Ich habe mich geirrt

Eine Feststellung, die man auch mal treffen können muss, insbesondere, wenn man sich mehrfach anders geäußert hatte. Die Anhänger von PEGIDA rekrutieren sich nicht – auch nicht mal wenigstens zum Teil – aus der Mitte unserer Gesellschaft. Der Umstand, dass trotz Hitlerbebartetem Bachmann und immer offenkundiger werdender Nähe des rechten Flügels der AfD – in personam Frauke Petry – zu diesen kurzsichtigen, verbohrten, rassistischen Populisten immer noch so viele auf die Dresdner Cockerwiese strömten, hat mich endgültig vom Gegenteil überzeugt. Dieses Pack ist ein Affront für die Demokratie, deren Früchte sie selbst so reich geerntet haben. Allerdings glaube ich daran, dass man auch mit Menschen reden muss, die sich in etwas Falsches verrannt haben; denn so sehr ich die Scheiß-Nazis auch hasse, sie sind trotzdem – wenigstens irgendwie – noch Menschen… Also auf zu ein paar erklärenden Erwägungen.

Zweifelsfrei hat sich das Leben in den fünf Bundesländern, die einstmals das Staatsgebiet der DDR konstituiert haben im letzten Vierteljahrhundert sehr drastisch verändert. Manche Dinge abseits der, zumeist gar nicht so subtilen, Repression dieses Regimes, welche von den Bürgern durchaus als Gewinn empfunden worden waren, wie staatlich verordnete Vollbeschäftigung und kostenfreie Kinderbetreuung für alle verschwanden im Orkus der Geschichte. Doch, und das sei hier noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt, relativiert nichts von diesen Errungenschaften des „real existierenden Sozialismus“ das Unrecht, welches dieser Staat gegen seine Bürger begangen hat. Einsperrung, Bespitzelung, Folter und Mord, das klingt jetzt nach Nordkorea, war für viele DDR-Bürger jedoch ebenso bittere Realität, wie dort in Asien.

Das ausgerechnet dort, wo so viele derartige Ungerechtigkeiten erleben mussten jetzt die Wiege eines erneuerten Nationalismus entsteht, mag verwundern, sind Staatsfaschismus und Staatssozialismus in ihren Funktionen und Auswirkungen einander doch sehr ähnlich. Doch wie so oft hat „der Westen“, in diesem Fall im Gewande der alten BRD viele Versprechungen gemacht und nur wenig davon gehalten. EX-DDR-Bürger wurden hier mit Bürokratismen und Bigotterie empfangen, die sie doch sehr an den Staat erinnert haben müssen, den sie gerade hinter sich gelassen hatten. An der durch Jahrzehnte der Misswirtschaft entstandenen strukturellen Schwäche der Wirtschaft in den neuen Bundesländern haben alle „Bemühungen“ bis heute wenig ändern können. Mag auch daran liegen, dass man dazu einfach irgendwelchen Typen, die gesagt haben „Ich mach das für euch“ Geld in den Arsch geblasen hat, bis diese halbwegs saniert waren. Schönen Dank für die Verschwendung unserer sauer verdienten Steuern. Und schließlich hatte der Westen 1990 schon erheblich mehr Erfahrung mit Migrationskultur, als der Osten. Dass diese Migrationskultur den Namen nicht verdient, weil in der alten BRD „Gastarbeiter“ einfach ghettoisiert wurden, habe ich an anderer Stelle schon häufiger thematisiert, darauf gehe ich jetzt nicht noch mal ein.

Strukturwandel erzeugt, wie es scheint in kapitalistischen Systemen immer Gewinner und Verlierer. Wir leben im Kapitalismus. Man neigt manchmal dazu, zu vergessen, dass dieses ökonomische System nach stetigem Wachstum verlangt um funktionsfähig zu bleiben, dabei uns als Markt-Teilnehmer ebenso dazu nötigt, ständig nach „mehr“ zu verlangen und automatisch jene abkoppelt, die nicht in dieser Spirale aus Konkurrenz, Effizienz, Leistung, Konsum und Gewinn mitmachen können oder wollen. Die alte BRD hat neben einem wirklichen demokratischen System auch dessen eigentlich zutiefst undemokratischen Bastardbruder des entfesselten neoliberalistischen Kapitalismus auf das Gebiet der Ex-DDR exportiert. Es waren halt die 80er des 20. Jahrhunderts und Thatcher und Reagan hatten per Definition immer Recht. War ‘ne Scheißzeit für echte Demokraten und danach wurde es nie mehr so, wie es gewesen war, weil der Boden weltweit für nachhaltiges, reguliertes Wirtschaften verbrannt worden war. Die Zeche zahlt bis heute, wie stets, der einfache Bürger.

Man hatte den Bürgern der DDR von heute auf morgen den Kapitalismus aufgenötigt, ohne Chance, sich daran zu gewöhnen, damit zu wachsen, darin zu gedeihen; und das in einer Periode, in welcher die Friss-oder-Stirb-Mentalität der ungezügelten Zocker sich gerade mit aller Macht ihren Weg durch die Welt bahnte. Was für einen Eindruck das bei den Menschen hinterlassen haben mag, kann ich mir nur vorstellen, aber mit Sicherheit hatte es wenig mit dem zu tun, was in den Köpfen vorging, als die „Wir sind das Volk“-Rufe durch die Straßen hallten. Und ein Vierteljahrhundert, viele gebrochene Versprechen, Demütigungen und verlorene Träume später wundert man sich, wenn diese Menschen die Werte unserer Demokratie nicht schätzen gelernt haben? Wer hat ihnen denn gezeigt, was es zu schätzen gibt. Vielleicht jene Unternehmer, die aus dem Osten rausgeholt haben, was ging und sich dann vom Acker gemacht haben? Die vielen Westdeutschen, die sie als Schmarotzer beschimpft und nach einem Neubau der Mauer aus pekuniären Gründen gerufen haben? Oder unsere Politiker, die sich vor allem den althergebrachten neokorporatistischen Arrangements verpflichtet fühlen, in denen „der Osten“ bis heute bestenfalls die Dritte Geige spielt?

Spielt letzten Endes auch keine Rolle, Fakt ist, dass das wirtschaftliche System, welches in den Köpfen der Menschen die wichtigere Rolle spielt, weil ihre Existenz davon abhängt, in der Hauptsache Enttäuschung exportiert hat. Und in den Köpfen besteht immer noch diese Analogie zwischen dem politischen und dem wirtschaftlichen System, womit diese Enttäuschung auf den Staat reflektiert wird. In den Köpfen ist also die BRD Schuld an den Existenzängsten, ganz gleich wie viel reale Substanz die empfundene Bedrohung auch haben mag. Ein Kind nimmt man ja auch in Am, wenn es Angst vor den Monstern unter dem Bett hat…

Zum Staatssozialismus kann und will man nicht zurück, der war noch beschissener, aber die Rückbesinnung auf nationale Ideale, ja das klingt gut. Schmeißen wir doch einfach alle raus, die hier nicht her gehören, dann hört auch die existenzielle Bedrohung auf. Ist das wirklich so einfach zu erklären, was da in Dresden passiert? Ich denke schon! Und ich verweise nochmals auf das zuvor Gesagte – auch wenn jetzt nationalistisches, ja auch faschistisches Gedankengut unterwegs ist, enthebt uns das nicht der Verantwortung zum Dialog. Dass dieser Faschodreck weder bei den täglichen Problemen hilft, noch irgendwo anders hinführt, als in eine neue, andere Diktatur, kann, nein MUSS man den Pegidisten dabei in jedem Fall sagen.

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