Werten und den Zielvorstellungen doch erheblich!

Ich betrachte das als ein wenig kurzsichtig, denn gesellschaftlicher Wandel geschieht langsam; so auch ein Umdenken bei Arbeitgebern, die feststellen müssen, dass immer mehr ihrer Packesel nach immer kürzeren Strecken unter der Last zusammenbrechen, die sie denen frecherweise aufgebürdet haben. Die drastisch gestiegene Zahl an Krankentagen auf Grund psychischer Erkrankungen, welche selbst die Krankenkassen mittlerweile anscheinend alarmiert hat, spricht hier Bände. Tatsächlich sind die Gewerkschaften hieran durchaus mit Schuld, da sie sich im jährlich wiederkehrenden Ritual des Tariftanzes auf festgelegte Pfade haben zwingen lassen und ein gutes Stück ihrer Kraft auf die, weitestgehend mit vorhersehbaren Ergebnissen gesegneten, Tarifverhandlungen verwendet haben, obwohl an anderer Stelle die Arbeitsbedingungen immer mieser wurden. Man fühlte sich auch nicht zuständig für Menschen mit Zeit- oder Werkverträgen, für Leasingarbeit und das damit oft einher gehende Lohndumping. Die Gewerkschaften bewiesen hier vor allem eines: ihren Wunsch nach Selbst- und Machterhalt im neokorporatistischen System, weshalb sie sich zu Kompromissen haben drängen lassen, die eigentlich untragbar waren und dieses Pfund kommt jetzt zurück. Allerdings entwertet das alles nicht die gestalterische Kraft, die solche Vereinigungen immer noch haben können, wenn sie sich dieser nur erinnerten.

Das Kampfstichwort des frühen 21. Jahrhunderts ist nicht der Tariflohn, sondern die Arbeitsverdichtung. Hier einzuschreiten und Arbeitgebern die Stirn zu bieten tut dringend Not. Aber noch viel wichtiger ist, für jene mit zu streiten, die selbst zu schwach sind, oder den wahren Sinn einer Gewerkschaft nicht mehr erkennen: nämlich den Arbeitnehmern eine Stimme zu geben, die überall gehört werden muss. Den Mitgliedern ist das Alles sehr wohl bewusst, doch mit den Vertretern von Gewerkschaften ist es ein bisschen wie mit den Volksvertretern – hat man sie mal gewählt, machen sie, was ihnen, beziehungsweise ihrer Fraktion als richtig erscheint. Getreu dem alten Motto: wer glaubt das ein Volksvertreter das Volk vertritt, glaubt auch dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet… Abseits der Polemik bleibt jedoch zu verzeichnen, dass wir ohne Gewerkschaften immer noch über 50 Stunden die Woche arbeiten würden, keinen halbwegs vernünftigen Kündigungsschutz hätten, Arbeitssicherheit keinen so hohen Stellenwert genösse und wesentlich weniger Menschen mit halbwegs auskömmlichen Einkommen leben müssten.

Wer sich ein wenig mit der Entwicklung demokratischer Staatswesen befasst – ich empfehle an dieser Stelle Colin Crouchs Bücher „Postdemokratie“ und „Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus“ – dem ist bewusst, dass all diese Errungenschaften nur auf Zeit sind und das es immer wieder nötig ist, für seine Rechte einzutreten, notfalls auch zu kämpfen. Die Demokratie ist die am wenigsten schlechte Regierungsform, um es mit Winston Churchill zu formulieren, aber sie ist gegenwärtig die Beste, die wir haben und Gewerkschaften sind ein wichtiger Teil davon; ein Baustein zum Erhalt von sozialer und politischer Teilhabe. Zweifelsohne gibt es noch einiges, das nicht erreicht wurde, und ebenso haben Gewerkschaften viele Fehler gemacht. Deshalb jedoch das Prinzip in Frage zu stellen, halte ich, wie schon erwähnt, für gefährlich kurzsichtig. In einem so komplexen Gebilde wie einer entwickelten Industriegesellschaft müssen auch ebenso komplexe Strukturen wie Gewerkschaften sich von Zeit zu Zeit neu verorten, vielleicht sogar neu erfinden. An einem solchen Punkt sind wir angelangt und ich bin gespannt, wohin der Weg führen wird – hoffentlich mit starken Gewerkschaften als Partner und Vertreter aller Arbeitnehmer!

Smalltalk statt serious content?

Wir haben an dem Tag, da ich diese Worte schreibe den 19 Oktober und ich sitze in T-Shirt und kurzer Hose im Garten. Eigentlich ist es ja eher nicht mein Ding, mich zum Wetter zu äußern, denn bei diesem Thema gibt’s wenig argumentative Arbeit. Das Wetter ist wie das Wetter ist wie das Wetter. Andererseits soll man ja an den Klimadaten schon sehen können, wohin unsere Treibhausgaserei uns noch führen wird; nämlich ins Armageddon. Hm… es gehört auch nicht unbedingt zu meinem Portfolio Katastrophenszenarien zu entwerfen, wie das amerikanische Doku-Sender immer wieder tun. Kann man super an unseren Nachrichtenkanälen beobachten, wenn man mal nicht zur Primetime einschaltet. Da ist vom Meteoriteneinschlag, über Sonneneruptionen, Aliens und natürlich auch Klimakatastrophen und Kriege alles dabei, was das Herz zum Verdüstern braucht. Früher hat man sich zum Gruseln Freddy Krüger oder Jason Vorhees reingezogen, heute reichen dazu wenig seriös aufgemachte Dreiviertelstünder auf dem Newschannel. Es verwundert auch wenig, dass alle 12-13 Minuten Werbepause ist. Das folgt dem schon lange bekannten Muster, den Konsumenten zu immer kürzeren Aufmerksamkeitsspannen zu erziehen. Denn wer ungeduldiger ist, kauft öfter Neues, weil die Befriedigungsdauer zusammen mit der Aufmerksamkeitsspanne ebenso sinkt.

Aber allen potentiellen Katastrophen zum Trotz – fiktiven, wie wahren – gilt das Wetter als Part des Smalltalks, des gepflegten Austausches von Unwichtigkeiten. Nun gehört zur Fähigkeit der Konversation – und zu dieser Disziplin zählt auch der Smalltalk – die Kenntnis um die korrekte Unterscheidung von nichtig und wichtig, sowie ein Grundverständnis für größere Zusammenhänge. Nichts ist für mich bei einem Gesprächspartner nervtötender, als feststellen zu müssen, dass hinter einigen Allgemeinplätzen und viel heißer Luft wenig substantielles bleibt, was die Hoffnung auf eine interessante und eventuell sogar tiefschürfende Unterhaltung nähren könnte, nachdem das gefällige Blendwerk abgebrannt wurde. Ich habe kein Problem, wenn jemand zu einem Thema nichts beizutragen weiß, es gibt jede Menge Dinge, von denen ich nicht den leisesten Schimmer habe. In solchen Fällen soll Zuhören helfen, denn dabei kann man unter Umständen etwas lernen. Was ich jedoch auf den Tod nicht ausstehen kann, sind Menschen, die versuchen, sich mit gefährlichem Halbwissen, ein bisschen Hörensagen und einem aufgeblähten Ego in jede sich bietende Kommunikationssituation zu drängen; wenn man mit den Wölfen heult, sollte man auch wissen, wie gebissen wird.

Abseits dieses Exkurses findet man rasch wieder zur eigentlich interessierenden Frage: ist das Wetter ein Thema für Smalltalk, oder vielleicht doch serious content. Und die ist aus meiner Sicht ganz einfach zu beantworten. Wenn man nur wenig Ahnung davon hat, sollte man es beim Smalltalk belassen. Ich bin kein Meteorologe, Physiker und was weiß ich, was für Fachrichtungen sich noch damit befassen … als Dendrochronologen tätige Botaniker kämen vermutlich auch noch in Betracht. Daher kann ich zum Thema Klimawandel aus wissenschaftlicher Sicht nichts Sinnvolles beitragen. Allerdings regt mich die aus meiner ganz persönlichen Sicht ungewöhnliche Witterung zum Nachdenken an. Und alsbald bin ich wieder bei der einen Frage, die mich in der letzten Zeit dauernd umtreibt: wann werden jene, die angetreten sind, uns zu regieren – oder auch zu beherrschen, das hängt ja immer von der jeweiligen Perspektive des Handelnden ab – endlich zur Kenntnis nehmen, dass wir Menschen wichtiger sind, als jedwedes geopolitisch-wirtschaftliche Machtinteresse? Weil wir Menschen jeden Staat auf dem Erdenrund konstituieren. Und weil wir, diese Menschen, jeder in sich drin, einfach nur Menschen sind, mit menschlichen Bedürfnissen, Interessen und Sehnsüchten, menschlichen Konflikten, Sorgen und Problemen.

Aus dieser Sicht könnte es eigentlich egal sein, ob man Smalltalk macht, der Menschen einander näherzubringen helfen kann, oder ob man über ernsthafte Themen redet, die uns alle angehen. Eigentlich hat jedes Sujet diese zwei Seiten, doch ob man mit der Medaille richtig umgehen kann bestimmt, ob wir miteinander auskommen oder nicht. Immer wieder von der einen Ebene zur Anderen wechseln zu können, ohne Brüche zu erzeugen, ohne das Interesse oder den Respekt für das Gegenüber zu verlieren; erst dieses Verständnis stiftet ein Miteinander. Doch solange so viele Individuen Kommunikation als Ort der Selbstdarstellung missbrauchen, anstatt in einen ehrlichen und respektvollen Dialog einzutreten, solange das Ego alles Handeln diktiert und jedes Gespräch wie ein Kampf geführt wird, bleiben wir weiter mit Highspeed auf dem Highway der Missverständnisse und Konfrontationen – zu schnell, um je eine Ausfahrt erkennen zu können. Lehnt euch doch alle mal zurück und versucht euch selbst beim Reden zuzuhören. In diesem Sinne, eine schöne Woche.

A snipet of anger!

Ich bin Betriebsrat. Schon ein paar Jahre jetzt. Die Arbeit macht nicht immer Spaß, sie ist oft gekennzeichnet von ermüdenden Diskussionen um Details; es sind jedoch die Details, an denen sich Geister scheiden und es sind die Details, mit denen Schlachten entschieden werden. Überdies gibt es zwar ein paar Möglichkeiten, seinem Arbeitgeber das Leben sauer zu machen und Dinge auch gegen dessen Willen durchzusetzen; doch einerseits muss man mehr als nur ein paar Monate mit seinem AG koexistieren und andererseits braucht man vielleicht eine Weile später für etwas viel Wichtigeres sein ganzes positives Karma – das man sich dann ein paar Monate zuvor versaut hat. Das jemandem zu erklären, der das Gremium als „Betrugsrat“ bezeichnet und immer nur seine eigenen, ganz persönlichen Belange sieht, ist verschwendete Zeit. Also spare ich mir die Luft, schlucke meine Wut hinunter, atme langsam durch und fragt zuerst, ob er eine ehrliche, erklärende Antwort wünscht. Das ist zumeist NICHT der Fall, weil derjenige ja einfach nur seinen Frust bei einem abladen will. Da bin ich dann schon auf 180 und sage: „Ist OK, du hast deine Meinung, ich werde daran nichts mehr ändern, also habe ich keine Lust, jetzt darüber zu reden.“ Und dann ist so eine Person oft auch noch verärgert, weil man keinen Bock hat, ihr beziehungsweise ihm nach dem Munde zu reden!

Und dann, genau dann möchte man so richtig aus der Haut fahren, demjenigen einfach eine Schmieren um festzustellen, ob er überhaupt noch was spürt; „meine Faust will in sein Gesicht, und darf nicht; und darf nicht…“. Meinen Dank an Herbert Grönemeyer für diese Textzeile. Solche Leute machen mir das Leben sauer und schüren in mir den Wunsch, mein Amt hinzuschmeißen, wegzurennen und sie einfach ihrem selbstverschuldeten Schicksal zu überlassen. Leider bin ich dafür zu gut. Nein schönen Dank, ich bin nicht narzisstisch, nur arrogant; aber DAS musste einfach mal gesagt werden. Also nochmal für alle, die mich mal wieder unverschämter Weise mit ihrem Dreck anbaggern wollen: ich bin NICHT eure Müllhalde, NICHT euer Therapeut und NICHT euer Sandsack! Erzählt es der Parkuhr, oder noch besser, SCHREIBT ENDLICH MAL EINE BESCHWERDE AN DEN BETRIEBSRAT, anstatt immer nur am Wasserloch rum zu heulen, ihr Spacken. Schönes Leben noch!

Kampf dem ISmus…

An humanitäres Elend haben uns die Nachrichten in den vergangenen Jahrzehnten gewöhnt. Ich kann mich an kaum eine seriöse Nachrichtensendung der letzten dreißig Jahre – oder wie lange ich das schon halbwegs bewusst verfolge – erinnern, in der nicht von der einen oder anderen Ecke der Welt die Rede war, die gerade niederbrannte. Fast scheint es, als wenn die Zahl der Hiobsbotschaften sich in den letzten Jahren stetig nach oben entwickelt hätte. Die Krisen wechselten einander zumeist im Monatstakt ab, die eine oder andere kam und blieb – mehr oder weniger ungelöst bis heute – aber daran hat man sich gewöhnt. Politiker brauchen solche Krisen, oder zumindest die Bilder davon in den Köpfen der Menschen, denn ohne substantielle Existenzängste kommt das Volk womöglich auf die Idee, nach mehr Demokratie zu fragen. Manchmal passieren auch bemerkenswerte Dinge, die zunächst Hoffnung schüren; wir erinnern uns vielleicht an die Büchse der Pandora. In einer Version des Mythos war das letzte Übel, welches daraus entfleuchte und auf die Welt losgelassen ward, die Hoffnung.

Der arabische Frühling von 2011 war so ein Ereignis. Beschaut man sich heute nüchtern die Ergebnisse, wurde wohl doch der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben. In Tunesien ringt man tatsächlich bemüht um Demokratie, doch das soziale Elend ist seit dem Fall der Autokraten erheblich gewachsen, weshalb Tunesier auch einen nicht unerheblichen Teil der IS-Truppen stellen. Krieg ist besser als gar kein Job. Libyen liegt im Chaos. Keine zentrale Regierungsgewalt, verschiedene mehr oder weniger radikale, islamische Milizen ringen um die Macht und das soziale Elend ist seit dem Fall der Autokraten erheblich gewachsen. In Ägypten regiert faktisch wieder das Militär, was keinen nennenswerten Unterschied zum alten Regime macht, mit einem Unterschied: das soziale Elend…; Moment habe ich das gerade eben nicht schon mal gesagt? Und Syrien? Wäre das Elend, welches im Beharren auf die alten Strukturen vom Regime Assad über die Zivilbevölkerung gebracht wurde, nicht so niederschmetternd, könnte das Ganze auch einem Film von Sascha Baron Cohen entsprungen sein, so vollkommen überzogen wirkt die Rhetorik des Autokraten.

Und nun der Islamische Staat. Es ist die Schuld einer Koalition gegen den Terror, dass dieses Regime des totalen Terrors überhaupt entstanden ist. „There are weapons of mass destruction in Iraq!“. Diese eine, perfide orchestrierte Lüge hat die ganze Region ins Chaos gestürzt. Ich sage nicht, dass zum Beispiel das Regime von Saddam Hussein irgendeine Form von Rechtsstaatlichkeit gehabt hätte und die Verbrechen an den Kurden im Norden des Irak waren zweifellos furchtbar. Aber dieses Regime zu stürzen und sich dann, als ruchbar wurde, dass ein solcher, asymmetrischer Konflikt selbst für die höchst entwickelte Streitmacht unserer Welt nicht zu gewinnen ist, überstürzt zurückzuziehen, weil die Inlandsumfragen schlechte Werte für den Präsidenten verkündeten, beinhaltet eine ganze Kette historischer Fehler. Vom Kampf gegen die Taliban in Afghanistan, an dem unsere eigenen Truppen beteiligt waren kann man auch nicht behaupten, dass er ein voller Erfolg gewesen wäre. Zwar sind dort die extremen Kräfte gegenwärtig trotz all ihrer grausamen Bemühungen nicht in der Lage, das Blatt entscheidend zu wenden, aber Frieden sieht anders aus!

Historische Dramen kennen Sieger und Verlierer. Doch im Kampf gegen IS gibt es keinen Sieg, weil keine Schlachten geschlagen werden. Die Nomenklatur vergangener Konflikte hier anzuwenden ist schlicht falsch, denn die Truppen des islamischen Staates sind zum größten Teil feige aus dem Hinterhalt agierende, hochmobile, gut ausgestattete Guerillas, die organisiertes Verbrechen wie Prostitution, Glücksspiel, Menschenhandel und Schmuggel nutzen, um ihre Terroroperationen zu finanzieren; und das im Namen wahren Glaubens. Eigentlich ist der IS nichts weiter als eine große Mafiabande, nur dass sie ihre Exekutionen öffentlich vornehmen. Die Unterschiede zu anderen Staaten in der Region, wie etwa Saudi Arabien, die ja „wichtige Verbündete“ darstellen, sind übrigens marginal. Nur bei den Saudis sieht man nicht alltäglich im hiesigen Fernsehen, wie deren Frauen unterdrückt und alle mit einer abweichenden Meinung drangsaliert, eingesperrt und gefoltert werden. Die Türkei sieht zu, weil sie hofft, dass der IS Bashar al Assad endgültig das Rückgrat bricht. Man hofft von diesem Machtvakuum in Syrien zu profitieren und wartet, während Unschuldige abgeschlachtet werden. Der Westen bombardiert, wie stets mit „chirurgischer Präzision“ dort, wo er den Feind vermutet, scheut sich aber, Bodentruppen zu schicken, weil man ein Desaster wie im Irak oder in Afghanistan befürchtet, wo all die Macht zu nichts nutze war, weil man sich den Taktiken des Feindes nicht anzupassen wusste.

Dieser Konflikt offenbart nicht nur die tatsächliche Unfähigkeit des Militärs, gegen Verbrecher zu kämpfen, sei es aus organisatorischen, technischen oder ideologischen Gründen, sondern auch die Unfähigkeit der Politik, auf grundlegende Fragen des 21. Jahrhunderts Antworten zu geben: Wie geht man mit radikalfundamentalistischen, staatsfeindlichen Strömungen, gleich welcher Couleur um? Wie bringt man Gläubige verschiedenster Religionen und eher säkular orientierte Menschen zusammen, ohne dass sie anfangen, sich gegenseitig umzubringen? Wie viel Rede- und Meinungsfreiheit muss eine vitale Demokratie gewähren und ab wann muss sie einschreiten? Wie bringt man die Politik dazu, endlich den Menschen, welche jeden Staat konstituieren die Priorität vor geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen einzuräumen, die ihnen schon immer zusteht?

Wie viele Unschuldige müssen diese Verbrecher noch abschlachten, bevor man einfach das tut, was jetzt – zumindest aus meiner Sicht – das sinnvollste wäre: nämlich alle, denen Gefahr durch den islamischen Staat droht, in Sicherheit bringen, den IS im dann verbleibenden Territorium international isolieren, alle Ressourcen- und Finanztransaktionen unterbinden und ihnen dann gelassen dabei zusehen, wie sie sich selbst zu Grunde richten! Das bedürfte einer gewissen Geduld und mit Sicherheit hätte man dort noch ein, zwei Jahre Zulauf. Aber wer drin ist, ist drin und darf auf eigenes Betreiben mit untergehen. Und wenn dieses politische Großexperiment beendet wäre, hätte man ein Exempel für die Weltgemeinschaft, wie es NICHT geht. Ob wohl irgendjemand etwas daraus lernen würde? Da es aber am Mut, an der Entschlossenheit und dem Interesse an den Menschen mangelt und stets nur geopolitisches Kampfschach gespielt wird, darf das Krebsgeschwür weiter wachsen und noch viele vergiften bzw. töten. Und wenn der Terror endlich auch in unseren Straßen angekommen ist, beginnt man vielleicht darüber nachzudenken, dass isolationistisches Denken à la „mein Staat, dein Staat“, keine Zukunft mehr hat. Schöne Woche noch…

A snipet of delay

Hoppla, schon wieder 2 Wochen rum? Es wäre wohl ein bisschen zu billig, wenn ich jetzt sagte, dass je älter man wird, das Leben umso schneller an einem vorbei fliegt. Zum einen ist diese Äußerung, zugegeben schon wieder, ein Allgemeinplatz, der deutlich überstrapaziert ist. Und zum anderen stimmt es nicht wirklich. Eine Sekunde ist eine Sekunde ist eine Sekunde. Zeiteinheiten sind messbar und ich könnte mich nicht daran erinnern, mal davon gehört zu haben, dass sich ihre Dauer immer mal wieder ändern würde. Außer vielleicht am Ereignishorizont eines Schwarzen Loches, wo Raum und Zeit als Kategorien, wie wir sie kennen, zumindest den Theoremen der Astrophysik nach ihre Bedeutung verlieren. Da ich aber niemanden kenne, der diese Erfahrung schon mal gemacht hätte…

Wahrheit gewinnt diese Beobachtung jedoch auf der subjektiven Ebene. Zum Beispiel, wenn wir auf etwas warten, sehnsüchtigst warten. Dann dehnt sich die Zeit. Der gegenteilige Effekt ist leider häufig im Urlaub zu beobachten. Hach wie schnell waren diese drei Wochen jetzt wieder rum. Allem substanzlosen Geschwafel zum Trotz, welches zu diesem Thema zur Bewegung erwärmter Luft produziert wird…; ach halt, das substanzlose Geschwafel soll ja meistens dazu dienen, Ratgeberbücher zu vermarkten, die einen üblicherweise alle auf das Gleiche hinweisen: seine Zeit achtsamer zu nutzen, indem man sich vorher Pläne macht und den jeweiligen Zeitbedarf sauber kalkuliert. Sich Freiräume zu schaffen. Der Fremdverfügung über die eigene Zeit Absagen zu erteilen, wo immer es möglich ist. Die Work-Life-Balance besser austarieren. Und so weiter und so fort.

Meine Erfahrungen dazu sehen so aus: Menschen brauchen keine Seminare oder Ratgeberbücher, um sich wieder ein bisschen freier zu fühlen. Denn indem ich Zeit und Geld darauf verschwende, mir mehr Zeit zu verschaffen, erreiche ich nur eines – pekuniären Verlust. Wenn ich Glück habe, ist es nur ein Nullsummenspiel. Man kann die eigene Komfortzone des zeitlichen Aufwandes für dies oder jenes selbst herausfinden. Nur in den Fällen, da der Drang zur Perfektion, zur Selbstausbeutung, zum High-Performer-Dasein krankhafte Züge annimmt, wie das zum Beispiel bei mir persönlich der Fall war, ist es notwendig, sich Hilfe zu suchen. Darauf folgt ein, im Zweifelsfall mentoriell betreuter Lernprozess, um wieder an der Ort der Annehmlichkeit im Leben zurück zu finden. In aller Regel ist das keine Sache von ein paar Wochen, sondern eher von Monaten oder gar Jahren, weil – wie ein altes Sprichwort so schön und richtig sagt – schlechte Angewohnheiten nur langsam sterben! Aber es ist möglich und mit der richtigen Anleitung gar nicht mal so schwer.

Ein viel größeres Problem stellen da die Arbeitgeber dar. Der Zwang zur Selbstoptimierung wird uns im Zusammenhang mit dem Arbeitsleben all überall gepredigt; wir müssen unsere Effizienz optimieren, das geht schneller, da ist mehr drin, man muss es nur rausholen, alle anderen sind besser als DU… einen Bullshit sind sie und einen Bullshit muss ich! Arbeitsverdichtung ist entgegen dem Diktum des durchschnittlichen Controllers oder Unternehmensberaters nicht beliebig zu steigern und es ist verdammt nochmal an der Zeit, dass die sogenannten Bosse, die nur allzu oft auch keinen besseren Durchblick haben als ich, endlich verstehen, dass ICH und nicht das Geld, oder irgendwelche Geräte das wichtigste Kapital bin, über welches sie verfügen. Und dass ich es wert bin, meinen Bedürfnissen Rechnung getragen zu sehen, anstatt dauernd gegängelt zu werden. Wertschätzung, Respekt und weniger Stress durch unnötige/unsinnige Aufgaben, ausreichende Pausen und eine leistungsadäquate Entlohnung – was das individuell bedeutet, darf und muss natürlich diskutiert werden – und schon laufe ich und laufe ich und laufe ich, wie der VW-Käfer aus der Werbung. Wenn jedoch jemand von mir Unbilliges verlangt, so wird er meine Unwilligkeit und die aus ihr erwachsenden Konsequenzen erfahren! Gilt übrigens nicht nur für meinen Boss sondern auch für meine Kollegen! Schönen Tag noch.

Ist Forschung sozial?

Das ist so eine Sache mit der Sozialforschung. Ich musste mich im letzten Jahr damit befassen, da ein Studium der Bildungswissenschaft zwangsläufig nach einer gewissen Methodenkenntnis verlangt. Ich käme nie auf das schmale Brett, mich bezüglich Statistik mit einem Psychologen oder Soziologen vergleichen zu wollen, die machen ja bekanntlich fast alles damit; egal, ob es Sinn macht oder nicht. Aber wenn ich so auf meine Studien zurück blicke, komme ich nicht umhin, mich zu fragen, was genau ich da gelernt habe…

Dies soll kein despektierlich‘ Reden sein, aber mein Vertrauen in die Möglichkeiten der Sozialforschung wurde, zumindest hinsichtlich der quantitativen Methoden, eher erschüttert denn aufgebaut. Was eventuell daran liegen könnte, dass die zwangsläufig mit klassischen Erhebungsmitteln wie etwa Fragebögen einher gehenden Simplifikationen meines Erachtens die subjektive Perspektive derart beschneiden, dass es kaum möglich bleibt, sinnvolle Erkenntnisse über deren Bedeutungszuschreibungen zu gewinnen. Denn das Subjekt – oder in Normalsprech der Mensch – soll doch sein, worum es bei „Sozial“-Forschung gehen soll … oder? Nun ist es so, dass es in der wissenschaftlichen Welt einen sehr langen und umfangreichen Disput darüber gibt, auf welche Art man soziale Sachverhalte erforschen kann und soll. Ich habe offensichtlich aus meinen Erfahrungen und Studien heraus eher eine Verbindung zu den, so genannten qualitativ-interpretativen Ansätzen entwickelt, was daran liegen mag, dass ich die Zuverlässigkeit statistischer Instrumente für fragwürdig halte, sobald es um die Erfassung des sozialen Binnenraumes geht.

Warum ich davon spreche? Ich hatte neulich eine zugegeben zu kurze Online-Diskussion mit einem Sozialwissenschaftler, der den Bologna-Prozess – also die Entwicklung hin zu Europaweit einheitlichen Bachelor- und Masterabschlüssen an Universitäten – für totalen Käse hält, weil die Vergleichbarkeit der Ergebnisse einzelner Studenten nicht gegeben sei. Er meinte, es gäbe keine einheitlichen Qualitätskriterien, es würde nur innerhalb einzelner Kurse bzw. Jahrgänge gemessen, was diese neuen Bildungsabschlüsse entwerten würde. Das hat mich natürlich schon nachdenklich gemacht, weil er damit irgendwie meine neben einem Vollzeitjob her betriebenen, durchaus anstrengenden Fortbildungsbemühungen quasi en passant für wertlos erklärt. Das hat mich vor den Kopf gestoßen!

Die Diskussion drehte sich auch um Sinn und Unsinn unseres Bildungssystems in seiner jetzigen Form aber das führte hier zu weit. Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Forschungsergebnisse in den Sozialwissenschaften sind IMMER erheblich von der Deutungsperspektive des Forschers und der Wahrnehmung durch die Rezipienten abhängig. Somit ist es Verschwendung von Papier oder Online-Bandbreite, einfach irgendwelche – womöglich auch noch aus dem Zusammenhang gerissene – Kennzahlen für den Wert von Bildung zu zitieren. Die Biographie, sowie Lebens- und Arbeitsumstände des Forschers nehmen genauso Einfluss auf den Zuschnitt von Forschungsvorhaben, wie dies die Wahrnehmung durch die Scientific Community in Bahnen lenken kann; vom Erkenntnisinteresse des Auftraggebers irgendeiner Studie ist hier noch nicht einmal die Rede. Dass man mittels Daten das Eine oder das Andere „beweisen“ kann, wenn man sich nur Mühe gibt, sieht man an der Qualität so mancher Studie, die dann gerne im Marketing genutzt wird. Ein Blick auf Volker Pispers Beitrag zum Thema McKinsey kann hier helfen, die Augen zu öffnen.

Es liegt mir fern, jemandem, der schon deutlich mehr akademische Meriten gesammelt hat als ich, ans Bein pissen zu wollen. Aber hinsichtlich des Wertes von Diesem oder Jenem stelle ich lieber mal eigene Beobachtungen an. Und mit einem durch zwei Jahrzehnte Arbeit mit Menschen durchaus gut geschulten Blick auf allzu Menschliches verlasse ich mich manchmal auch – vollkommen unwissenschaftlich – auf meine Intuition. Es erscheint mir daher auch allzu billig, auf das „verschulte“ Studium durch die Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse zu schimpfen, wenn eigentlich die Verantwortung für die individuelle Qualität des Abschlusses, übrigens auch schon zu Zeiten von Diplom und Magister vor allem beim Studiosus selbst zu suchen wäre. Vielleicht wäre es hilfreich, das System auf den Prüfstand zu stellen; aber eben nicht nur das System, sondern auch die Menschen, welche es konstituieren. In diesem Sinne eine schöne Woche!

A snipet of sexism?

Ja, ja, die Frau Anne Wizorek und ihr Hashtag #aufschrei; jetzt hat sie ein Buch geschrieben und behauptet rundweg, alle Männer seien des Sexismus schuldig, weil sie quasi per Geburt zu Nutznießern einer patriarchalischen Gesellschaft werden. Zuallererst weist sie darauf hin, dass sie in ihrem Buch den Gender-Gap benutzt. OK, wenn sie meint, dass derartige Wortverschandelung zu einer gewaltfreieren Kommunikation führt – bitte, nur zu. Es killt zwar die Lesbarkeit, aber die darf im Namen der Sache schon mal hinten runter fallen.

Dann instrumentalisiert sie, ganz sexistisch, die Auswahl ihrer Referenzen, um durch Auslassung verschiedener, durchaus einflussreicher, feministischer Strömungen ihr Bild vom Mann zu untermauern; und nach diesem schrägen Bild bin ich ein dreckiger, die Frauen ausbeutender, durch meine Sprachwahl den sexistischen Status Quo der Gesellschaft zementierender, unnötig gönnerhafter Sugardaddy…!

Entschuldigung Frau Wizorek, derartige Propaganda ist Sexismus mit umgekehrten Vorzeichen, die die Welt nicht braucht. Überdies, und es mag sein, dass ihnen das vielleicht sogar bewusst ist, sie es aber einfach verdrängt haben, gibt es ein paar Unterschiede zwischen Mann und Frau, die weit über die Frage der Geschlechtsmerkmale hinausgehen. Und sofern sie ein wenig Ahnung von Kognitions- bzw. Entwicklungspsychologie hätten, könnten sie wissen, dass diese nicht nur durch Erziehung sondern auch durch Anlagen erklärbar sind.

Nur um einem Missverständnis vorzubeugen: ich finde ihr Anliegen, eine faktische Gleichberechtigung der Frau endlich durchzusetzen voll und ganz wichtig. Aber sie fahren, wie so viele vor ihnen und so viele, die wohl noch kommen werden mit einem Zug nach nirgendwo, wenn sie statt Gleichberechtigung Gleichmacherei versuchen. Frauen und Männer sind NICHT gleich und werden es auch nie sein. Sie sollen die gleichen Rechte haben, aber die beiden Geschlechter haben ihre jeweils unterschiedlichen Vorzüge und Nachteile, denen es Rechnung zu tragen gilt. Nicht nur im Namen der Frauen, sondern auch im Namen der Männer. Ich bin nämlich ein Mann; und mitnichten trage ich daran Schuld, dass sie sich unterdrückt fühlen. Das einzige, was sie mit ihren Äußerungen erreicht haben ist, dass ich, der sich immer für einen sehr der Gleichberechtigung zugewandten Mann gehalten hat nun verärgert bin, weil sie mich unberechtigterweise mit testosterongetränkten Jungspunden in einen Topf werfen, denen einige Jahre an Entwicklung und Erziehung fehlen.

Sich hinzustellen und kokett zu sagen, dass es doch nicht ihre Aufgabe sei, eine Anleitung für’s Mannsein zu geben, auf der anderen Seite aber alle Männer als sexistische, gewaltbereite Machos zu beschimpfen ist schlicht ein Hinweis auf eine sehr begrenzte Weltsicht und führt ihr Gleichheitsgeschwurbel ad absurdum. Sie wünschen sich doch wohl eher eine maternalistische Gesellschaft. Ob die so viel besser wäre, kann ich allerdings nicht sagen, es mangelt mir an einer Kristallkugel. So bleibt mir also nur festzustellen, dass es sehr schade ist, dass die Allermeisten, die heutzutage durch soziale Medien bekannt werden, engstirnige Idioten mit Missionierungszwang sind. Danke für diese Lehre! Leben sie wohl, aber bitte in Stille!

Aus des Märchenonkels Nähkästchen #3 – Zusammen erzählt sich’s leichter?

Ein einzelner Erzähler macht sein Ding. Das ist mitnichten so einfach, wie es klingen mag, denn es gibt, wie ich schon des Öfteren durchklingen ließ eine Menge Dinge zu beachten, wenn das Ergebnis halbwegs gut sein soll. Ein Team von Autoren, und sei es noch so klein, tut sich da in gewisser Weise schwerer. Man hat zwar einen größeren Pool an Ideen und literarischem Know-How, doch natürlich möchte jedes Teammitglied auch seine Ideen verwirklicht sehen, was mittelfristig immer zu Problemen führt. Nicht umsonst ist Projektmanagement ein eigenes Studienfach… Aber auch dafür lassen sich bei einem Buchprojekt o.Ä. Lösungen finden, denn man hat ja zumindest ein gewisses Zeitkontingent um die Sache zum Abschluss zu bringen. Der wichtigste Termin ist die Deadline, zu der abgeliefert sein muss. Macht man auch seine Zeitpläne selber, weil einem kein Lektor oder sonst wer im Nacken sitzt, ist das einzige Limit der eigene Perfektionismus. Das ist total schön, kann einen aber auch zum Trödeln verführen.

Zusammen ein Buch zu schreiben, oder sonst ein fiktionales Werk zu schaffen, ist ein kreativer Prozess, bei dem alle auf ein irgendwie definiertes Ziel hinarbeiten. Beim Rollenspiel kann man die Idee von gemeinsamen Zielen oft genug nehmen und in die Tonne treten, weil jeder Spieler sein eigenes Süppchen kocht. Doch davon gleich mehr. Zuerst kommt nämlich die Frage, was mit einer Geschichte, die ich als Spielleiter auf meine Spieler bzw. deren Charaktere losgelassen habe passiert. Ich habe schon erwähnt, dass man so gut wie nicht vorher sagen kann, was die Spieler mit den Interaktionspunkten und Puzzlestücken, die man ihnen anbietet anstellen werden. Deswegen bleibt es auch für mich als Erzähler immer spannend. Das bedeutet aber auch, dass man als Spielleiter im Gegensatz zu einem Buchautor kein Copyright für sich beanspruchen kann. Die Grundidee der Geschichte, die NSCs und ihre Pläne und Ziele, die möglichen Konsequenzen eines Nichteingreifens und bestimmte Orte, die im Ablauf der Story eine Rolle spielen sollen, kann ich mir ausdenken, aber ich mache all das, indem ich es mit den Spielern durch das Erzählen teile sozusagen zur Public Domain. Ich überlasse zumindest einen Teil der Rechte an der Geschichte Anderen, um sie damit und darin interagieren können zu lassen, wie sie es für richtig halten. Was aber noch viel entscheidender ist: all das passiert on the fly! Die Geschichte verändert sich, während alle an ihr miterzählen sofort und unabänderlich. Einflussnahmen, die vielleicht nicht das gewünschte Ergebnis erzielen, bleiben einmal erzählt/gespielt trotzdem Teil der Story und ziehen ihre Konsequenzen nach sich. Sich dessen gewärtig zu sein. Ist nicht immer leicht.

Ich muss also als Spielleiter darauf eingestellt sein, loszulassen. Eine Geschichte, die man sich ausgedacht hat, enthält mindestens Inspirationen, maximal Herzblut, welches man in den kreativen Prozess investiert hat. Und man muss lernen, es als Return of Investment betrachten zu können, wenn die Spieler mittels ihrer Spielfiguren etwas vollkommen anderes damit anstellen, als man sich selbst ausgemalt hatte. Es wird oft darüber gestritten, wie viele Freiheiten ein Spielleiter seinen Spielern beim selbst gestalten ihrer Geschichten lassen sollte. Manche versuchen die Charaktere immer wieder zurück auf den roten Faden zu nötigen (wenn das zu exzessiv geschieht, spricht man von Railroading – sie in den Schienen halten). Andere geben einfach nur eine Spielwelt vor und lassen die Spieler mal machen, oft ohne nennenswerte Hinweise auf einen Metaplot oder irgendwie ableitbare, übergeordnete Ziele; das kann eine Weile ganz interessant sein, allerdings auch zur Verwirrung und Planlosigkeit führen. Es gibt auch Meister, die ihre Spieler darüber entscheiden lassen, welche Art von Abenteuer es denn diesmal sein darf und sich nicht viel um Konsequenzen für die Spielwelt, den Metaplot oder sonst was scheren. Ich persönlich bevorzuge es allerdings, mir vorher einen übergeordneten Spannungsbogen, wichtige NSCs, die ihre eigenen Pläne verfolgen und spezielle Orte auszuarbeiten. Die Charaktere bekommen ihre Chancen, darauf zu reagieren, wenn sie das unterlassen, hat das irgendwann Konsequenzen, die auch auf sie zurück fallen können, jedoch nicht unbedingt müssen.

Nehmen die Spieler meine Fäden auf, überlasse ich ihnen, was sie daraus machen. Konzentrieren sie sich auf etwas Anderes, überlege ich mir, ob ihre Pläne und die der NSCs sich miteinander überschneiden, konvergieren, divergieren, etc. und lasse daraus neue Spannungspunkte entstehen, wenn es angezeigt ist. In jedem Fall aber werden die zu Grunde liegenden Teile damit zu unserer Geschichte und ich würde mir nicht anmaßen, sie noch als mein Eigentum zu betrachten. Und gerade weil ich ab einem bestimmten Punkt nur noch einen geringen Einfluss auf den Fortgang der Ereignisse habe ist es für mich genauso spannend wie ein gutes Buch, ein Film, etc., eben ein Abenteuer. Vom Standpunkt eines Autors sind mitnichten alle Ergebnisse von gleicher Qualität, was allerdings beim Rollenspiel dann unwichtig wird, wenn trotzdem alle ihren Spaß dabei hatten. Denn auf Spaß gibt’s kein Copyright…

Sharia-Polizist oder Schützenkönig?

Medialer Furor bezüglich religiöser oder politischer Phänomene abseits des Mainstreams ist in unserer Gesellschaft Alltagsgeschäft. Menschen, welche sich durch nicht gesellschaftlich konzessioniertes Verhalten abheben, werden in aller Regel sofort dämonisiert, mindestens aber als abschreckendes Beispiel gehandelt. Da haben wir nun Sven Lau und seine Sharia-Polizei, die einstweilen von Wuppertal nach Düsseldorf weitergezogen ist und mit weniger auffälliger Tracht aber mindestens eben so viel staatsmächtiger Aufmerksamkeit ihrem in aller Welt Augen seltsamen Geschäft nachgeht. Und es ist eigentlich ein Riesenblödsinn, diesen Typen so viel Aufmerksamkeit zu widmen, denn genau das wollen sie.

Man muss nicht allzu viel vom Islam verstehen, um begreifen zu können, dass die salafistisch indoktrinierte Auslegung des Koran ideologischer Hardcore-Fundamentalismus ist, der die Rechte der Frauen auf Gleichberechtigung ebenso negiert, wie die Toleranz gegenüber anderen Religionen oder Lebensstilen. Nun ist unser Lebensstil – vulgo dass, was den Salafisten westliche Dekadenz heißt – durch und durch säkular. Der durchschnittliche Bundesbürger gehört formell einer Religionsgemeinschaft an, lebt vielleicht auch deren Gebote, zumindest soweit es nicht mit seinen persönlichen Befindlichkeiten kollidiert und besucht Gotteshäuser zu den üblichen Gelegenheiten, was sich bei den Meisten, genau wie bei mir in Hochzeiten und Todesfällen erschöpfen dürfte. Dass ich Sakralbauten auch gerne als Fotomotiv nutze, dürfte bekannt sein. Der Punkt, den ich aber gerade zu verdeutlichen suche, ist folgender: einem guten Stück der Bundesbürger ist die organisierte Religion als Selbstzweck Wumpe. Was vermutlich auch an der hierorts tiefgehenden Entkopplung von Staat und Kirche liegen dürfte, die in unseren Breiten aber auch noch nicht so lange anhält.

Was nun diese jungen Männer mit der auffallend mächtigen Gesichtsbehaarung und dem Missionierungstrieb angeht, so haben sie, zumindest Angaben staatlicher Behörden zu Folge den Anschluss an die Gesellschaft verpasst. Oft stark segmentierte Bildungs- und Berufskarrieren, verschiedene kleinere Delikte und mangelnde soziale Fähigkeiten kulminieren häufig in der Selbstfindung durch eine Gruppe, die – vollkommen im Gegensatz zu unserer Gesellschaft – starke Regeln, mögliche Identifikationsfiguren als Führer und die Verheißung einer besseren Zukunft in sich trägt. Dass die Quelle dieser Ideologie, nämlich der Koran, genauso wie jedes andere heilige Buch im Kontext seiner Entstehungszeit gesehen werden muss und im Wesentlichen auch die Nächstenliebe als hohes Gut propagiert, wird bei der wörtlichen Zitierung des Missionierungsgebotes gerne unterschlagen. Menschen, die sich von einer materialistischen Gesellschaft zurück gelassen fühlen mit religiösen Heilsversprechen zum Kampf aufzurufen ist ein Muster, das ein wenig an die Rekrutierungspraxis der christlichen Kreuzzüge im Hochmittelalter erinnert. Insofern ist der erhobene Zeigefinger durch allzu christliche Menschen vielleicht auch nicht so angebracht.

Das Problem sind nicht ein paar Kerle, die angesichts ihrer prekären sozialen und wirtschaftlichen Situation Erfüllung darin suchen, im Schoß einer Gemeinschaft Stärke zu fühlen, die sie im Leben anders bislang nicht zu erlangen fähig waren. Das Problem ist auch nicht der Zuspruch, den sie durch Andere erfahren. Junge Männer, die offensichtlich von ihrem Testosterongetränkten Machismo getrieben in die Kameras des Privatfernsehens stammeln „das die Recht haben, die Mädchen gehörten ja Abends schon irgendwie nach Hause“. Natürlich zur besten Sendezeit und genauso geschnitten, dass unsere Migrationsmitbürger mal wieder als ewig gestrige Frauenhasser rüberkommen. Derlei Berichterstattung ist ja vollkommen unparteiisch… Ebenso wenig ist die Sprengkraft der Angelegenheit auf die Nazis beschränkt, die derlei Tun unaufhaltsam auf den Plan ruft. Die kommen eh bei jedem Wetter aus ihren Löchern, wenn sie Ausländer klatschen dürfen; egal ob mit oder ohne Grund. Doch das sind alles nur Symptome.

Und zwar dafür, dass unsere Gesellschaft es immer mehr verlernt, sinnvolle Antworten auf die Fragen der Zeit zu finden. Dafür, dass es den Menschen an Vorbildern mangelt, die in der Lage sind Werte zu vermitteln. Ich rede dabei nicht von Tugend, Pflichterfüllung und Gehorsam sondern von Solidarität, Ehrlichkeit und Kreativität, sowie dem Bestreben und Durchhaltevermögen, seine Träume wenigstens zum Teil Realität werden zu lassen. Überhaupt mangelt es uns an Träumen. Einmal mehr muss ich Herrn Steinbrück meine Geringschätzung dafür zollen, dass er Visionen für unnütz hält. Schließlich aber sind die Scharia-Polizisten ein Hinweis darauf, dass unsere Gesellschaft Wandel dringend nötig hat, denn Schützenkönige brauchen wir ebenso wenig, wie diese bärtigen Wirrköpfe.
[PS: Wer den letzten Satz nicht verstanden hat, rufe sich ins Gedächtnis, dass die Brauchtumspflege oft genug auch ein Hort für reaktionäres, wenig der Zukunft zugewandtes Gedankengut ist. Ich habe nichts gegen Traditionen, aber viel zu oft erstarrt mit den Ritualen und den Trachten auch der Geist…]