MOOC – was ist denn das?

Nur mal so am Rande: ich nutze mein Blog bewusst NICHT, um irgendwelchen Unfug über meinen Alltag abzusondern, sondern für das Nachdenken über Dinge, die mich bewegen und motivieren. Vielleicht bin ich ja nicht der einzige dadurch bewegte – oder motivierte…

Jedem, der letzter Tage hier rein gesehen hat, dürfte aufgefallen sein, das hierorts gerade Studierstimmung herrscht und das um ein Vielfaches offensichtlicher als sonst; dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Fern-Uni, deren Student zu sein ich die Ehre und das Vergnügen habe zum allerersten Mal einen massiven, offenen Online-Kurs anbietet. MOOC ist also eine Abkürzung und weil sie aus dem Englischen kommt, werden die zwei O wie ein U ausgesprochen und hinten steht ein C, weil Course sich im Englischen halt so schreibt. Dabei handelt es sich um die Bündelung verschiedenster Medien und zugehöriger Kanäle des Web zu einer Ressource, die zu einem Sandkasten wird.

Sandboxing als Prinzip kennt man aus der IT und dort meint es die Schaffung eines virtuellen Raumes (z.B. eines virtuellen Betriebssystems), in welchem man gefahrfrei experimentieren oder zum Beispiel Schadprogramme deassemblieren – also auseinanderpflücken und untersuchen – kann. Wie auch im echten Leben ist ein Sandkasten also ein durch eine klar sichtbare Begrenzung abgetrennter Bereich, in dem man zunächst erstmal tun und lassen kann, worauf man Lust hat, weil’s kaum Schaden anrichten wird. Transponiert man dieses Prinzip eines vordefinierten Raumes für Experimente auf einen online abgehaltenen Kurs im Rahmen eines Studiums, bekommt man eine Plattformunabhängige Spielwiese, auf der alle Beteiligten, also Dozenten und Studenten gleichermaßen und ein Stück weit auch gleichberechtigt, ihren Input austauschen, ansehen, miteinander diskutieren und so die individuelle Wissens- und Erfahrungsbasis erweitern können.

Natürlich gibt es rules of conduct, wie sie eigentlich überall online gelten. Hier noch erweitert durch das Regularium des wissenschaftlichen Arbeitens, soweit man es als Student schon verinnerlicht hat. Darüber hinaus gibt es zeitliche Vorgaben, Denkanstösse im Sinne zur Verfügung gestellter Ressourcen und eine Fragestellung. Aber wie man an diese Fragestellung herangeht, das ist zunächst jedem selbst überlassen. Man kann zum Austausch und als Ressource gleichermaßen die gebotenen Kanäle nutzen, wie Foren und Blogs in der Fern-Uni-Plattform, Twitter, freie Blogs, Youtube, Scoop.it und natürlich alle anderen Informations- und Kommunikations-möglichkeiten im Web, die eigene Bibliothek, das angesammelte Studienmaterial – kurz einen zunächst sehr unübersichtlich wirkenden Haufen von Info.

Das mag dem unbedarften Beobachter jetzt sehr unstrukturiert und irgendwie zu beliebig für eine Lehrveranstaltung vorkommen; und das soll doch eine Lehrveranstaltung sein, oder?

Meine Replik darauf: aber sicher ist das eine LEHRveranstaltung! Man darf die Fülle der Möglichkeiten nicht auf jeden Teilnehmer in der gleichen Art oder Intensität ihre Wirkung entfaltend annehmen. Jeder nimmt sich die Kanäle, mit denen er kann und beginnt sich seinen Weg durch das Dickicht zu bahnen, und zwar durch die Schaffung eigener Strukturen, welche den individuellen Stärken und Vorlieben am ehesten dienlich sein können. Der Output wiederum landet im Sandkasten und wird von den Kommilitonen und Dozenten begutachtet, bewertet, diskutiert. Von Schwarmintelligenz zu sprechen trifft es zwar nicht präzise, aber in jedem Fall etabliert sich ein Peer-Review-System, dass ziemlich zuverlässig den -zwangsläufig im Web immer anzutreffenden – Unfug vom Content abscheidet und so als interne Qualitätsinstanz wirkt. Der Sandkasten als virtuelles, soziales Mesosystem von halbwegs erwachsenen Menschen strukturiert sich sowohl in sozialer als auch in fachlicher Hinsicht nach meinem Erleben erstaunlich schnell.

Nun ist das Feld noch frisch – es gibt verschiedene Modelle, wie man einen MOOC gestalten kann, z.B. auch als Mix aus Online-Kurs und Präsenzveranstaltung, unter Einbeziehung von mehr oder weniger Kanälen, etc.; allerdings gibt’s noch keine auswertbaren Daten darüber, wie ein solches Konstrukt sich ordnet, wie gut es in der Breite für die Teilnehmer funktioniert, welche Probleme damit verbunden sein können und ob diese Form des Lernens den immer häufiger Handlungsleitenden Effizienzkriterien gerecht werden kann.

In Vielerlei Hinsicht ist es also, vor allem Anderen, ein Experiment, dem allerdings ein paar Prämissen zu Grunde gelegt werden sollten, die sich recht einfach aus erlebbarem sozialem Alltag in der analogen Welt ableiten lassen: die Zahl derer, die einem solchen Kurs nur als passive Rezipienten beiwohnen, wird hoch sein, denn vielen mangelt es an der Zeit oder der Motivation, das notwendige MEHR an Arbeit zu investieren, das einem MOOC innewohnt. Es gibt in dem Kontext viel zu tun, viele Dinge im Auge zu behalten, das bedeutet Anstrengung und auch Stress. Und JEDE Online-Community – und das ist ein MOOC ebenso, wenn auch nur auf Zeit – zeigt Anfälligkeiten für Trolle, Cybermobbing, Missverständnisse, und andere menschliche Nickligkeiten. Der Human Factor darf hier, auch wenn wir vom positiven Bild des vernünftigen, bildbaren Individuums ausgehen wollen, als mögliche Problemquelle nicht ausgeklammert werden. Wären wir alle vernünftig, sähe unsere Welt nämlich vermutlich anders aus – vielleicht besser, aber da bin ich mir nicht sicher.

In jedem Fall sehe ich in MOOCs eine Chance; nämlich Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie wir Bildung in Zukunft mehr am Menschen als an wirtschaftlichen Interessen orientiert gestalten und gleichzeitig dennoch effizienter abwickeln können, denn das muss kein Widerspruch sein. Neue Medien dürfen dabei allerdings nicht zum Selbstzweck degenerieren, sondern müssen als das gesehen werden, was sie im Grunde sind: ein neues Werkzeug, dessen Handhabung wir noch immer nicht begriffen haben.

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