Sich treiben lassen, nicht genau planen, wohin die Reise gehen soll, ganz gleich ob es sich um eine lange Fahrt oder nur einen kurzen Spaziergang dreht, die Dinge auf sich zukommen lassen, ohne Hast, ohne Eile, vor allem ohne das seltsam omnipräsente Gefühl des „Etwas-Verpassens“, das offensichtlich unsere Leben smart durchdringt. „Smart“ – was ist das überhaupt für ein Wort, z.B. für Dinge, welche doch allerhöchstens so smart sein können, wie der- bzw. diejenige, die sie bedienen, oder?
Malcolm Gladwell, der bekannte Journalist und Autor schrieb in seinem Buch „What the Dog Saw“ über Ron Popeil, den US-amerikanischen „König der Direktvermarkter“. In dem Artikel, den er irgendwann eigentlich mal für „The New Yorker“ geschrieben hatte, kommt er zu dem Schluss, dass wenn jemand wie Popeil, der – so banal das jetzt auch klingen mag – Küchengeräte direkt verkauft, die er selbst entwickelt hat, Dinge des alltäglichen Gebrauchs designen würde, diese so aussähen und funktionierten, dass ein Marktschreier wie er sie durch bloßes Demonstrieren mit seinen Händen und seiner Stimme jedem erklären könnte. Gladwells Beipiel ist der Videorekorder, aber denken wir mal einen Moment darüber nach, wie viele Funktionen unserer Smartphones wir tatsächlich regelmäßig und vor allem effektiv nutzen? Erschreckender Gedanke, dass ich einen Hunderte Euro teuren Haufen Elektronik nicht selten mehr oder weniger nutzlos mit mir rumschleppe…
Und die Beschäftigung mit E-Junk unterschiedlichster Natur ist nur ein Beispiel, wie wir uns unserer eigenen Lebenszeit berauben, obschon es soviel zu sehen und zu erleben gäbe. Dies soll jetzt bei Leibe kein Aufruf zum absoluten Müßiggang sein, denn so ziemlich jedem dürfte klar sein, dass es ohne ein Mindestmaß an Arbeit um des Broterwerbes Willen halt nicht geht. Zumindest nicht in einer Gesellschaft, die so funktioniert, wie die Unsere. Die Frage, ob diese Art des Funktionierens gut oder schlecht ist, muss an dieser Stelle von meiner Seite unbeantwortet bleiben. Aber denken sie ruhig selbst darüber nach.
Was jedoch nun das sich „einfach mal so“ treiben lassen angeht, habe ich selbst dieser Tage die Feststellung gemacht, dass das Schicksal, gleich ob man diesem nun die Funktion einer höheren Macht zuschreibt, oder aber es eher ganz profan als Manifestation des Prinzips Zufall ansieht, einen manchmal zielsicher an den richtigen Ort bugsiert. Ich ging des Morgens in einer halbwegs fremden Stadt umher, sah mal hierhin, mal dorthin, entdeckte einen zauberhaften antiquarischen Buchladen, trieb dennoch weiter und landete, eine ganze Weile später wieder vor diesem Feilbieter bedruckten Papiers, woraufhin ich eintrat und nach nicht allzu langem Stöbern tatsächlich fand, wonach ich nicht einmal bewusst gesucht hatte: eben jenes Buch von Malcolm Gladwell und etwas anderes, dass mir bei einer just jetzt anstehenden Entscheidung hinsichtlich meines Studiums hilfreich sein wird.
Es fasziniert mich, übrigens auch jetzt noch, dass ich mir einfach mal die Zeit nehmen konnte, mich gleich hernach in ein Café zu setzen und bei einem Kaffee mit Schischi – meine ganz persönliche Bezeichnung für Latte macchiato – in den gerade erworbenen Büchern schmökern zu dürfen, um dabei auch noch zum Schreiben inspiriert zu werden. Gleichwohl ich gerade jetzt eigentlich an einer Hausarbeit für’s Studium zu arbeiten hätte, machen derlei Erfahrungen auf ungeheuerliche Weise meinen Kopf frei und geben mir neue Energie; Energie, ohne welche die anderen Aufgaben im Moment nicht zu schaffen wären. Und genau das muss man sich manchmal zugestehen: für sich selbst einzusehen, dass es im Moment SO nicht weitergeht und man für den Reboot neue Perspektiven, neue Kraft und neue Muße braucht. Alle diese Dinge benötigen wiederum nach meiner Erfahrung ein wenig unverplante Zeit und Gelegenheit zum Müßiggang. Faul sein macht zwar nicht notwendiger Weise kreativ, aber es kann sehr hilfreich sein. Mal sehen, was noch so passiert…