Freiheit, die ich brauche…

Irgendwie scheinen sich Zeitschriftenredaktionen wohl doch abzusprechen, denn gleich in mehreren Periodika, die in meinen heimatlichen Haushalt zu flattern pflegen, fanden sich in den vergangenen Tagen Artikel zum Thema, ob man Kinder bekommen/haben muss, um glücklich sein zu können. Naturgemäß kommen unterschiedliche Betrachter diesbezüglich zu höchst unterschiedlichen Bewertungen; man könnte schlicht antworten, weil diese Frage eine höchst individuelle ist, deren Beantwortung von der aktuellen Lebensumgebung, den eigenen Kindheits- bzw. Familienerfahrungen, der Bildungsbiographie, den Beziehungserfahrungen und noch einem Haufen anderer Faktoren abhängt, welche bei zwei willkürlich gewählten Menschen in unserem Lande eher selten absolut deckungsgleich ausfallen werden. Was genau allerdings die Motivation, Kinder in diese Welt zu setzen positiv oder negativ beeinflusst, dazu muss man sich ausschweigen – weil man es nicht weiß!

Ich finde es immer etwas seltsam, wenn sich Magazine mit solchen Fragen befassen, die eher dem investigativ-informierenden Journalismus zugerechnet werden wollen. Bei einer Familienzeitschrift würde man meinen, sei das Thema besser aufgehoben. Jedoch lassen sich in beiden Fällen die Autoren auf die eine oder andere Sichtweise zu sehr festlegen. Die Familie mit Kindern als höchstes Gut auf der einen Seite, die individuelle Freiheit, sein Leben ohne Einengung durch die Pflichten der Kindererziehung leben zu wollen auf der anderen und dazwischen die große Ebene der Fragezeichen bezüglich des Sinnes solcher Artikel. Nur weil wir in einer Schicksalsgemeinschaft wie unserem Nationalstaat leben, lässt sich noch lange keine Verpflichtung ableiten, für den Fortbestand unserer Art durch Nachwuchserzeugung mit Sorge zu tragen. Man kann aber auch der Bedeutung das Wort reden, die Kinder unserem Leben geben, denn welchen größeren Sinn kann man benennen, als neue Erfahrungen, neue Schaffenskraft, neue Ideen in einer neuen Generation wieder erstehen zu lassen, der wir überdies etwas von alledem aus uns selbst mitgeben dürfen?

Man kann zweifellos noch einige Argumente für oder wider das Kinder bekommen und Kinder haben benennen, doch muss letzten Endes nicht jeder diese Frage für sich ganz allein beantworten? Gesinnungs- und Meinungsdogmatismus jedoch – Stichwort „Alternativlos“, für mich DAS Unwort der Dekade schlechthin – ist ja in Deutschland und auch anderswo leider kein Delikt im Sinne des Strafrechtes; höchstens im Sinne des gesunden Menschenverstandes, der auch von der Jounaille nur allzu oft beleidigt wird. Jedenfalls müssen Manche einfach ihren Senf dazu geben und möglichst viele Andere zum Lichte zu führen versuchen; drunter geht’s einfach nicht, womit wir wieder bei dem wären, was man seinen Kindern weitergeben kann, nicht wahr…?

Den von der jeweils eigenen Sicht der Dinge getriebenen Missionierungswahn mal außen vor lassend, bleiben dann zwar noch ein paar Punkte, über die man streiten könnte, wenn man denn unbedingt möchte. Doch für mich ganz persönlich reduziert es sich auf die Frage nach der Freiheit, die Manche als Ergebnis ihrer selbst gewählten Kinderlosigkeit reklamiert sehen möchten. Zweifelsfrei opfert man einen unter Umständen nicht unerheblichen Teil seiner individuellen Gestaltungsmacht bezüglich des eigenen Daseins, wenn man sich auf das Abenteuer Kind einlässt; das tut man allerdings auch, wenn man studiert, sich bei bestimmten Arbeitgebern verpflichtet, für karitative, ökologische, soziale, politische Projekte arbeitet, oder ins Kloster geht. Es ist somit eine persönliche Entscheidung, durch was man seine Freiheit einschränken lassen möchte, Kinder kriegen bzw. haben ist nur eine von vielen, womit aus meiner Sicht die Notwendigkeit zur Diskussion entfällt. Den Staat geht diese Entscheidung im Übrigen ebenso wenig an, wie zum Beispiel meine Nachbarn, womit auch der Ruf nach einer weiter reichenden steuerlichen Belastung von Nicht-Eltern zu Gunsten der Solidargemeinschaft riesengroßer Blödsinn ist. Eine Strafe dafür, dass man einfach nur seine individuellen Gestaltungsspielräume zur Lebensführung nutzt? Wo ist das denn noch demokratisch?

Wenn wir dabei sind: eine Besteuerung von Einkünften aus Kapitalerträgen von mehr als 50.000 EUR/Anno – also großen Gewinnen aus Finanzgeschäften aller Art, deren Ertrag sich nicht durch reale Wertschöpfung, sondern durch Spekulation auf dieselbe ergibt – mit, sagen wir mal 50% sollte das Problem der leeren Kassen schnell und nachhaltig lösen. Oder lässt die Menschen vielleicht endlich erkennen, dass dem Shareholder Value hinterher zu rennen bedeutet, JETZT unsere Zukunft für die nächsten Hundert Jahre zu verbrennen. Na ja, man kann sein Freiheit ruhig auf die Art und Weise verschwenden, die einem gefällt, oder?

Mit einem Schlagwort will ich darauf antworten: Freiheit ist für jeden das, was er selbst daraus macht! Und das trägt nicht nur die Lust zur Freiheit in sich, sondern eben auch die Verpflichtung, diese zu nutzen und zu verteidigen, so dies nötig sein sollte. Wieso wir unsere Freiheit verteidigen müssen? Die Bedrohung von Errungenschaften der letzten Hundert Jahre in Sachen Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, einem Grundmaß an sozialer Gerechtigkeit und vieles mehr sind genau heute bedroht durch die Interessen jener, die sich bei Gestaltungsmacht nicht mit dem Thema Kinderkriegen befassen. Sofern sie welche haben, sehen die zumeist eine hoffentlich halbwegs vernünftig dotierte Nanny. Sie gestalten, indem sie die Freiheit Anderen nehmen und für sich selbst in Profit ummünzen.

Mindestlöhne? Schmälern die Gewinnmarge! Kündigungsschutz? Arbeitnehmer faulenzen doch eh nur auf Kosten der Unternehmer! Umweltschutz? Gefährdet die Gewinnmargen noch mehr! Kommt diese Argumentation irgend jemandem bekannt vor. Falls nicht, wäre es an der Zeit, sich damit vertraut zu machen, denn diese Argumente werden von Politikern gehört – durch’s Hinterzimmer aber dennoch lauter als Alles, was man sonst so zu hören bekommt. Also muss die eigene Stimme viel, viel lauter werden – und damit auch unsinnige Artikel übertönen, so zum Beispiel über die Frage, ob man Kinder zum glücklich sein braucht oder nicht, die wie so vieles Anderes, was in den Medien umherschwirrt nur von den wirklich wichtigen Themen ablenken sollen – willkommen im Land der Illiteraten-Illustrierten; da wo man seine Meinung gebildet kriegen tut…

PS: Ich habe Kinder, bin trotzdem frei und immer noch bereit, dafür zu kämpfen, dass dies auch so bleiben möge! Und ihr?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert