…punked…?

Das Jugendwort des Jahres 2022 sei „smash“, behauptete man dieser Tage. Als wenn das nicht genug wäre, befragte man dann 20 junge „Prominente“ (was auch immer das individuell bedeuten mag), nach deren Meinung dazu. Dass einige dieser Menschen schon fast 30 waren, entwertet die Befragung aus meiner Sicht, weil sich speziell vom Teen zum Twen so verdammt viel verändert. Aber hey, wer bin ich denn schon? Als ICH mich auf den steinigen ersten Metern vom Knaben zum Mann befand, kam es zu drei Begegnungen, die mein Leben bis heute beeinflussen: erstens wurde ich an Pen’n’Paper herangeführt, zweites begann ich – auch durch das Erstere vermittelt – mit den Punks abzuhängen. Und drittens begegnete ich meiner besten Ehefrau von allen. Im Bezug auf den letzten Punkt habe ich nichts weiter zu sagen; außer vielleicht, das Langzeit-Beziehungen von den Beteiligten Mühe und Pflege verlangen. Der erste Punkt hat sich im hier gegebenen Kontext schon so oft in Einlassungen realisiert, dass ich diesen heute auch mal beiseite lassen will. Der zweite Punkt jedoch bedarf eventuell einer kurzen Betrachtung. Zuvor sei allerdings noch erwähnt, ich bin immer noch auf diesem steinigen Weg, und mittlerweile zieht er sich ein bisschen. Wenigstens bin ich kein Junge mehr. What separates the boys from the men…?

Boys gehen tanzen, men zur Klausur ins Kloster 😉

Manche Erinnerungen an diese Zeit sind mittlerweile ein wenig verschwommen (ist ja auch schon 30 Jahre her), gewisse Personen und Dinge werde ich aber gewiss mein Lebtag erinnern. Insbesondere den Umstand, dass meine politische Sozialisierung damals sozusagen auf Links gedreht wurde – und dass dieser Life-Spin auch mit viel mehr Lebenserfahrung und Bildung einer kritischen Betrachtung nach wie vor standhält. Hätte auch anders kommen können, denn die späten 80er und frühen 90er waren auch in Mannheim von Konflikten zwischen den politischen Polen und Bevölkerungsgruppen geprägt. Ich war damals mehr so ein Mitläufer, durfte allerdings viele Einblicke nehmen. Den Begriff „Punk“ habe ich damals noch nicht bewusst reflektiert. Das kam erst später. Aber ich wusste damals instinktiv, dass diese Leute dem Mainstream, dem Angepasst- und Eingepasstsein kritisch bis ablehnend gegenüber standen. Wir waren Kids und die Emotionen ins uns mächtig; also waren auch die Zeichen des Andersseins nach Außen mächtig. Mein diesbezüglicher Mut war insofern immer begrenzt, als ich noch nie zum Radikalismus geneigt habe – und dies bis heute nicht tue; doch die bewusste Abgrenzung war immer ein Motiv meines Lebens. Wenn manchmal auch ein gut Verstecktes.

Wenn ich heutzutage etwas über Jugendsprache und ihre Codes lese, überkommt mich oft ein Schmunzeln. Nicht etwa, weil ich die beschriebenen Begriffe lächerlich fände. Das sind sie nicht! Können sie gar nicht sein, denn für die jeweilige Jugend sind diese Begriffe Teil IHRER Realität! Was weiß ich denn, abseits meiner wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema schon davon, was es heißt, heutzutage so jung zu sein, wie ich vor 30 Jahren? Manche von denen sind Mainstream, manche sind Außenseiter, so wie ich es war – nur anders! Same, same, but different? Keine Ahnung. Ich habe zwar, durch meine Arbeit in der beruflichen Bildung viel mit Menschen dieser Alterstufe zu tun, aber wirklich verstehen…? Ich rühme mich einer gewissen Menschenkenntnis, möchte mir jedoch nicht anmaßen, zu behaupten, in Menschen hineinsehen zu können, deren Realität doch recht weit von meiner entfernt ist. Was ich aber weiß ist Folgendes: jedes Individuum sucht nach Distinktion, nach der Gewinnung einer eigenen Identität; und Alterskohorten, so divers ihre Mitglieder auch sein mögen, so wenig der Begriff „Generation“ zur differenzierten Beschreibung komplexer sozialer Phänomene taugen mag, erzeugen ihren je eigenen Peerpressure – und damit Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Andernfalls hätten sich nicht schon Platon und Sokrates vor 2500 Jahren über die Unsitten der Jugend beschwert – und die Zwei taten das keinesfalls als Erste….

Viele empfinden den Begriff „Punk“ als ausgenudelt und überstrapaziert. Das könnte damit zusammenhängen, dass er für Vieles herhalten musste; z.B. als Marketing-Buzz für Video-Spiele und Filme, reduziert auf einen optischen Stil, den jemand aus SEINER ganz speziellen Sicht auf Atom-/Cyber-/Diesel-/Steam-Punk entworfen hat. Der Whatever-Punk, den ich im Kopf habe, sieht sicherlich anders aus, als der von William Gibson, den Leuten bei CD-Project RED, oder den Wachowski-Brüdern, die mittlerweile Wachowski-Schwestern sind. Das Suffix -PUNK steht dabei jeweils für mögliche gedachte Entwicklungspfade, die jedoch eines gemeinsam haben: sie werden von ihren Machern stets als problembehaftet betrachtet. Weil die Festschreibung eines Status Quo in den Erzählungen unweigerlich katastrophale Folgen haben wird.

[Kurzer Exkurs]: Folgt man Adorno, der die Kunst dem Primat des wirtschaftlichen Verwertungsinteresses unterworfen sieht, und kann man z.B. auch Science-Fiction-Literatur als Kunst verstehen, wird der Zwiespalt klar, in welchem sich die Künstler befinden müssen: einerseits fiktive Pfade beschreiben zu wollen, die eine mögliche Entwicklung unserer Welt zu bestimmten Zeitpunkten extrapolieren, um auf ihre Wahrnehmung der Probleme aufmerksam zu machen, und dies andererseits so zu tun, dass ein Verlagslektor es nicht sofort in den Mülleiner wirft. Heute ist es einfacher, weil man ja alles im Selfpublishing herausgeben kann – Reichweite zu erzeugen, bleibt aber im Zeitalter von Antisocial Media paradoxerweise immer noch schwierig. Weil sich Art und Geschwindigkeit der Wahrnehmung geändert haben. Wenigstens gibt es heute häufiger ein Problem-Bewusstsein für die Krisen unserer Zeit! [Exkurs Ende]

Die Verwurstung des Begriffes in den Medien hat mit der Zeit zu einer gewissen Beliebigkeit der Ettikettierung geführt – alles, was nicht Mainstream ist, nennt man Punk. Der Tag wird einfacher wenn man ein gutes Stereotyp und ein schickes Label dafür hat. Dass wir alle uns zuerst über Dichotomien – also in Gegensätzen zu dem, was wir als ANDERS wahrnehmen – definieren, bleibt dabei cerebral unterrepräsentiert. Was mich einstmals gepunked hat, ist einfach nur etwas anderes, als das, was die Kids heute punked; der Mechanismus bleibt der Gleiche! Und es ist dabei vollkommen egal, ob es die Mainstream-Kids oder die Außenseiter sind (Goth, Jock, Yuppie, Metaler, etc. benutzt man heute ja nicht mehr so…) – sie alle haben etwas , dass sie punked. Ich habe meine Identität gefunden, und die werden das auch tun. Und möglicherweise lächeln sie, wenn sie mal so alt geworden sind wie ich, auch über das Gelaber und die Klamotten von damals… C U…

Auch als Podcast…

Systemischer Blick vs. Blick für’s Detail!

Es fällt mir schwer zu verleugnen, dass ich ein Kind meiner Zeit bin. Ich bin zwar mittlerweile darin geübt, mich mit neuer Technologie zu arrangieren und dass, was ich davon brauche auch für meine Arbeit zu adaptieren. Und dennoch stehe ich manchmal mit den staunenden Augend eines Kindes vor irgendwelchen Gadgets und denke mir „unfassbar – DAS geht…?“ Nun besteht Wandel, gleich welcher Art ja eigentlich nicht aus den Gadgets… oder doch? Wenn man Marshall McLuhan folgen möchte, dann sind alle Geräte und Techniken, die der Mensch je ersonnen, hat nichts anderes als Erweiterungen unserer Physis. Maschinen für’s Heben und Tragen erweitern unsere Körperkraft, eine Brille verbessert meine Sehkraft, die Schrift verbessert unsere Kommunikation… STOP! Tut sie das wirklich? Auch McLuhan kämpfte mit der Frage und denkt dann Folgendes: Jedes Mal, wenn wir eine Technik adaptieren, welche einen speziellen Sinn „verbessert“ gerät der eigentliche Sinn (Sehen, Hören, Fühlen, etc) aus dem Blick und die Technik, die wir gerade nutzen, wird unbewusst, wird zu einer qua-natürlichen Verlängerung unserer Selbst. Das Originelle an dieser Denkart ist, dass sich recht einfach dadurch erklären lässt, warum der ubiquitäre Gebrauch von Smartphones und mobilem Internet (insbesondere antisocial media) unsere Aufmerksamkeitsspanne killt – wir sind uns der Tatsache des Gebrauches nicht mehr bewusst, wir reflektieren nicht mehr, was wir da wie benutzen und strukturieren in der Folge auch unseren ganzen restlichen kommunikativen Duktus nach dem Muster der Smartphone-Nutzung: schnell, kleinschrittig, unmittelbares Feedback, geringe reflexive Tiefe, visuell orientiert und immer verfügbar!

Was ist interessanter – Fluss oder Rebe?

Das erzeugt Ungeduld (und in der Folge häuslichen Unfrieden), denn viele Details werden so in immer schnellerer Folge wahrgenommen, ohne tatsächlich reflektiert werden zu müssen. Es besteht kein Bedarf der Selbstadaption an neue Erfahrungen, neue Menschen – nur an das Gerät, denn die Welt ist in dem Gerät, womit das Gerät zur Welt wird. Mediatisierung des frühen 21. Jahrhunderts generiert vor allem eines: mehr Appetit auf Medien und in der Folge mehr Konsum. Warum brauchen nicht wenige von uns Menschen wohl jedes Jahr das geile, neue Phone von xxxxx oder yyyyyyy…? Der Clou an der Sache ist, dass McLuhan diese Gedanken 1962 niedergeschrieben hat – 33 Jahre, bevor man das erste Mal kommerziell ins Internet konnte, oder es ein Smartphone gab. Das erste Smartphone war übrigens der „Simon Personal Communicator von IBM“ (ein 510g schwerer Trümmer von 1994). Das erste Smartphone, wie wir es heute kennen, war natürlich das First Gen IPhone von 2007, volle 45 Jahre nach McLuhan. Warum also denke ich, dass die Erklärung relevant ist? Weil sich bei genauerer Betrachtung wenig Unterschiede zwischen dem Sprung von der wörtlichen Erzählung zu bewegten Lettern, und dem von den bewegten Lettern zu den bewegten Bildern und Informationen ergeben. Der cultural Impact war in beiden Fällen phänomenal!

In der Folge verlieren Menschen heute häufiger den systemischen Blick, die Fähigkeit, große Zusammenhänge zusammenzupuzzeln und sich auch mal über den Tellerrand zu erheben, weil sie sich immerzu mit Details, mit Snipets of Info and Entertainment to go abspeisen lassen; weil sie vorgedacht bekommen, ganz so wie Vogelküken vorgekaut bekommen… und in der Folge den Dingen nicht mehr folgen können. Ganz sicher wollen manche (vielleicht auch viele?) das auch nicht, weil die Komplexität und Bedrohlichkeit unserer Welt in Folge der langen Dominoreihe von Krisen seit den frühen 2000ern endlich auch im gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen ist. Und das hat vielleicht gedauert. So wie McLuhan 1962 einen Blick in die Zukunft der Kulturtechnik getan hat, so hat der Club of Rome 1972 seinen mittlerweile berühmten Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlicht. NEUNZEHNHUNDERTZWEIUNDSIEBZIG IHR NARREN! Und was ist seitdem passiert? Wir haben Klimaerwärmung, politische Unruhe, soziale Ungleichheit, mangelnde Bildung – aber immerhin Smartphones! Großartig, oder?

Ist doch noch ganz schön hier, woll…?

Ich fange immer mehr an, mich zu fragen, wie viel ICH noch tun kann, denn die ANDEREN, tja, die glotzen auf ihre Smartphones. Eigentlich habe ich heute gute Laune, denn meiner Gesundheit geht’s gut und meine Gedanken fließen; auch wenn es viel zu heiß ist. Aber das hier musste ich mal loswerden. Und jetzt tue ich etwas, irgendwas, was mich aufheitert. Lesen vielleicht. Muss man mal wieder probieren. Am besten mit einem echten Buch. Wie wär’s mit dem hier unten? Einstweilen, schönen Tag!

  • McLuhan, Marshall (2011, im Original 1962): Die Gutenberg-Galaxis. Die Entstehung des typographischen Menschen. Mit einem Vorwort von Richard Cavell. Hamburg: Gingko Press Verlag. ISBN13: 978-3-943330-00-7
Papier auf Holz, Zimmermann, A., 2022… 😉
Auch als Podcast…

Immer wieder Dienstags…

Um es kurz zu machen – ich hatte mich sozusagen in einen Retreat zurückgezogen, weil ich noch dringend was für’s Studium fertigstellen muss/will. Das Leben als berufsbegleiteter Master-Student ist manchmal irgendwie nicht ganz so gescheidig, wie man sich das romantischerweise vorstellt… Am zweiten Abend jedenfalls hatte ich ein unpleasant encounter mit meiner Gesundheit. Long Story Short: das Krankenhaus in Wittlich hat zumindest auf mich als Patient einen sehr guten Eindruck gemacht; und Hausarztpraxen im Moseltal halten manchmal (viel mehr) bereit, als man von außen erwarten würde. So viel zu meinen Stereotypen. Es geht mir wieder gut und mit meiner Arbeit flott voran, so dass es dazu eigentlich gar nicht so viel zu sagen gibt.

Es ist ansonsten ganz nett hier…

Zu warten und selbst der Patient zu sein, lehrt einen Demut vor dem eigenen Job, und natürlich auch dem der anderen Mitarbeitenden im Gesundheitswesen. Und Demut ist offenkundig ein Gut, an welchem wir derzeit einen eklatanten Mangel leiden. Zumindest könnte man zu diesem Schluss kommen, wenn man mal wieder den Mut aufbringt, durch die Kommentarspalten unter Themen wie „Neue Corona-Maßnahmen“, „Wird Donald Trump noch mal kandidieren?“, oder ähnliches zu scrollen. Seien wir doch mal ehrlich – die Neuen Coronamaßnahmen sind die Alten, denn es sind ja immer noch die selben Politiker und es ist immer noch das selbe Virus. Was Trump angeht: Zombies halten sich oft relativ lange. Bei dem hier fragt man sich nur, wann und wo er seine Gehirne frisst; beim Golfen? Aber die versammelte Idioteska der Egomanen, Dogmatiker und Kognitionsallergiker ist manchmal schon ein sehr dicker Brocken zum Runterschlucken. Meiner Gesundheit zur Liebe versuche ich, weniger davon zu konsumieren. Also bleibt dann erstmal, weil die Anderen ja diesbezüglich offenbar postfrontal eher spärlich ausgestattet sind nur, die EIGENE Demut zu pflegen. Das geht relativ gut, indem man sich dessen erinnert, wofür man dankbar ist…

  • Meine beste Ehefrau von allen (ja auch die Kinder…) Meine Frau ist, was sie ist: bekloppt genug, es mit mir – okay, im Moment gerade mal ohne mich – und meinen mannigfaltigen Schrullen und Fehlern auszuhalten. Das ist schon was! Und meine Kinder…? Sie lieben bedingungslos, auch wenn ich manchmal nicht die Qualität von Vatersein erreiche, die ich irgendwann naiverweise mal angestrebt hatte. Passt schon.
  • Meine Freunde Und damit meine ich FREUNDE, nicht irgendwelche Bekannten, nicht die notwendigen Beziehungen im Arbeitsleben (auch, wenn zugegebenermaßen da der/die eine oder andere irgendwann zum Freund/in werden könnte), und auch sonst keine „Weak Ties“. Ich meine Menschen, die mich seit Jahrzehnten begleiten, und mit denen es selbst nach einen paar Monaten Pause immer wieder geil ist. Jene, die man anrufen kann, wenn man Sorgen und Probleme hat… und die meinen nackten, betrunkenen Körper in London am Kings Cross Bahnhof abholen würden, auch wenn NIEMAND einen Schimmer hätte, wie ich dahin gekommen bin…
  • Meine Freiheiten Muss man nix drüber sagen – außer vielleicht, dass ich manchmal eben ausbrechen muss, und dann keine allzu großen Hindernisse in den Weg gestellt bekomme.
  • Meine Kreativität Yeah Baby, die zieht mich öfter aus tiefen Tälern, als die allermeisten das mitbekommen. Aber nur fast so oft, wie meine beste Ehefrau von allen und meine Freunde. Allerdings kostet mich das manchmal auch was – und nicht unbedingt immer nur Geld.

Nun ist Mittwoch Abend, und nach einem mehrkilometrigen Spaziergang fühlt es sich hier wieder so an, wie ursprünglich geplant. Weiß nicht, was die nächsten Tage parat halten, denn offenkundig werden Pläne vom Zufall / Schicksal ja manchmal abgeändert. Also haltet die Ohren steif, lasst euch nicht von der Hitzewelle zu Tode brutzeln. Wenn meine Pläne klappen geht’s am Freitag weiter zur letzten Präsenz in Kaiserslautern an der Uni und dann am Sonntag zurück nach Hause zum Barbecue mit Freunden. Wir hören uns.

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Der verwirrte Spielleiter N°44 – on storytelling in general…

Ich hörte schon vor einer Weile folgende Theorie, die ich streckenweise ganz charmant finde: In der fantastischen Literatur ist die äußere Welt (also das Setting) oft eine Reflexion des inneren Konfliktes des bzw. der Protagonisten. Ich will versuchen, diese These an einem Beispiel zu illustrieren: Frodo Beutlins Heimat, das Auenland ist ein Ort, der aus Mittelerdes Drittem Zeitalter gefallen zu sein scheint; ein Ort des Friedens und der Entschleunigung, der dem jungen Mann doch sehr eng scheint. Fällt er einmal (mehr oder weniger gezwungen) aus diesem Ort heraus, erfüllt sich sein Wunsch nach Abenteuer in dramatischer Weise über, so dass ihn am Ende der Reise schlussendlich die Sehnsucht nach der alten Heimat überkommt – in die er jedoch nicht mehr zurückkehren kann, weil dieser Frodo ein ganz anderer ist, als Jener der aufbrach. Eine zerstörte Seele, die auf den Frieden in Valinor hoffen muss. Dass Tolkien hier seine eigenen Erinnerungen an den Dienst im ersten Weltkrieg verarbeitet – und das Trauma, welches er und seine Freunde dabei erlitten haben müssen – wird auf mannigfaltige Art klar. Frodos innerer Konflikt manifestiert sich im Außen einerseits durch die Stimmen die ihn gemahnen, den Ring im Schicksalsberg zu vernichten und andererseits jenen, die ihn anflehen, den Ring zum Wohle Mittelerdes einzusetzen. Es ist die Wahl zwischen Ehre und Pflicht, zwischen Macht und Verzicht, zwischen Demut und Stolz.

Wer tränke wohl aus diesem „Gral“…?

Ich hätte auch andere Beispiele nutzen können, vermute aber, dass der „Herr der Ringe“ viel mehr Menschen geläufig ist, als andere Fantasy-Schinken, die in meinen Regalen stehen. Storytelling ist nicht nur mein Hobby, es ist, wie ich hier gelegentlich habe durchschmecken lassen, auch ein Teil meines Berufes, mit welchem ich mich überdies mittlerweile auch aus akademischer Sicht befasse. Je mehr ich in diese Fragen eintauche, um so klarer wird, dass den variierenden Anforderungen zum Trotze, im Kern ein paar Dinge immer gleich bleiben – es braucht Immersion, die nur durch ausreichend tiefes Buy-In (hier im Sinne von „mir die Geschichte abkaufen“) der Teilnehmer, Zuhörer, Mitspieler zu erreichen ist. „Suspension of disbelief“ zu erzeugen, ist aber weder trivial, noch funktioniert es immer auf die gleiche Weise. Weshalb innerhalb der erzählten Geschichte Kohärenz und Kontinuität eigentlich unabdingbar sind. Bei einem Werk der Fiktion nimmt man mir Plotholes nur dann NICHT übel, wenn die restliche Geschichte ansonsten Spaß macht. In einer pädagogischen Veranstaltung mag organisatorische Improvisation oft notwendig sein; wenn ich das jedoch auch inhaltlich tue, klappen in den Hirnen meiner Zuhörer die Läden runter, und ich habe schlicht verloren.

Kohärenz bedeutet, dass eine Geschichte in sich logisch ist. In einem Werk der Fiktion kann die Rahmenhandlung noch so weit von meiner tatsächlichen Lebensrealität abweichen – solange sich alles innerhalb der Geschichte nach erkennbaren, für alle Figuren identischen Regeln abspielt, und diese halbwegs logisch sind, bzw. zur Rahmenhandlung passen, kann man eine Menge Bullshit treiben und die Zuschauer, Zuhörer, Leser, Mitspieler nehmen es mir trotzdem ab. In einer Lehrveranstaltung, in der ich mit Storytelling arbeite, muss die Geschichte sachlogisch und semantisch zur Lebens- und Arbeitsrealität passen – und trotzdem Irritation erzeugen, um Reflexionsprozesse auslösen zu können. Eine Gratwanderung par Excellence. In beiden Fällen sollte man sich vor deus ex machina oder storyteller fiat [hier fiat (lat.) für „es werde gemacht“] sehr hüten. weil beides ganz schnell die Immersion killt. Kontinuität steht damit im engen Zusammenhang, weil erst aus der Verbindung von Sach- und Inhaltslogik mit dem Handeln der Protagonisten ein Kontinuum entsteht. Und dabei ist es vollkommen einerlei, ob es sich dabei um beschriebene / dargestellte Figuren in Film, Buch, Pen’n’Paper-Rollenspiel, Videospiel, etc. handelt – oder die Teilnehmer an einem Simulationstraining. Logik, Regeln und Realitätsbezug müssen stimmen, weil Brüche hier ebenfalls die Immersion killen => und damit einen möglichen Spiel- oder Lernerfolg.

Das mit der äußeren Welt als Spiegel der inneren Konflikte stimmt übrigens für eine Menge Werke der fantastischen Literatur, oder auch Filme des Genres. Im Pen’n’Paper würde es immens Arbeit bedeuten, die Backstories aller Spielercharaktere nach möglichen Plothooks zu durchforsten. Im Gegensatz zu Matt Mercer in den „Critical Role“-Streams nutze ich sowas eher sparsam, weil ich denke, dass die Welt sich auch weiterdreht, und Antagonisten ihre Pläne verfolgen, wenn Charakter XYZ seinen Ödipus-Komplex NICHT gelöst bekommt. Vielleicht rührt die Ignoranz aber auch aus zu vielen vollkommen kaputten, dysfunktionalen Teilzeit-Soziopathen, die ich im Laufe der Zeit gesehen habe. Ich mache mir immerhin einen Haufen Arbeit mit World- und Storybuilding und lasse dauernd den Plotbus nach Cottbus fahren; den können sie nehmen, oder es lassen. Wobei es MIR als SL, der ebenfalls Spieler am Tisch ist mehr Freude bereitet, wenn sie wenigstens ab und zu einsteigen, ohne noch nach fünf anderen Haltestellen zu suchen…!

Im Moment herrscht mal wieder Pause, weil Urlaubszeit ist. Wir haben noch einen Termin Anfang August, bei dem ich ein Dungeon fertig leiten muss, und dann ist erst mal bis Mitte September Sense. Zeit, weiter über die theoretischen Aspekte nachzudenken. Wenn mir was Relevantes einfällt, werdet ihr das hier bestimmt zu hören bekommen. Bis dahin einen guten Start in den August und die neue Woche – always game on!

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N° 41 – …irgendwas mit Medien!

Egal, wie man es auch dreht und wendet – Corona war bisher zu 95% Scheiße: weil es alle Altersgruppen krank gemacht – und zum Teil auch getötet – hat; und weil sehr viele deshalb Verluste erlitten haben. Weil wir, um uns selbst und die Anderen zu schützen, auf sehr viel verzichten mussten; eine Aussage, die sich allerdings bei näherer Betrachtung als wohlstandsverwahrlostes Gejammer auf hohem Niveau beinahe vollkommen in Luft auflöst. Weil wir es bis heute nicht geschafft haben, sinnvoll und zielgerichtet als Gesamtgesellschaft zu agieren; im Gegenteil hat Corona die Selbstbezogenheit und den Egoismus weiter Teile unserer Bevölkerung auf beeindruckend hässliche Art demaskiert. Und schließlich, weil auch die Politik eher auf Partikularmeinungen, denn auf Vernunft hört. Die anderen 5% jedoch haben uns auf verschiedenen Gebieten weitergebracht: man kommt bei der Arbeit in einigen Bereichen auch ohne dauernde Präsenztermine aus, was jede Menge Reise-Ressourcen spart. Für mich als Lehrer war es der Lackmus-Test, ob wir es hinbekommen können, verschiedenste Inhalte auch über die Distanz irgendwelcher Conferencing-Systeme zu vermitteln. Und wir als Lehrende haben dabei, sowohl technisch, als auch didaktisch einiges dazugelernt. Und für mich selbst habe ich überdies herausfinden dürfen, wer und was mir wirklich wichtig ist…

Wohlwollend strahlt der Himmel seine Segen auf die Industriekulisse…

Ambivalenz ist ja ein bedeutender Motor der (Selbst)Reflexion, und weil man als Berufs-Pädagoge natürlich weiß, dass die Haupt-Transferleistung des Lernens während der Reflexion des gerade (im Unterricht?) Erlebten stattfindet, darf man diese denn auch ruhig als Katalysator für Denk- und Lernprozesse nutzen. Ich weiß nicht, ob es den SuS an der von mir geleiteten Institution überhaupt bewusst ist, warum wir sie aus der Reserve zu locken und auf’s Glatteis außerhalb der individuellen Komfortzone zu führen versuchen. Denn oft genug wirkt es nämlich so, als wenn ihnen das gar nicht recht wäre; und wird folgerichtig auch gelegentlich verweigert. Irgendwie suchen die Kinder doch immer nach dem Weg des geringsten Widerstandes. Witziger Weise habe ich ihnen sogar erklärt, was ich tue. Aber es ist wie bei ein Stage-Magician, der seine Tricks vorher langsam zeigt, und man dann trotzdem nicht mitkommt, wenn er sie in voller Geschwindigkeit durchzieht. Nun kann man aber die jungen Leute (auch die Alten natürlich) nicht lernen machen. Manche Menschen in meiner Organisation glauben aber immer noch, man hockt Menschen am Besten vor ein vorkuratiertes, asynchrones Instruktionsdesign, lässt sie hinterher sofort eine Lernzielkontrolle schreiben, und wenn sie mindestens eine Vier schaffen hat sich’s damit! Schnell, fast komplett wiederverwendbar, und daher billig. Und billig ist toll! Solche Ansichten rütteln immer an meinem Ohrfeigenbaum, und ich darf doch nicht aus der Haut fahren, wie es eigentlich angemessen wäre…

Ginge es um nur das Vermitteln rein mechanischer Fertigkeiten, kann man das schon so machen. Und auch für manche Teile des notwendigen theoretischen Wissens ist diese Bastardisierung ganz klassichen Frontalunterrichts durchaus zielführend. Komplexe Kompetenzen kann ich damit jedoch nicht vermitteln – insbesondere nicht die, in meinem Berufsfeld so wichtigen sozialen. Denn wenn die SuS hinterher mit den Patienten so reden, wie mit dem Computer…? Das ist jetzt natürlich ein polemisch überspitztes Bild, aber ohne das Reiben am Ausbilder, ohne die ständige Hinterfragung gewachsener (oder von den „Senioren“ der Wache unreflektiert übernommener) Überzeugungen, ohne das Entstehen der Bereitschaft – ja vielleicht sogar der Lust – sich nach dem Ende der Ausbildung selbstständig weiterzubilden, erzeugen wir mit unseren Bildungsangeboten nicht jene Art von Rettungsfachpersonal, die es braucht, um die Herausforderungen unseres Zeitalters an das Gesundheitswesen als Ganzes bestehen zu können! Und dabei interessiert mich zugegebenermaßen der Wunsch nach einem möglichst kostengünstigen Bildungs-Angebot nur, wenn es gar nicht anders geht. Ansonsten reize ich die Spielräume voll aus. Denn es geht um nicht mehr, aber auch nicht weniger, als die Zukunft meines Berufsstandes. Ein Umstand, der irgendwelche Controller in Unternehmen wie HiOrgs nicht zwingend interessiert – mich selbst aber brennend!

Ich wünschte mir, dass die meistenteils noch recht jungen Menschen, welche sich da gegenwärtig durch diese Ausbildung arbeiten, solche Hintergrundgedanken verstehen, vielleicht aber wenigstens respektieren lernen könnten, geht es doch um ihre eigene berufliche Zukunft! Allerdings weiß ich auch, wie ich selbst mit 20 Lenzen drauf war; irgendwie ist es ein Wunder, dass ich hier sitze, und diese Zeilen schreiben kann. Wie es auch weitergehen mag: ich werde nicht lockerlassen in meinem Bemühen, sie an ihre Grenzen zu führen. Und vielleicht gelegentlich auch darüber hinaus. Wenn ich dafür irgendwas mit Medien machen muss – also Distanzlehre gestalten, welche diese Bezeichnung auch verdient – dann ist das so. Wird aber weder einfach, noch billig. In diesem Sinne, nutzt die kommende Woche weise. Schönen Abend noch.

Auch als Podcast…

Back on track!

Gar von der Glut sommerlicher Schamotthaftigkeit meiner Heimatnekropole schwitze ich diese Zeilen auf den Bildschirm. Die erste Post-KzH-Woche (Krank zu Hause) ist vorbei, und ich habe mich bei meiner Belastungserprobung sehr genau beobachtet. Zumindest habe ich das versucht, während ein Kessel bunt-hektisches Allerlei mich zum kognitiven Duell forderte. Doch was da so liegen geblieben war, während ich der psychischen Genesung frönte, ging zum größten Teil alsbald den Weg allen elektronischen Chitter-Chatters unserer ach so schnelllebigen Zeiten => in das digitale Äquivalent der Ablage Rund; ich muss an dieser Stelle einfach sagen, dass meine Kollegen*innen das Kind in meiner Abwesenheit schon gut geschaukelt haben. Man darf sich wohl einfach nicht als unersetzbar betrachten, sondern eher als Teil eines Ganzen, dass – zur Not – auch mal ohne einen funktionieren können muss. Ich lerne das gerade noch mal; hatte es glatt vergessen. Das tut weh, aber auch gut. Solche Ambivalenzen irgendwann aushalten zu können, ist allerdings essentiell. Positiv daran (zumindest für mich): je älter ich werde, desto einfacher fällt es mir, weil mir manches, was mich vor 10 – 15 Jahren noch tierisch aufgeregt hat, heute einfach am Arsch vorbeigeht. Dafür denke ich über manch Anderes heute länger nach…

VERDAMMT GUTE FRAGE!

Ich nahm dieser Tage an einem Instruktoren-Seminar teil, bei dem es zu einem guten Stück auch um einen anderen Zugang zu non-direktiver Gesprächsführung ging – etwas, das man in einer Leitungsposition durchaus für verschiedenste Situationen gebrauchen kann. Und ich kam nicht umhin, einige meiner bisherigen Postionen zu überdenken. Ich hielt mich bislang immer für einen Team-orientierten Leader. Anscheinend bin ich aber bisweilen doch dieser Typ, den alle Kinder hassen: der Papa, der meint zu wissen, was das Beste für alle anderen ist. Das ist, wie ich rational weiß, natürlich Käse, weil man Menschen (zumindest ab einem gewissen Alter) nicht zu manipulieren versuchen sollte. Denn wie arrogant ist es wohl, sich anzumaßen, dass man wüsste, was das Beste für eine andere Person ist? Bei meinen Kindern mag das bis zu einem gewissen Alter noch angehen – nämlich genau bis zu dem Moment, da sie für ihr Handeln selbst Verantwortung übernehmen können und müssen. Ab da werde ich dann oft vermutlich nur noch Zuschauer sein. Aber bis dahin ist mir natürlich daran gelegen, die zwei vor allzu großen Dummheiten zu beschützen – ohne sie dabei einzuengen… hat das IRGENDEIN Elternteil jemals perfekt hinbekommen? Bei erwachsenen Menschen, die, genau wie ich, ihre eigenen Ziele, Wünsche und Träume haben, die man ihnen nicht auf einem Display in der Stirn ablesen kann, ist das jedoch riesengroßer Bullshit. Ich will NICHT manipulativ sein!

Dann blätterte ich gestern Nachmittag, so gegen Ende des Seminars meinen kleinen Ideen-Spender um – und da tauchte doch glatt das obige Bild auf! Karma ist schon ’ne ganz schöne Bitch, oder? „Ist Macht hässlich?“. Die Frage passte meines Erachtens zum Meta-Thema des Seminars – nämlich Sprache als Werkzeug zur Reflexionsanregung, nicht aber zur Manipulation nutzen zu wollen – wie die sprichwörtliche Faust auf’s Auge. Ich würde eher dazu neigen, Macht, genau wie zum Beispiel auch Technologie, als Werkzeug zu betrachten. Der Gebrauch entscheidet darüber, ob daraus etwas Hässliches – wie etwa Missbrauch – entsteht, oder eben nicht. Ich würde den Satz daher umformulieren wollen, zu „Macht macht u. U. hässlich…“ Ich behaupte ferner, dass wahre Macht nur über jene Menschen ausgeübt werden kann, welche diesen Gebrauch bewusst – oder auch unbewusst – legitimieren. Manipulation ist allerdings dazu geeignet, eine solche unbewusste Legitimation herbeizuführen, und daher für mich einer der hässlichen Aspekte von Macht, mit dem ich selbst mich nicht beschmutzen möchte. Ich bin also wieder einmal auf ein Dilemma gestoßen, weil ich natürlich in einer Leitungsposition auch Dinge durchsetzen muss, die andere tendenziell gar nicht so gut finden – vulgo Macht ausüben. Was die Frage nach der Legitimation dieses Machtgebrauchs stellt…?

Ist architektonischer Brutalismus Machtausübung…?

Man könnte jetzt platt sagen: „Weil ICH der Chef bin, und DU nicht!“ Passiert auch im 21. Jahrhundert immer noch an viel zu vielen Arbeitsplätzen. Solches Verhalten könnte nebenbei einer der Gründe für „The Big Quit“, die große Kündigungswelle sein, von der im Moment überall geschrieben wird. Ich versuche daher ziemlich oft, meine Entscheidungen zu erklären, bzw. die Kollegen*innen in diese einzubeziehen, soweit das möglich ist; was dann, wenn ich das einmal nicht tue, immer gleich zu Irritationen führt. Man kann halt nicht alles haben. Der li-la-launige Erklärbär in mir ist zwar meistens mächtig, doch manche Entscheidung treffe ich nicht selbst, muss diese aber dennoch umsetzen. Nichtsdestotrotz stelle ich, auf Grund der oben beschriebenen Erfahrung gerade mal wieder mein Führungs-Verhalten auf den Prüfstand. Was dabei herauskommen wird, weiß ich noch nicht so genau – ich denke allerdings NICHT, dass ich gleich wieder in die nächste Depressions-Spirale komme, weil ich mich selbst nämlich meistens – allen Widrigkeiten zum Trotze – als recht reflektiert empfinde… Wie dem auch sei, ich wünsche noch einen schönes Wochenende. Wir hören uns!

Auch als Podcast…

Contrast rules!

Unterschiede. Divergenzen. Dichotomien. Ambivalenzen. Kontraste sind das Salz in der Suppe unseres Lebens, weil sie sich so exzellent dazu eignen, Dinge greifbar zu machen. Indem ich die Unterscheidbarkeit von Sachen oder Sachverhalten nutze, kann ich sie oft wesentlich besser definieren und verständlich machen. Der Vergleich ist also ein ständiger Begleiter. Das Problem ist, dass die Vergleiche und Kontrastierungen, wie alles andere im Leben – abhängig von der Dosis – ein Gift sein können. Etwa die Beschreibung kultureller Unterschiede, die einfach nur dazu gedacht war, Eigenheiten des Gegenübers verständlich zu machen, wird in den falschen Händen plötzlich zu einem Werkzeug des Hasses! Wird genutzt, um ein Wir-gegen-Die-Narrativ zu begründen! Wird schließlich zu Rassismus! Und so sehr man sich auch für aufgeklärt, weltoffen, tolerant und über solch niederem Verhalten stehend halten mag – das Unterscheiden-Müssen des Unterscheidbaren ist ein Mechanismus, der von Kindesbeinen an so tief in unserer Psyche verankert wird, dass wir nicht aus unserer Haut können – wortwörtlich! Wir urteilen auf Grund der sozialen Filter, welche uns von Tag 1 an mitgegeben werden, denn unser sensorisches Register und unsere formatio reticularis mögen zwar rasend schnell unbewusst auf die verschiedensten Reize reagieren können – sie sind aber sehr wohl konditionierbar!

Irritation ist immer ein guter Lernanlass!

Gerade visuelle Reize, die noch dazu einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitsleistung für unseren Cortex verursachen, wirken dabei als mächtige Mittel des Lernens. Aber auch alle anderen Sinne sind an solchen Leistungen beteiligt. Es sind diese Mechanismen, die wir uns in der Berufsbildung zu Nutze machen müssen. Denn viele Kompetenzen, welche die Auszubildenden erlernen sollen, sind nicht durch klassischen Unterricht, sondern nur durch moderierte Konfrontation mit der Realität und gezielte Reflexion des Erlebten möglich. Wir tun dies durch Simulationstrainings, in denen wir Auszubildende aber auch Ausbilder immer wieder an mögliche reale Belastungen heranführen, und so zum Beispiel die Limits individueller Stressresilienz anheben. Aber auch Einstellungsänderung funktioniert auf diese Art. Denn es bedarf, um als Notfallsanitäter*in sein volles Potential entfalten zu können, eines besonderen Menschenbildes, welches jedoch nur zu oft durch die, während der fachpraktischen Ausbildung am Realsubjekt unserer Arbeit erlebte, gesellschaftliche Realität beschädigt wird. Und das meint explizit nicht nur Patienten, Angehörige und Mitglieder anderer Berufsgruppen – es inkludiert auch viele Kollegoide, welche die Frustration ihrer Desillusionierung an den Azubis abreagieren. Da könnte ich kotzen!

…noch eine visuelle Spielerei!

Es ist die vornehmeste Kunst, Ambivalenzen auszuhalten und sein inneres Selbst trotzdem nicht zu verlieren. In dieser Hinsicht stellt sowohl meine heutige Tätigkeit als Ausbilder, wie auch meine vorige als Notfallsanitäter nicht unerhebliche Anforderungen. Und regelmäßig versage ich dabei, gebe den Druck an jene weiter, die diesen eigentlich nicht verdient haben und auch nicht aushalten müssen sollten; ich verliere mich selbst viel zu oft in wenig zielführenden Denk- und Argumentationsspiralen und tue Menschen manchmal schlicht Unrecht. Reziprok trifft zwar das Gleiche zu, aber das macht es ja nun kein Jota besser. Denn auch ich erliege natürlich regelmäßig der dunklen Seite der Kontrast-Macht. Nur ist Schwarzweiß-Malerei leider nicht nur ein starkes visuelles Stilmittel, sondern auch ein Mechanismus, der zu gerne von den dunklen Kräften in unserem Lande genutzt wird, um einfache Antworten auf komplexe Fragen zu geben; und so wieder Menschen auf eine Wir-gegen-Die-Erzählung einzuschwören, die uns in einen Zug nach nirgendwo setzt. Wo solche Feind-Narrative enden, kann man momentan bis zur zermürbenden Fassungslosigkeit, in der Ukraine beobachten. Das wirft allerdings eine Frage auf, zu der ich bis heute keine befriedigende Antwort gefunden habe: soll Berufsbildung für Erwachsene (abseits der eh schon vorhandenen Unterrichtseinheiten zum Thema Integration) auch solche Dinge thematisieren? Und falls ja, wie, wie stark und mit welcher Intention? Denn Propaganda, gleich welcher Coleur hat in einem Lehrsaal wirklich nichts verloren… Nun ja, ich grübele weiter, und wünschen allen einen guten Start in die neue Woche.

  • Roth, Gerhard (2020): Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. 3. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta.
Auch als Podcast…

Der Fluch des Spiegels…

Immer mal wieder, wenn ich mit einer neuen Teilnehmergruppe, einer neuen Klasse, neuen Menschen, die frisch in mein angestammtes Gewerk kommen konfrontiert werde – was durch meine Tätigkeit als Ausbilder einigermaßen regelmäßig passiert – geschieht etwas Seltsames. Einerseits freue ich mich stets auf diese Aufgabe, junge Menschen auf ihren ersten, eventuell prägenden Schritten durch das Labyrinth der Notfallsanitäter-Werdung zu begleiten. Andererseits verspüre ich einen gewissen Widerwillen, weil ich in denen, die da, hoffentlich erwartungsvoll, vor mir sitzen etwas sehe, dass ich auch heute noch an mir selbst hasse – Profilneurosen. Und die sind mächtig. Denn ein nicht unerheblicher Teil der „Neulinge“ kommt heutzutage mit Vorerfahrung auf die Berufsfachschule. Was bedeutet, dass wir ihnen erst mühsam die ganzen Bad Habits aberziehen müssen, die sie sich auf ihren bisherigen Wachenstandorten „erarbeitet“ haben…

Und ich sehe mich dabei selbst; oder besser gesagt, eine deutlich jüngere, arrogantere, unerfahrenere, nervtötendere Version von mir, über die hinauszuwachsen mich Jahrzehnte meines Lebens und die eine oder andere traumatisierene Erfahrung gekostet hat. Ich frage mich dann, ob es wohl eine Abkürzung dahin geben könnte, und muss mir doch jedesmal eingestehen, dass sie wohl allesamt ihre eigenen Erfahrungen machen, in ihre eigenen Untiefen stürzen, ihr eigenes Selbst finden müssen – und dafür das eine oder andere Jahr und den einen oder anderen Rückschlag werden hinnehmen müssen. Das ist der Teil an meiner Arbeit, der mich stets mit Bittersüße, mit entnervender Ambivalenz, aber auch mit einer gewissen Demut erfüllt. Weil ich in diesem Spiegel die Fallen UND die Chancen sehe. Es ist quasi ein Bundle. Du kriegst das eine nicht ohne das andere. Das ist pralles Leben. Was mir immer wieder vor Augen führt, dass dieser Job, bei allen anderen Erfahrungen, die ich gemacht habe, immer noch der Job ist, der mich in mehr als einer Hinsicht erfüllt.

If you can’t stand the heat – get out of the kitchen!

Es gemahnt mich aber auch stest daran, wie wichtig es ist, sich NICHT über diesen Beruf zu definieren. Schlosser, Kaufleute, Informatiker, Forstwirte und Floristen tun das ja auch nicht. Zumindest nicht so sehr, wie es bei den Menschen im Gesundheits- und Sozialwesen ganz offensichtlich häufig der Fall ist. Wir waren schon immer anders, heißt es dann – und viele betonen das offenkundig gerne öffentlich. Ganz so, als wenn es eine Auszeichnung wäre. Ich sehe es heutzutage eher als notwendiges Übel an, und würde mir wünschen, etwas weniger von diesem süßen Gift der Profilneurose genossen zu haben, dass dir die Idee gibt, etwas Besonderes zu sein. Primus inter Pares. Erster unter Gleichen. Denn das sind wir nicht! Ich spreche jetzt mal nur für mich: ich bin nämlich einfach nur ein Typ, der versucht im Rahmen seiner (oft genug begrenzten) Möglichkeiten ein gutes Ergebnis für jene zu erzielen, die ihm anvertraut wurden – egal ob als Patienten oder als Auszubildende. Wobei ich ja seit geraumer Zeit keine Patienten mehr zu sehen bekam. Nichtsdestotrotz gilt mir die Feststellung, einfach nur Mensch zu sein, sehr viel!

Ich war mal wieder in dieser speziellen Situation. Noch dazu in der Abgeschiedenheit eines Teambuilding-Events. Und stehe – wie stets – vor den gleichen komplexen Fragen: wie sehr ich sie an mich ranlassen möchte? Wie sehr ich manche von ihnen jetzt schon schütteln möchte? Wie ich ihre Chancen einschätze, sich NICHT von der Profilneurose bestimmen zu lassen? Wie sympathisch sie mir sind? Was es wohl kosten wird, sie auf den „rechten Weg“ zu bringen? Antworten sind Mangelware, aber meine Motivation ist groß. WIr werden sehen. Ich wünsche euch eine gute Woche; und hoffe, dass ihr auch mal in diesen verfluchten Spiegel schaut. Bis die Tage…

Auch als Podcast…

Erwachsen bilden N° 40 – Krea…. was für’n Gedöns…?

Es fühlt sich, wenn man mal von den vorherrschenden Temperaturen absieht, fast schon ein bisschen an, wie Frühling. Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und kaum ein Wölkchen zieht durch. Nice, wie manche meiner Freunde und Bekannten sagen würden. Wenngleich sich mir immer noch nicht erschließt, warum sich dieses englische Wort ausgrechnet jetzt, ausgerechnet auf diese Art in unsere Sprache geschlichen hat; die zudem streckenweise doch um einiges variantenreicher ist, als das Englische. Schwamm drüber. Jedenfalls ist das Wetter der Vitamin-D-Produktion, und damit direkt meiner Stimmung zuträglich. Selbst, wenn ich dieses Wochenende ein bisschen arbeiten muss. Wobei Arbeit ja so ein Begriff ist, den man erst mal ganz individuell definieren sollte. Um’s klar zu sagen: ich maloche nicht! Ich habe früher wesentlich mehr körperlich gearbeitet, als heute; doch mittlerweile bin ich einer von diesen privilegierten „Sesselfurzern“, wie manche Menschen das gerne nennen. Menschen, die denken, dass man nur arbeitet, wenn die Muskeln was zu tun haben und der Schweiß rinnt. Nun ja; ich bin ein Wissensarbeiter: ich denke mir aus, wie man anderen beibringt, ihren Job zu beherrschen – der übrigens auch körperliche Arbeit beinhaltet. Ist bei der Rettung halt so. Könnte ein Dilemma sein – muss es aber nicht.

Das Problem mit der Wissensarbeit ist Folgendes: man kann sie (genauso wie psychische Erkrankungen) nicht unmittelbar sehen, fühlen, riechen hören, schmecken. Nur die mittelbaren Ergebnisse, wie etwa erstellten Content (Präsentationen und so’n Kram), geplante Curriculi, gehaltene Unterrichtsstunden, korrigierte Klausuren und so was. Wie viel Arbeit in solche Bausteine unserer Pädagogen-Arbeit fließt, oder nicht, können die Rezipienten kaum beurteilen. Noch weniger können irgendwelche anderen Menschen, die an meinem Büro vorbeikommen genau wissen, wie viel oder wenig ich aktuell arbeite. Wir haben halt keine kleinen Displays auf der Stirn, die z.B. anzeigen, zu wie viel Prozent, die CPU gerade ausgelastet ist. Und es gibt bei uns keine STRG+ALT+ENTF-Tastenkombi, die den Taskmanager öffnet. Rechter Nippel, Linker Nippel, Nase funktioniert nicht – und würde in einigen Konstellationen auch zu pikanten Problemen führen… Also sind wir bei einer Black Box, welche die tatsächliche Leistung im Obskuren belässt. Das ist bei vielen sogenannten Bullshit-Jobs auch so; mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass die Ausbildung von Rettungsfachpersonal in der Tat einen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert erzeugt: durch den Erstangriff zur Erhaltung von Gesundheit (und damit Arbeitskraft) von Menschen, die akut erkranken oder verunfallen. Das ist nämlich unsere eigentliche Stellenbeschreibung.

Nun erfordert diese Ausbildungsarbeit, dass wir nicht nur irgendwelches Fachwissen und isolierte Skills vermitteln, sondern auch eine Einstellung; eine Grundhaltung zu den Menschen, zum Leben, zum Gesundheitswesen, und schließlich zur Gesellschaft und der jeweils eigenen Rolle darin. Alles andere als trivial – und ohne ein paar Vorbedingungen auf Seiten der SuS eigentlich nicht zu schaffen. Und hier kommt die Kreativität ins Spiel. Wie stellt man z. B. das Begriffspaar Segregation – Integration und dessen Bedeutung für unser Gewerk Rettungsdienst so dar, dass einerseits die Begriffe verstanden werden, und andererseits die SuS beginnen, ihre eigenen Rollen zu reflektieren; damit sie irgendwann fähig sind, stets situationsadäquat zu helfen? Ich werde auf diese Frage hier keine Antwort geben, weil meine Erfahrungen zeigen, dass es verdammt viele Wege nach Rom gibt. Aber, wie Nietzsche sagte: „Dem guten Frager ist halb geantwortet.“, nicht wahr..? Es geht also darum, mit Hilfe kreativer Ideen die SuS dahin zu führen, sich die relevanten Fragen selbst zu stellen – und diese in der Folge auch ganz individuell zu beantworten. Denn der Konstruktivismus sagt ja, dass wir uns alle unsere je eigene Realität erschaffen. Dennoch bedarf es unserer Kreativität als Pädagogen, um den Leuten zu helfen, sich diese Wege zu erschließen!

Nun könnte man mir entgegnen: „DIR fällt das leicht! DU bist kreativ!“ Man könnte das auf den ersten Blick als Kompliment verstehen, tatsächlich ist es aber eine Beleidigung, denn es entwertet drei Jahrzehnte harter Arbeit, um meine persönliche Kreativität zu TRAINIEREN. (Die Inspiration hierzu kommt aus dem Buch „Teach like a PIRATE“ von Dave Burgess) Lange Stunden, die ich in meinem Arbeitszimmer verbracht habe, anstatt etwas „nices“ anderes zu tun. Techniken, in die ich mich eingearbeitet habe, weil ich einfach wissen wollte, wie man so etwas macht; und es dadurch zumindest teilweise rausgefunden habe. Gadgets, die ich von meinem eigenen Budget gekauft habe, weil ich mir davon einen Boost für meine Arbeit erhofft habe – was manchmal besser und manchmal weniger gut funktioniert hat. Content den ich erstellt habe; um ihn, nach dem ersten Einsatz noch mal neu zu erstellen. Workflows, die ich mir erarbeitet, und im Lauf der Zeit immer wieder modifiziert habe, bis sie flutschen. Und so weiter, und so fort. Man IST nicht EINFACH kreativ! Man WIRD es durch TRAINING! Und das kann jeder Mensch. Manche kostet es vielleicht mehr Anstrengung – aber kreativ werden kann jeder. Und dazu sind nur ein paar einfache Dinge notwendig:

  • Habt immer irgendein Tool zum Ideensammeln bereit! Egal ob ein Notizbüchlein, die Kamera und die Sprachmemofunktion eures Smartphones (das Ding ist nämlich nicht nur zum Spielen und Chatten da), oder ein ausgewachsenes Journal (etwa ein Scrapbook). Es sollte etwas sein, dass ihr überall mitnehmen könnte. Denn Ideen ist es nämlich egal, ob ihr gerade die Küche kehrt, durch den Pfälzerwald wandert oder einen Stall ausmistet…! Wenn sie kommen, müssen sie sofort eingefangen werden, sonst sind sie weg!
  • Gestaltet euch ein Ordnungs- und Aufbewahrungs-System! Was mir jetzt gerade nichts nutzt, ist vielleicht für ein anderes Projekt im nächsten Jahr gut. Und dann solltet ihr es wiederfinden. Spätestens jetzt schlägt, wenn ihr kein hochmobiles Endgerät wie ein Tablet habt (der Smartphonebildschirm ist für vieles einfach doch zu klein), oder wenn Strom gerade rar ist, die Stunde eines klassischen Journals oder Scrapbooks. Am besten eines mit austauschbaren Inlays.
  • Sucht nach anderen, neuen Erfahrungen! Dazu sind übrigens nicht zwingend lange Reisen notwendig. Manchmal reicht schon eine Wanderung im Wald, oder ein Spaziergang in die Stadt. Ihr müsst nur eure Augen und Ohren aufmachen, anstatt die ganze Zeit auf den Bildschirm zu glotzen, oder euch mit Noise-Cancelling-Kopfhörern auf Autopilot zu schalten. Im öffentlichen Raum haben diese Dinger eh nichts verloren!
  • Probiert neue Techniken und Gadgets aus! Denn nur, wer halbwegs am Puls der Zeit bleibt, wird mit seinen Ideen und Projekten die Menschen abholen, die sowieso schon am Puls der Zeit sind; und durch gutes Beispiel evtl. auch die anderen motivieren können, doch noch etwas dazulernen zu wollen.
  • Lest Bücher! Und dabei ist es mir egal, ob ihr die Haptik von Papier bevorzugt (so wie ich), oder einen E-Book-Reader benutzt – aber lest Bücher! Lest Bücher, die ihr nicht nach dem Cover kauft! Lest Bücher, die nicht eurem bevorzugten Themengebiet entsprechen! Lest Bücher, die ihr irgendwo findet und lasst euch überraschen! Das gilt auch für Zeitungen, Zeitschriften, und im begrenztem Maße für Bewegtbilder.
  • Verlasst bewusst eure Komfort- / Faulheitszone! Wenn ihr merkt, dass ihr feststeckt, macht was Neues! Es muss nicht unbedingt Skydiving sein (obwohl das bestimmt ein grandioser Kick ist) – aber tut etwas, dass euch andere Perspektiven eröffnet! Und bleibt nicht die ganze Zeit auf eurer Couch hocken – es sei denn ihr beherzigt gerade den voran gegangenen Ratschlag!
  • Sucht euch bei Bedarf Peer Reviews! Zumindest manchmal kann es eine gute Idee sein, ein kreatives Projekt mit jemand anders zu diskutieren; vielleicht sogar mit jemandem, der gar nicht so viel mit eurer Arbeit oder dem Thema zu tun hat. Das frischt nämlich die Meta-Perspektive auf.
  • Findet mehr Punkte für euer persönliches Kreativitäts-Trainingsprogramm! Vieleicht wollt ihr mir ja davon berichten. Einstweilen ein schönes Wochenende.
Burgess, D. (2012): Teach like a PIRATE. San Diego CA: Dave Burgess Consuling Inc.
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Man lernt ja nie aus, nicht wahr…?

Um ehrlich zu sein – mir brummt der Schädel. Nicht etwa, weil ich zu viel gesoffen hätte, sondern weil ich TIEF in die Materialien für mein Studium eingetaucht bin, um endlich mal ein paar Hausarbeiten abliefern zu können. Irgendwann möchte man ja mal fertig werden mit dem Master. Denn um ehrlich zu sein, habe ich es im letzten Jahr schleifen lassen. Ich könnte dafür verschiedene Entschuldigungen heranziehen: häufiges Sodbrennen wegen unmäßigem Pasta- und Rotwein-Konsum zum Beispiel? Oder den subjektiven Rückgang der Eulenpopulation im Waldpark? Vielleicht auch mein gelegentliches Spielbedürfnis, dann in Verbindung mit chronifizierender Prokrastinistis? Oder meinen unbändigen Wunsch nach häufigerem Spazierengehen (allerdings nicht Montags Abends – diese Unterstellung verbitte ich mir!)? Falls das irgendjemandem unglaubwürdig vorkommt – mir auch! Aber suchen wir nicht alle gelegentlich nach faulen Ausreden…

…sehr gute Lektüre!

Nun habe ich mich jedenfalls aufgerafft, um den Rückstand aufzuarbeiten; zumindest bis auf die Couch in meinem Arbeitszimmer bin ich dabei gekommen, im gelegentlichen Wechsel mit meinem Bürostuhl am Schreibtisch (hey, ich habe heute sogar stehend gearbeitet, YIPPIE!); will heißen, ich habe meine Nase in Skripten, und Büchern und Webseiten versenkt, gelesen, nachgedacht, Fragen beantwortet – und die Antworten danach noch mal redigiert. Ich würde das ja als Arbeit bezeichnen. IN. MEINER. FREIZEIT! Aber ich wollte es ja so, rumjammern ist also nicht erlaubt! Zudem habe ich bei meinen Bemühungen mehrere Beobachtungen gemacht, die mich durchaus positiv stimmen. Immerhin muss man sich ja an irgendwas hochziehen, um nicht die Motivation zu verlieren. Und gestern Abend habe ich mir auch eine Pause gegönnt und ein wenig Pen’n’Paper gespielleitet. Falls jemand fragen möchte: JA, das ist für mich entspannend. Zumindest in der derzeitigen Konstellation. Aber dazu erzähle ich evtl. bei anderer Gelegenheit etwas.

Ich habe mich die letzten zwei Tage irritierend fleißig erlebt! Man muss dazu wissen, dass mein Fürchtegott-Justus (ihr erinnert euch: mein Über-Ich) recht häufig und ausgiebig Pause macht, wenn ihm Grimpeflgrumpf-Sozaut mal wieder eins auf die Zwölf gegeben hat. FG ist nämlich eine kleine Heulsuse – und GS alles andere als zimperlich, wenn die Sirenen der Prokrastination ihren Gesang anstimmen. GS hat nämlich NULL Probleme damit, wenn jene Projekte, die FG wichtig sind, vollkommen sang- und klanglos an den Klippen des Nucleo-Accumbianischen Küstengebirges zerschellen. Was leider nicht so selten vorkommt wie ICH mir wünschen würde. Well… that’s life! Aber im Moment bin ich tatsächlich fleißig. Und es ist mir nicht im mindesten schwer gefallen, in den akademischen Beast-Mode zu wechseln. Wobei natürlich klar ist, dass ich meinen Job mag – und daher auch mit dem hochschulisch-theoretischen Background ganz gut klarkomme. Man nennt diesen mentalen Zustand, glaube ich, „fokussiert“. Und ich hatte sogar so was wie Flow-Gefühle. Na ja – da ICH niemals ein Runner’s High spüren werde, ist der Flow beim theoretischen und kreativen Arbeiten in meinem Büro wohl so ziemlich das Nächstbeste!

Keine Sorge, das hält nicht allzu lange an. Ich gehe mal davon aus, dass mir so etwa am Freitag Mittag die Puste ausgeht. Doch wenn ich meine Arbeitspakete bis dahin alle erledigt haben sollte, wird mich das positive Gefühl danach wohl noch eine ganze Weile begleiten. Mindestens das Wochenende über. Ich empfinde es als Geschenk, Lernen und Wissen-Wollen als natürliche Bedürfnisse empfinden zu können, welche mich kaum extra Anstrengung kosten. OK – FG braucht meistens ein bisschen Anlauf und muss mit gewisser Vorsicht einen Moment abpassen, in dem er GS von Hinten erwischen kann. Aber wenn GS erstmal liegt, ist die Chose auch schon am kochen. Und wenn GS dann mitkriegt, dass auch DAS die Instinkte befriedigen kann, ist für eine Weile Frieden im Hirnkasten. Das koste ich im Moment aus – und habe sogar noch Zeit diese Zeilen zu schreiben und als Podcast aufzunehmen. Nicht übel für einen faulen, alten Sack! Ich wünsche euch allen da draußen auch eine halbwegs friedvolle und produktive Woche. Oder das, was ihr euch wünscht. Wir hören uns…

Auch als Podcast…