Gestalten können…?

Nein, es geht hier nicht um Gestalten. Also Lichtgestalten wie… ach da fällt mir gerade keine ein, oder aber Dunkelgestalten die den Söder-Bazi, der jetzt gendergerechte Sprache einschränken möchte, weil er damit bei seinen unheiligen Freunden vom Fascho-oder-doch-nicht-Fascho-Aiwanger-Wahlverein a.k.a. „Freie Wähler“ Punkte machen kann. Er kann halt doch nur Bierzelt. Wobei mir nach letztem Wochenende noch einfällt – Wir in Baden-Württemberg können alles außer Hochdeutsch – die Bayern können alles außer Schnee (sofern der aus Wasser besteht…). Überall in Kommentarspalten häufen sich Anzeichen dafür, dass man sich einen Rechtsruck geradezu wünscht, weil die „etablierten Parteien“ es nicht hinbekommen würden. Dazu – zum allerletzten Mal – drei Einwürfe:

  • 1) Realpolitische Erfordernisse, die aus dem 16-jährigen merkelesk-christdemokratischen Ignorieren, Aussitzen, Nichtlösen realpolitischer Herausforderungen und Bedrohungen resultieren (ja, ich meine auch Putin ihr Pappnasen – den gibt’s nicht erst seit 2021), lassen sich nicht in drei Wochen, drei Monaten oder drei Jahren beheben. Kommt damit klar, dass wir den Gürtel schon seit 25 Jahren hätten enger schnallen müssen. Tut mir genauso weh…! Und hört endlich mit dem Grünen-Bashing auf, ihr lustigen Nachbarn – die wahren Feinde Deutschlands tragen braun und blau!
  • 2) Demokratie – oder besser ein demokratisch verfasster Rechtsstaat, der jedem bestimmte Rechte garantiert – ist ein Wert an sich! Oder was denkt ihr, wie viel Scheiße ihr noch in irgendwelchen Kommentarspalten absondern könnt, ohne dass euch die Beamten vom „Weisungsbefugten Amt für Nationale Sicherheit und Treue“ – kurz WANST – zur „Konsenserziehung“ abholen, sobald die Drecksfaschos mal an die Macht kommen, hm…? Unsere Institutionen mögen nicht perfekt funktionieren und Meinungsbildung im Kompromissraum der Öffentlichkeit ist ein schmerzhafter und langsamer Prozess. Aber leider nötig, wenn wir keine Diktatur wollen. Denn wie beschissen die funktioniert, könnt ihr in allen ehemaligen oder noch existenten kommunistischen Staaten beobachten (Ja, Kommunismus und Faschismus funktionieren auf Basis unterschiedlicher Ideologien – aber mit den exakt gleichen Auswirkungen – lernen macht klüger).
  • 3) Meinung ohne Wissen und Verständnis ist nutzlos! Und die allermeisten da draußen wollen deshalb an die „einfache Lösung“ glauben, weil es ihnen in ihrer leider beschränkten Denke erlaubt, sich nicht ändern zu müssen! Doch nichts in der Welt ist beständiger, als der Wandel. Und wer ihn nicht mitmacht, nicht wenigstens versucht ihn auszuhalten, wird von ihm überrollt! Pech gehabt. Schaut man jedoch hinter die „Argumente“ der Fascho-Rattenfänger sind immer andere schuld und nix muss sich ändern. Also mehr von dem, was uns in die aktuellen Sackgassen manövriert hat. Tolle Lösung, echt jetzt [Ironie off/]. Beginnt man jedoch unter die Haube zu schauen und nachzudenken, also sich eine FUNDIERTE Meinung zu bilden, keine EMOTIONALISIERTE, wie die AfD sie bietet, wird ziemlich schnell klar, dass „WEITER SO“ niemanden wirklich weiterbringt. Aber ja, es klingt so schön einfach.

Musste mal wieder raus. Aber eigentlich ging es ja nicht um DIE Gestalten, sondern um DAS Gestalten, also den Prozess, etwas Neues zu erschaffen, oder aber etwas Bestehendes zu verändern. Und irgendwie beschleicht mich in letzter Zeit immer wieder das Gefühl, dass zu viele Menschen unberechtigterweise glauben, dass sie das nicht könnten, weil ihnen dazu entweder die Ressourcen, die Ideen, die Energie, oder wasweißichnichtnochalles fehlen würden. Aber DAS GESTALTEN passiert doch nicht nur in irgendwelchen fancy Büros durch irgendwelche, wahlweise super-hippen, super-klugen oder zufällig gewählten Fuzzinen und Fuzzies (wie Künstler, Influencer, Politiker, Marketing-Profis, Wissenschaftler, etc). So gut wie jede*r von uns kann gestalten, indem er/sie/them sein Lebensumfeld verändert. Und viele Wenig machen ein Viel. Das war immer schon das Momentum, welches auch große Veränderung angestoßen hat. Gesellschaftliche (und ich meine nicht nur Revolutionen mit Krawumm und Kampf und Guillotine) genauso, wie wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Wir neigen dazu, uns im Angesicht der großen, großen Welt klein und ohnmächtig zu fühlen, obschon der Blick in unser nahes Umfeld allzuoft sofort offenbaren würde, wie viel wir tatsächlich schon gestalten – und wie viel mehr noch möglich wäre. Denn jede Veränderung beginnt im Kleinen.

Nehmen wir als Beispiel Abnehmen (was ich selbst übrigens tun müsste): es ist MEINE Entscheidung, wann und wieviel ich dafür tun will, sobald ich das Problem identifiziert und mir über mögliche Lösungen Gedanken zu machen begonnen habe. Mein Problem ist – und damit bin ich weiß Gott nicht allein – dass es sehr einfach ist, Gründe zu suchen, warum eine Veränderung nicht möglich sein sollte: keine Zeit, zu viel Stress, mir tut doch eh schon alles weh, ich habe noch wichtigeres zu tun, ich…., ich…, ich…, ich will mich nicht anstrengen müssen, um etwas zu erreichen, dass für mich mit Verzicht und Unbequemlichkeiten einher geht! Klingt das ein bisschen nach den Sentimenten, die AfD-Wähler benutzen, um sich zu rechtfertigen? „DIE FREMDEN nehmen mir etwas weg!“ Scheint so, als wenn DIE GESTALTEN und DAS GESTALTEN doch etwas miteinander zu tun hätten. Und zwar dergestalt, dass DIE GESTALTEN (vulgo so einige Politikoiden da draußen) mich immer wieder davon zu überzeugen versuchen, dass DAS GESTALTEN – zumindest, wenn es um gesellschaftliche Veränderung geht – nichts für mich ist, sondern etwas, dass ich den „Profis“ überlassen sollte. Ja, is klar, ’ne; bevor ich den Söder-Bazi, oder irgendeinen anderen aus dem Schwarz-Blau-Braunen Spektrum für mich gestalten lasse, kitzele ich mich lieber mit einem Nageltacker an der Patella! Aber die obige Feststellung erklärt halt auch, warum Poltiker*innen mit konzertiertem Gegenwind (etwa Demos, Bürger-Initiativen, echter Investigativ-Journalismus, tatsächlich Gemeinwohlorientierte NGOs, etc.) so gar nicht klarkommen: es macht das lobbyfreundliche Zurechtwurschteln von diesem oder jenem nämlich viel, viel schwieriger. Der franzöische Humorist und Schauspieler Henri Tisot sagte dazu mal: „Bei der Fischsuppe und bei der Politik sollte man nicht zuschauen, wie sie gemacht werden.“

Ich habe in meinen Posts schon oft über Kreativität gesprochen. Und manchmal könnte der Eindruck entstehen, dass Kreativität in meinem Kopf lediglich was mit bildender Kunst (Schreiben, Fotografie, Video, etc.) zu tun hätte. Aber Kreativität ist im Kern einfach nur die Fähigkeit, sich neuen Herausforderungen stellen und dabei passend zur Situation auf neue Fragen auch neue, originelle, hilfreiche und vielleicht manchmal auch schöne Antworten finden zu können. Und das kann im Kleinen, wie im Großen Veränderungen bewirken. Man muss es nur wollen! Okay, ein bisschen (mehr) Bildung und Übung sind dabei natürlich hilfreich – bewusst wollen muss man es am Ende des Tages trotzdem. In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen schönen Zweiten Advent, einen guten Start in die neue Woche und den Mut, etwas Gutes zu Wege zu bringen. Wir hören uns.

Der verwirrte Spielleiter N°53 – Regelwerk-Debatten?

Als mich ein paar andere Nerds, die das gut zu verstecken wussten 1989 dazu einluden, an ihrer DSA-Runde teilzunehmen und ich relativ kurze Zeit später noch dazu aufgefordert wurde, mal zu spielleiten, war’s auch schon passiert. Geschichtenerzählen war einfach schon immer ein Teil von mir; und wird es wohl auch immer bleiben. Was mich damals sofort faszinierte waren mehr die unterschiedlichen Welten anstatt der Regelwerke. Und doch…, so viele Ideen, wie man die (halbwegs) reale Welt in einem Erzählraum abbilden konnte, so dass alle Protagonisten und Antagonisten einen Common Ground haben, der die Fairness in den Konflikten sicherstellt, hatten ihre Faszination. Warum ich hier zuerst von Konflikten rede, will ich weiter unten erklären. Anfangs war da noch diese Idee in der Community, dass man tatsächlich für jede Welt ein eigenes Regelwerk haben musste, bzw, dass die Verzahnung zwischen Regelwerk und Kampagnenwelt nicht aufzulösen sei. In meinen jungen Jahren habe ich daher einige ausprobiert: DSA, DnD 1st Ed., ADnD, MERS, Traveller, Star Wars D6, Palladium, Rifts, Robotech, Battletech, Rolemaster, Earthdawn, World of Darkness, Shadowrun, usw. Manche nur ganz kurz, andere haben mich jahrzehntelang begleitet. Doch schon relativ früh bemerkte ich zwei Dinge: keines der Regelwerke befriedigte meine Idee davon, wie Dinge darzustellen wären so gut, dass ich lange ohne Hausregeln und Customization Work auskam. Und nicht selten mochte ich nur die Kampagnenwelt, aber das komplette Regelwerk ging mir meilenweit am Allerwertesten vorbei. Was dazu führte, dass ich „system agnostic“ wurde und schon in den späten 90ern anfing, an einem eigenen Regelwerk zu basteln, dass mittlerweile wohl auch die dritte oder vierte Edition erreicht hat… Wobei System-agnostisch gelogen ist – andere Systeme wurden mir zunehmend egaler, weil ich meines in einigen Aspekten einfach für besser hielt.

Matt Colville sprach die Tage, anlässlich von Wizards of the Coasts Ankündigung einer überarbeiteten Edition von DnD 5E für 2024, über die sogenannten „Edition Wars“; also die immer wiederkehrenden Hass-Diskussionen (heutzutage speziell online) darüber, welche die beste Edition von DnD sei, dass doch sowieso alles nur Geldschneiderei sei und das andere Games sowieso viel besser/schlechter/sonstwas seien. [Er spricht auch viel über die Geschichte des Hobbies, und das Konzerne wie Hasbro nur die Marke interessiert, nicht jedoch das eigentliche Spiel, welches uns Gamern so am Herzen liegt. Das Video geht fast eine Stunde, ist aber unterhaltsam und informativ] Fakt ist, dass mir selbst – durch meine eigene System-agnostische Haltung – ein großer Teil dieser Diskussionen nie bewusst geworden ist. Mein jüngeres, wesentlich dogmatischeres Arschloch-Ich hätte sich sicherlich mit Freude an so einem Mist beteiligt, obwohl das ebenso riesengroße Bullenscheiße ist, wie etwa die ewige Playstation-vs.-XBox-Diskussion, das Canon-vs.-Nikon-Dilemma, der Streit um die beste Automarke, den besten Fußballclub, laberabarberschwätz… Die Sinnlosigkeit eines Streits über Vorlieben, die sich zumeist nur auf irgendeiner Form von unbewusster und daher unreflektierter emotionaler Verbundenheit mit dieser oder jener Marke gründen, kann einem klar werden, wenn man sich mal mit Priming und Werbepsychologie befasst. Fazit: wir werden unser Leben lang verarscht! Bei den Edition Wars war stets einer der Hauptgründe für die Ablehung neuer Regelwerke, dass man sich an die alten gewöhnt hatte und kein Interesse daran bestand, sich mit etwas Neuem auseinandersetzen zu müssen. „Das haben wir schon immer so gemacht!“ „Ja, aber es war schon immer Sch***e!“ „Nein, es war schon immer so, und deswegen war es schon immer gut!“ Tautologie meets Dogma. Kenn ich irgendwie auch aus meinem Arbeitsumfeld…

(C) by Monika Merz

Was soll denn nun ein Regelwerk im Pen’n’Paper-Rollenspiel überhaupt? Es soll durch die Bereitstellung von Mechaniken unterstützen, dass jene Konflikte, welche im Spiel durch den narrativen Aufbau von Dramatik entstehen (egal, ob dies der Spielleiter tut, oder die Spieler*innen selbst) einerseits sinnvoll und fair aufgelöst werden können (durch irgendwie ermittelte Werte und Charakteristika sowie Wahrscheinlichkeiten, die üblicherweise durch Würfel symbolisiert werden), auf der anderen Seite aber auch die Spieler*innen dazu animieren, dass Ihre Charaktere eine bestimmte Art von Verhalten zeigen, indem es solches Verhalten belohnt. Nämlich jene Art von Verhalten, welche der vom System vorgegebene Style of Play erfordert! Spielen wir etwa einen Survival-Horror-Dungeon-Crawler [Style of Play] wie DnD 1st Ed. [Regelwerk], dann geht es um Umsicht, Cleverness, Ressourcen-Management [erwünschtes Verhalten] in einer klaustrophobischen Spielumgebung, die den Spielern nur einen Weg lässt – vorwärts. Denn nur weiter unten im Dungeon finde ich die Items, die dafür sorgen, dass ich etwas besser überleben kann, um noch weiter unten im Dungeon noch bessere Ausrüstung finden zu können, um… Diablo-Style: Kill-Loot-Upgrade-Repeat. Die Regeln emulieren dann harte, dreckige Kämpfe, bei denen der Tod oft schnell und unerwartet kommt, Leben also billig ist und man nicht unbedingt erwartet, einen Charakter lange zu spielen [dramatische Prämisse]. All das findet in Generic Fantasy Land statt, einer soft-gerenderten Simulation unserer allzuoft nicht sehr realitätsgetreuen Vorstellung des spätmittelalterlichen bzw. Frührennaissance-Europas, welches üblicherweise (dank reicher Mythologie) als frühe Blaupause für Fantasy-RPGs gedient hat; zuzüglich der Monster [Setting].

Man kann sich das jetzt auch denken für ein Space Opera Setting in der Welt von Star Wars (Style of Play: Heroische Science-Fantasy / Regelwerk: Fantasy Flight Games Narrative Dice (analog zu Warhammer Fantasy 3rd Ed.) / Erwünschtes Verhalten: Heldentaten, Altruismus, Over-the-Top-Stunts / Dramatische Prämisse: der alte Konflikt Gut gegen Böse, oder Chaos gegen Ordnung / Setting: vor langer Zeit, in einer weit, weit entfernten Galaxis); oder irgendetwas anderes. Wichtig ist, dass ein Setting ein Thema hat, dass einen speziellen Style of Play einfordert, der den Spielern gleichsam eine Idee davon vermittelt, welches Spielerverhalten vom System belohnt wird – und welches eher nicht… Ebenso wichtig ist natürlich, dass man als Spielleiter auf einen Thema-konformen Aufbau der Dramatik achtet. Dass funktioniert im Horror (Jump-Scares, life is Cheap, mindless monsters) anders als bei Heroic-Fantasy (Shining Heroes, glamouröse Kämpfe, schurkige Schurken) oder Cyber-Punk (Intrigen im Schatten, Hightech vs. Lowlife, soziale Fragen), oder Hard Science-Fiction (gritty realism, Naturgesetze funktionieren hier). Wichtig ist, dass die beschriebene/bespielte Welt jederzeit in sich glaubwürdig und konsistent bleibt. Wenn ich Hard Science-Fiction angesagt habe, kann ich nicht plötzlich Jedi-Ritter aus dem Hut zaubern; genausowenig, wie ich bei High Fantasy plötzlich mit gritty realism und der sozialen Frage der Weber anfangen kann. Wenn ich alles mit allem mische und jeden Konflikt in ein moralisches Dilemma verwandele, hat daran niemand mehr Spaß – denn in jedem Setting muss es eine, eindeutig BÖSE Fraktion geben, bei der absolut niemand mit der Wimper zuckt, wenn Chars anfangen, deren Mitglieder zu killen. Sonst kann ich doch noch anfangen, mir Game of Thrones anzuschauen (und ganz ehrlich, der Sch*** hat mich bis heute keine einzige Sekunde interessiert!)

Ich probiere auch heute noch gelegentlich Anderes / Neues aus und sammle ein bisschen jene Regelwerke, die mich faszinieren. Oft genug wegen der beschriebenen Settings, manchmal aber auch, weil ich immer wieder darüber nachdenke, wie man mein Rulesset, dass jetzt durchaus ein wenig crunchy ist (da wird schon mal ganz ordentlich gewürfelt) doch noch ein bisschen sleeker und einfacher gestalten könnte. Ist wahrscheinlich eine Zeitgeist-Frage, hört man doch überall in der Szene davon, dass man das „Shoeleather“ aus seinen Sitzungen entfernen sollte. „Shoeleather“ meint beim fiktionalen Schreiben, alles, was theoretisch auch in der Welt der Erzählung da ist, dessen Erwähnung aber den Plot nicht vorantreibt und für den Aufbau der Dramatik nicht zwingend notwendig ist. Denkt dabei an Telefonate in Filmen: „Hey Joe, wir treffen uns in 10 Minuten! – Alles klar, ich bringe Betty mit!“ Woher weiß dass Gegenüber, WO es in 10 Minuten sein muss? Weil der Plot sagt, dass er es eben weiß. Dafür haben wir eine schöne Spannungsfrage: wer oder was zum Henker ist „Betty“? Das ganze Geplänkel, die Höflichkeitsfloskeln, die Erwähnung, dass man sich zu lange nicht gemeldet hat – alles unwichtig, denn in 10 Minuten geht’s los und Betty ist dabei. Muss ich mehr wissen, um gespannt zu sein, was als nächstes passiert? NÖ, MUSS ICH NICHT? Um das zu erzeugen, brauche ich allerdings KEIN spezielles Regelwerk, sondern ein Verständnis für’s Erzählen, für Dramatik und Pacing – und ein paar gute Plot Points, von denen aus meine Spieler*innen in die Geschichte einsteigen können; aber eher selten braucht man dafür eine Würfelorgie. Ich selbst bin diesbezüglich übrigens schuldig im Sinne der Anklage! Aber warum müssen dann Konflikte entstehen? Weil ohne hohe Einsätze, Herausforderungen, Bedrohungen, Gefahren und mögliche Belohnungen kein Drama entsteht – keine Spannung, die sich durch Handlungen der Charaktere auflösen lässt. Und diese Lösung ist im Pen’n’Paper eben recht oft eine irgendwie geartete Auseinandersetzung.

Jetzt sind wir einmal im Schweinsgelopp durch das Thema, was Regeln beim Pen’n’Paper sind hindurchgeprescht. Aber was sind Regeln dann nicht? Ganz einfach: sie sind KEIN Instrument, um die Fantasie und Kreativität der Spieler*innen (oder der Spielleiter*innen) zu bremsen / einzufrieden. Und sie sind NIEMALS in Stein gemeißelt, wenn sie genau das eben beschriebene doch einmal tun sollten. Denn DAS killt den Spaß. Und der Spaß am Spiel durch das bewusste Eintauchen (die Immersion) in eine andere Welt ist das einzige, was dieses Spiel und seine Spieler*innen als Leim zusammenhält. Gemeinsam Fantasien erforschen, gestalten, ausleben, ohne dabei tatsächlich weit weg reisen zu müssen. Oder wie Matt Colville mal gesagt hat: „It’s the most fun, you can have with your brain!“ In diesem Sinne – always game on!

  • Friedmann, J. (2019): Storytelling. Einführung in Theorie und Praxis narrativer Gestaltung. München UVK Verlag.
  • Mackay, D. (2001): The fantasy role-playing Game: a new performing art. Jefferson (NC USA), London: McFarland & Company, Inc.
  • Merkel, J. (2021): Sieh, damit wir sehen! Eine Geschichte des Geschichtenerzählens. Berlin: Der Erzählverlag.

Es ist zu ruhig hier!

Ich war in letzter Zeit eher monothematisch hier, bin gar nicht in die Niederungen meines Lieblingshobbies Pen’n’Paper hinunter geklettert, hab über wenig anderes als die Arbeit nachgedacht und rumgejammert, wie schlecht es mir doch manchmal geht. Ja, geht’s noch? Tatsächlich im Moment so lala, nachdem mich meine Geundheit noch mal zum kürzertreten gezwungen hat. Abseits dessen werden meine Versuche, wieder eine breitere Denkbasis zu bekommen langsam fruchtbarer. Und das verdanke ich widersinnigerweise im Moment dem Umstand, dass ich durch die Beschwerden, die mich derzeit plagen nachts nicht so gut schlafe. Was macht man also? Ja klar, lesen, um wieder müde zu werden! Klappt leidlich, aber manchmal stolpert man dabei über was Gutes. So zum Beispiel eine Studie der University of Cambridge und des Trinity College in Dublin, die sich mit der Sprachentwicklung von Kleinstkindern beschäftigt.

A propos Irland – Ballybunion beach, County Kerry

Man war bisher landläufig der Ansicht, dass Kinder Sprache dadurch lernen, das sie die Phoneme, aus denen jede Sprache besteht, oft genug vorgeprochen bekommen müssen, um diese zunächst einzeln zu immitieren und schließlich zu Wörtern zusammensetzen zu können. Vereinfacht gesagt sind Phoneme die kleinsten Grundlaute, welche der menschliche Sprechapparat hervorbringen kann; und aus denen sich jede Sprache individuell zusammensetzt. Unterschiedliche Sprachen haben unterschiedliche Phonemmengen. Allerdings weist die eben von mir erwähnte Studie darauf hin, dass es nicht die Phoneme sind, welche die Kleinsten an das Sprechen heranführen, sondern die Rythmik, mit der gesprochen wird. Weshalb die Forscher auch davon ausgehen, dass die elterliche Nutzung von Reimen und Kinderliedern, die zumeist eine formalisierte Rhythmik aufweisen für die frühkindliche Sprachentwicklung von Vorteil sei. Allerdings hatte die Studie nur eine eher kleine Zahl von Probanden, die noch dazu alle aus englischsprachigen Haushalten kamen. Das Thema Verallgemeinerbarkeit ist hier also vorläufig noch mit Vorsicht zu genießen.

Dennoch fasziniert mich die Studie, verweist sie doch zumindest ein wenig auf die Dinge, mit denen ich mich im Rahmen meiner Masterthesis befasst hatte. Walter Ong beschreibt in seinem Buch „Oralität und Literalität“ jene Techniken, mit denen, noch nicht mit einer Schriftsprache ausgestattete Erzähler in der Lage waren, z.B. die frühen Epen der griechischen Dichtkunst zu erschaffen aus dem Gedächtnis zu rezitieren. Homers „Ilias“ (die Erzählung um den Trojanischen Krieg) und „Odyssee“ (die abenteuerliche Heimfahrt des Odysseus) wurden erst Jahrhunderte nach ihrem Entstehen zum ersten Mal verschriftlich. Das bedeutet, dass es Menschen gab, die sich nur mit Hilfe einer starken Formalisierung der Sprache durch Rythmik, Versmaß, bildhafte Überzeichnung der Ereignisse, formalhafte Sprache etc. alle knapp 15.700 Verse z. B. der Ilias merken und in der richtigen Reihenfolge wiedergeben konnten. Ohne jetzt auf den Pisa-Schock eingehen zu wollen – eine Kultur ohne Schrift greift auf andere Möglichkeiten der Überlieferung zurück, verwendet dabei allerdings auch eine andere Art des Denkens. Allein der Umstand, dass ich diese Zeilen mittels einer Tastatur an einem Bildschirm verfasse bedeutet, dass mein Denkprozess ein vollkommen anderer sein MUSS, als der jener Dichter, die keine Möglichkeit hatten, ihre Gedanken derart zu visualisieren.

Nimmt man nun die oben erwähnte Studie dazu, erscheint es mir mit Blick auf die Sprachentwicklung natürlich, dass Rythmik, Formalisierung, Bildhaftigkeit auch heute noch eine bedeutende Rolle spielen; wenngleich die Verwendung natürlich auf vollkommen andere Art stattfindet. Aber beim klassischen Geschichtenerzählen sind es wohl genau diese Dinge, die eine Erzählung zu einem eigenen Ort machen, den Erzählende und Zuhörende miteinander teilen können. Und der, entgegen der üblichen Meinung die Zuhörenden nicht zur Passivität verdammt, wie dies z.B. der regelmäßige Konsum von Film und Fernsehen sehr wohl tut. Hat das jetzt nicht irgendwie wieder mit meiner Arbeit zu tun? Ja und nein, denn natürlich erzähle ich auch im Lehrsaal gelegentlich Geschichten. Aber viel lieber tue ich dies in Ausübung meines Lieblingshobbies Pen’n’Paper. Und ich frage mich, ob das wohl irgendwann in meinem Leben anders sein wird. Man wird sehen. So oder so muss ich die Ruhe hier mal wieder nachhaltig durchbrechen; und ich habe Ideen, Wir hören/lesen uns also die Tage noch öfter. Stay tuned and have a nice weekend.

Das große Staunen N°7 – Rituale

Nicht durchknallen, sich nicht vom Stress der Vorweihnachtszeit mitziehen lassen, sich nicht dem Wahnsinn der Anforderungen ausliefern, die so viele Menschen gerade jetzt an einen zu haben scheinen, nur weil mal wieder ein Jahr zuende geht und alle ganz entsetzt feststellen, dass heute der verf****e erste Advent ist! Es ist diese Zeit im Jahr, in der neben dem typischen Resümieren des sterbenden Jahres auch immer die höchst verlegene Kontaktaufnahme mit den sterbenden sozialen Beziehungen auf den Schirm kommt – jene Verbindungen, die ansonsten im Huzz und Buzz des Alltags untergehen, ohne dabei besondere Aufmerksamkeit zu erfahren; „hab ich XYZ eigentlich zum Geburtstag, zur Rente, zur Hochzeit/Scheidung, zum neuesten Kind, etc. gratuliert…?“ Wobei natürlich mit Blick auf die eben heruntergebetete, absolut unvollständige Liste die Frage erlaubt sein muss, ob es wirklich Sinn ergibt, jemandem zu etwas zu gratulieren, dessen Erreichung sich mehr oder weniger vollkommen seiner/ihrer Kontrolle entzieht? Muss jeder selbst wissen. So oder so bewegen wir uns im finsteren Tal der vergessenen Details, geplagt von der bangen Frage, wann der Karma-Bumerang wohl zurückkommt, um uns umzuhauen…?

Braucht es einen spezielle Ort für ein Ritual…?

Der Erhalt menschlicher Beziehungen baut oft auf ener Tausch-Logik auf, die dann teilweise äußert bizarre Züge annimmt, wenn Menschen anfangen, abschätzen zu wollen, wie viel ein Geschenk eines Gegenübers wohl gekostet haben wird, um den Wert der eigenen Gaben daran auszurichten. Immer wieder erlebt. Letztenende ist dieser Tanz um das Austauschen von Geschenken auch eine Art Ritual; allerdings keines, dass ich als wert- oder sinnvoll empfinde. Ich schenke, was und wann ich das angemessen finde und damit hat sich’s. Ob mir jemand was schenkt, ist mir weitestenteils egal, weil ich mir jene Dinge, die ich unbedingt haben will, oder zu brauchen glaube (und so viele Dinge sind das gar nicht) in aller Regel selbst kaufe. Ich lasse mich allerdings gerne mit Kleinigkeiten überraschen, die jenes große Kind in mir ansprechen, dass im gerade letzten Jahr allzu oft viel zu kurz gekommen ist. Ich brauche dazu allerdings auch keinen vorgeschriebenen Ritual-Termin, wie etwa Heiligabend oder meinen Geburtstag. Wenn ich etwas ritualisieren möchte, dann sind das andere Dinge, die mit Konsum eher wenig zu tun haben!

Ich habe beschlossen, mein eigenes Achtsamkeitsprogramm aufzubauen. Dabei sind Rituale wichtig, denn sie bieten zumeist der Seele und dem Herzen jenen Raum, welchen der Geist schon hat. Der Geist findet sein Gefäß in Denkanstößen aus Büchern und anderen Medien, in kleinen Gadgets für, bzw. rings um die Arbeit und in 1000 kleinen, oft hoch individuellen Angewohnheiten, die das Denken und die Kreativität fördern. Doch das Herz kommt dabei oft zu kurz, weil wir in diesem ganzen Selbstoptimierungswahn vergessen, dass die Achtsamkeit, welche wir der Psyche auf rationaler Ebene entgegen bringen auch den Emotionen, der Spiritualität und unseren Träumen gebührt. Und der Ort, an dem wir dies tun können, ist das Ritual. Ich meine damit natürlich keinen Hexensabbat, bei dem wir Ziegen opfern und Satan anbeten – obwohl ein Feuer zu machen, bzw. wenigstens eine Kerze anzuzünden schon dazugehören darf. Nur das mit den Messern und den Ziegen…, das bitte nicht!

Ein Ritual ist eine wiederkehrende Handlung, die der Seele jene Kontinuität schenkt, die sie braucht um gesund bleiben zu können. Dabei geht es nicht darum WAS wir tun, sondern DAS wir es immer wieder unter den gleichen – positiven – Vorzeichen tun. Eine Kerze anzünden und ein kurze Weile an nichts denken (nennt es meditieren, aber das ist mir schon zu hoch gegriffen). Die erste Tasse Tee oder Kaffee des Tages in Ruhe und ohne Ablenkung zu uns nehmen. Nachmittags oder Abends zum Runterkommen etwas Bewegung in die eigene Physis bringen. Tagebuch schreiben. Oder das, was einem gut gelungen ist, und das was einem nicht gut gelungen ist, oder wofür man keine Zeit hatte, und das was einem an unfertigen Ideen eingefallen ist aufschreiben und den Zettel in ein dafür gedachtes Glas legen. Oder 100 andere kleine Dinge, die man ohne Stress, ohne größere Anstrengung und ohne dafür großartig etwas aufwenden oder auf etwas verzichten zu müssen in seinen Alltag einbauen kann. Schlechte Angewohnheiten und ein trauriges Herz sterben langsam; es braucht Zeit und etwas Geduld mit sich selbst. Aber wann soll man damit anfangen, wenn nicht jetzt, wo das alte Jahr uns gemahnt, was wir alles erdulden mussten! Zeit, mit einem herzlichen „Drauf gesch****n!“ loszulassen und in die Zukunft zu blicken. Und wenn Rituale dabei helfen, bei diesem Blick weniger bang zu werden, dass haben sie ihren Zweck schon erfüllt. da brauchts keine bunten Päckchen für, in denen allzu oft eh nur unnützer Tand und schreiend hässliche Pullover stecken. Daher: besinnlichen ersten Advent, ihr Menschen(s)kinder.

Neues von Bibo Blogsberg #2 – Keine Zeit für Blues!

Wie man es auch drehen und wenden wollen würde – das Jahr galoppiert jetzt mit immer schnelleren Schritten auf sein Ende zu. „Wie so viele davor!“ sagt der Fatalist. „Wie so manches, das noch kommen wird!“ fügt der Realist hinzu, um vom Optimisten mit „Und das Kommende wird GEIL!“ übertönt zu werden. Der Pessimist beschäftigt sich derweil mit dem Umstand, dass mein Körper gerade nicht so will, wie mein Geist. Auch das ist jetzt für die Jahreszeit eher wenig ungewöhnlich; den positiven Signalen der letzten zwei Wochen zum Trotze. Ich könnte also auf der Habenseite abseits der physischen Schlappheit und des Krankheitsgefühls der letzten Tage einbuchen, dass es auf einigen Baustellen mit einem Mal relativ zügig vorangeht und Wiederstände sich in Commitment verwandeln. Ich bin zwar ob mancher Aussagen noch ein wenig skeptisch und doch von mildem Optimismus getragen. Aber es ist noch lange nicht Zeit für ein Fazit. Das kommt erst am 31.12, am frühen Nachmittag. Und bis dahin habe ich kaum Gelegenheit, den Blues zu bekommen, ganz egal, wie physisch und psychisch anstrengend dieses verfickte Jahr bisher auch gewesen sein mag.

Cliffs 0f Moher… das wäre jetzt auch okay!

Ich bin kürzlich in einem beruflichen Kontext gefragt worden, ob ich von einer bestimmten Sache zu überzeugen wäre. Und ich habe sinngemäß geantwortet, dass ich von etwas nicht überzeugt sein muss, um es zu vertreten, wenn mir der Sinn dahinter verständlich ist. Und ich mein(t)e das vollkommen ernst. Oft im Leben haben wir Aufgaben zu erledigen, die wir tun, weil es halt sein muss, Entscheidungen zu treffen, bei denen eher die Suche nach dem kleinsten Übel uns antreibt, denn das allzu oft allzu große Wort „Überzeugung“. Spätestens mit Bourdieu ist mir dann klar geworden, dass Überzeugungen oft nichts weiter sind, als Illusionen, die wir nutzen, um uns selbst im Nachgang davon zu überzeugen, dass diese oder jene Entscheidung korrekt war – selbst wenn die nagenden Zweifel im Hinterkopf eine vollkommen andere Sprache sprechen. Das gilt im Privaten ebenso, wie im Geschäftsleben, auch wenn man sich gerne einredet, beruflich immer sachmotivierte Entscheidungen zu treffen. Wie schwierig bis nachgerade unmöglich das wird, zeigt sich dann, wenn divergierende persönliche Interessenlagen mit der theoretisch sachlichen Lösung konfligieren und plötzlich aus Nebenkriegsschauplätzen zentrale Schlachtfelder werden. Ich kann es gar nicht oft genug sagen: wir Menschen handeln insbesondere dann, wenn wir das behaupten, alles andere als rational!

Ich bin ein großer Freund davon, nach den Motiven der Menschen zu suchen. Denn viele Entscheidungen werden – gleich, ob man das gut oder schlecht findet – noch immer von Menschen getroffen. Und deren Entscheidungsfindung ist, wie wir seit Kahnemann wissen, alles andere als rational. Und wie bei der Tätersuche im Krimi ist die Frage nach dem Motiv des Gegenübers meistens der Schlüssel zu allem. Um Menschen hinreichend interpretieren zu können, braucht es allerdings – ganz im Gegensatz zum Krimi – mehr als nur eine kurze Beobachtung. Ich bin nämlich nicht Sherlock Holmes. Und wenn es so jemanden da draußen tatsächlich gibt, so hoffe ich, der Person nie zu begegnen. Ich möchte nämlich, dass MEINE Geheimnisse verdammtnocheins geheim bleiben! Aber selbst ohne Holmes’sche Beobachtungs- und Kombinationsgabe findet man, je besser man Menschen kennenlernt, umso besser heraus, was diese antreibt. Das dies auch für die anderen im Zusammenhang mit der eigenen Person gilt, muss einem dabei natürlich klar sein. Niemand hat ein so gutes Pokerface, dass man gar nichts lesen kann. Auch das gibt es nur im Film.

All dem zuvor Gesagten zum Trotz sind wir – manche etwas mehr, viele etwas weniger – zumeist in der Lage, das Gegegnüber einzuschätzen. Was man dabei herausfindet wirkt sich Entscheidungs- und damit Handlungsleitend auf unser Leben aus. Auf das Alltägliche mit seinen vielen kleinen Kooperationsaufgaben genauso, wie auf das Berufliche, wo mich allzu häufig Koordinationsaufgaben betreffen. Das bringt eine administrative Position so mit sich. Dennoch glauben wir immerzu, bei Entscheidungen nur unserem eigenen Denken verpflichtet zu sein. Das ist riesengroßer Unfug. Manchmal genügt eine kleine Geste, um das Gegenüber zu …interessanten… Dingen zu bringen. Die Intention hinter Geschenken oder Freundlichkeit z.B. sollte eigentlich nicht sein, Menschen zu etas zu bringen, denn dann wäre das Manipulation; sondern vielmehr ihnen meine Dankbarkeit oder meine Wertschätzung auszudrücken. Es gibt da einen sehr schmalen Grat zwischen Manipulation und ehrlicher Wertschätzung, von dem allzu oft in die falsche Richtung abgewichen wird. In jedem Fall ist so manche Entscheidung um Klassen „gefühliger“ motiviert, als wir uns das eingestehen wollen!

Genauso gut oder schlecht kann man auch negative Mindgames spielen, um Menschen zu spiegeln, wie man ihr Verhalten empfunden hat. Oder wie man glaubt, das andere (Dritte Beteiligte) dieses fragliche Verhalten empfinden könnten. Hat man vor einer Weile mit mir gemacht und ein kleiner Teil von mir ist darüber immer noch stinksauer. Da schwingen nämlich oft irgendwelche impliziten Unterstellungen mit, die mir nicht gefallen. Um eines klar zu sagen: wir ALLE lassen uns gelegentlich manipulieren, mal zu unserem Vorteil, mal zu unserem Nachteil. Muss man akzeptieren. Was man NICHT akzeptieren muss: Ich habe keine Lust auf Spielchen – und ich werde das auch in Zukunft ganz klar sagen. So, wie ich immer noch keine Zeit für den Blues habe, obwohl es verschiedene Gründe dafür gäbe, habe ich auch keine Zeit für vollkommen unnötiges Drama. Und es ist meiner Meinung nach unnötiges Drama, wenn sich Menschen in gewissen Positionen dünnhäutiger zeigen, als meine Teenager-Tochter. Das ist unwürdig, denn unsere Zeit und ihre Herausforderungen verlangen nach der Fähigkeit zum robusten Diskurs und nicht nach Schneeflöckchen! Ich denke, dass ich noch oft anecken werde, da ich, wie bereits weiter oben gesagt nicht im Mindesten bereit bin, mich von Dingen überzeugen zu lassen, die ich als unsachgemäß, überemotional, unterdurchdacht, überdurchdacht, oder unangemessen betrachte. Und ich werde ganz sicher nicht servil nicken und „JA“ sagen, wenn ich klar den Kopf schütteln und „NEIN“ sagen muss, weil ich der Sache verpflichtet bin, und nicht irgendwelchen Personen. Vielleicht würde es helfen, wenn sich manche Protagonisten der Tatsache erinnerten, dass nicht sie als Person wichtig sind, sondern das große Ganze. Aber als white middle-aged cis-gender-male muss ich bedaurlicherweise sagen, dass viele meiner Altersgenossen (aber auch jüngere/ältere) diesbezüglich noch enormen Selbstreflexions-Nachholbedarf haben. Ach wisst ihr was: drauf gesch****n. Freut euch auf den (F)Rohen ersten Advent. Tschüss.

New Work N°15 – Let’s do this AI-thing…

Ich war heute Morgen in der Stimmung zum Cheaten, also habe ich Chat.GPT 3.5 gefragt worüber ich heute bloggen sollte. Natürlich habe ich das Ganze ein bisschen spezifiziert und den Auftrag auf den Bereich „Kreativität und AI“ eingegrenzt. Ich will euch die Ergebnisse nicht vorenthalten:

Exploring the intersection of AI and the creative process can be a fascinating and engaging topic for a blog post. Here are some specific ideas you might consider:

1) AI in Art and Design:

Discuss how AI is being used in various forms of art, such as visual arts, music, and literature. Explore specific examples and the impact AI has on creativity in these fields.

2) Creative Collaboration with AI:

Explore how artists and creators are collaborating with AI tools to enhance their work. Highlight case studies where AI has played a role in co-creating content with human artists.

3) AI and Writing:

Dive into the ways AI is influencing the writing process. Discuss AI-generated content, writing assistance tools, and the implications of using AI in creative writing.

4) Ethical Considerations:

Address the ethical concerns surrounding the use of AI in the creative process. Discuss issues such as attribution, ownership, and the potential for bias in AI-generated content.

5) AI Tools for Creatives:

Create a list of AI tools that can aid creatives in their work. This could include tools for generating ideas, enhancing designs, or even assisting with the editing process.

6) The Future of Creativity with AI:

Speculate on how AI might continue to shape the future of creativity. Discuss emerging trends and potential advancements in AI technology that could impact the creative process.

7) Challenges and Limitations:

Explore the challenges and limitations of integrating AI into the creative process. Discuss instances where AI may fall short and the ongoing efforts to overcome these obstacles.

8) AI and Innovation:

Discuss how AI is contributing to innovation in various creative industries. Explore how it's enabling new forms of expression and pushing the boundaries of traditional creative disciplines.

Remember to include examples, case studies, and practical insights to make your blog post informative and engaging. Additionally, consider incorporating visuals, such as images or infographics, to enhance the reader's understanding of the concepts you discuss.
Netzwerkblume… 😉

Chat-GPT 3.5 ist das frei verfügbare Tool, für dessen Nutzung man sich lediglich auf Open AIs Webseite registrieren muss, und schon taucht der Eingabeprompt auf. Was mich an den obigen Antwort am meisten fasziniert, ist die Tatsache, dass „Die Maschine“ in ihrer Vorschlagskiste auch, oder vor allem, die bereits kontrovers diskutierten Fragestellungen nicht ausklammert (siehe etwa Punkt 4). Nun sind wir noch eine Weile davon entfernt, dass künstliche Intelligenz ein eigenes Bewusstsein erlangt, aber die Tools, die irgendwann möglicherweise dazu führen werden, sind zum größten Teil bereits vorhabenden (schaut euch mal diese Simulation eines neuralen Netzwerkes an). Irgendwann wird jemand herausfinden, wie dieses sich kombinieren lassen, um den finalen Schritt zu gehen. Die wichtigste Frage, die keiner so recht beantworten kann oder will, ist jedoch: wird dieses neue Bewusstsein den Weg des Prometheus nehmen und uns Menschen als Vordenker und Bringer eines neuen Funken helfen, besser zu werden; oder doch den von Frankensteins Kreatur, die von blindem Streben getrieben anfängt zu töten, um schließlich ihre eigenen Fehler zu erkennen, und sich selbst ein Ende zu setzen. Wenn man so will, hat Mary Shelley diese Frage vor über 200 Jahren in ihrem Buch vorweg genommen. Manchmal lohnt es sich doch, die Klassiker noch mal neu zu lesen…

Ich glaube nicht, dass ich solche Fragen sinnvoll oder umfänglich beantworten kann. Da ich jedoch sowohl im Beruflichen als auch im Privaten ein Geschichtenerzähler bin, reizen mich die Möglichkeiten der aktuell verfügbaren Technik immens; und ich bin dabei bereit, wenigstens ein bisschen mit dem prometheischen Feuer zu spielen, denn die aktuellen Large Language Models – wie eben Chat-GPT – lernen ja durch die Interaktion mit Nutzern dazu. Will heißen, wir sind jetzt im Bereich des Beta-Testes angelangt, wo Nutzer durch die Interaktion das Maschinenlernen beschleunigen und befördern. Über die Frage, ob AI in der Arbeitswelt eine Rolle spielen wird oder nicht, sind wir längst hinaus. Der Geist ist aus der Flasche, die Büchse der Pandora offen – wie wir damit umgehen, wird darüber entscheiden, ob daraus Gutes erwächst, oder eben Unheil. Auch in der Kreativ-Branche, oder besser vor allem dort, wird derzeit heiß diskutiert, was das alles bedeutet; und doch nutzen laut einer Befragung bereits 83% der Beschäftigten auf die eine oder andere Art und Weise AI. Das soll nicht wie Zweck-Fatalismus klingen. Es ist eher eine Feststellung, dass wir Menschen schon immer sehr gut darin waren, neue Techniken zu entwickeln, diese zum Einsatz zu bringen – nicht selten gleich zur Waffe bastardisiert – um uns erst DANACH zu fragen, was wir eigentlich gerade getan haben. Der große Unterschied, etwa zu Oppenheimer und der Bombe ist, dass die Dinge HEUTE im großen Theater der antisozialen Medien und des dauerdurchbrennenden Hechel-Journalismus nicht ernsthaft diskutiert oder durchdacht werden, und trotzdem jeder eine Meinung dazu hat; unabhängig davon, wie gut oder schlecht informiert dieses auch ein mag. Denn Reichweite bekommen Informationen heute viel schneller als früher – allerdings auch die FALSCHEN Infos…

AI verändert bereits jetzt den Modus Operandi vieler Bereiche, ohne, dass wir uns tatsächlich schon die Mühe gemacht hätten, ernsthaft über Technikfolgen-Abschätzung zu reden, oder gar verbindliche Regeln für den Umgang mit den Chancen und Grenzen von AI aufgestellt zu haben. Wie so oft rennen Philosphie und Jurisdiktion der technischen Entwicklung hinterher, weil Ingenieure in blinder Begeisterung „einfach mal machen“. Offenkundig steht Mary Shelleys „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ als Hinweis auf die NOTWENDIGE Reflexion eigenen Tuns, BEVOR man es tut bis heute nicht sonderlich hoch im Kurs. Wie ausgesprochen schade. Vielleicht lege ich meine Hoffnung einfach darein, dass es genug Menschen wie mich gibt, die „Der Maschine“ Empathie beibringen wollen, bevor sie dereinst dann endgültig – und leider nicht vollkommen zu Unrecht – auf uns Menschen losgehen wird. Welcome to SKYNET! Und viel Spaß in der neuen Woche,

VLOG 06 – Oldschool Teacher…?

Habe mich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit mal wieder mit Methoden und Techniken auseinandergesetzt und bin dabei zu der Erkenntnis gelangt, dass Oldschool nicht immer schlecht sein muss, wenn man die IDee mit etwas technichem Einsatz „aufbohrt“ und in ein frisches Gewand kleidet. Wie wär’s heute zur Abwechslung mal mit ein bisschen Overhead-Projektor-Feeling? Enjoy.

Homestudio Productions Indie Edition… 😉

Bienvenue en Provence N°4 – Quoi faire…?

Wenn man so bei Regen im Ferienhaus sitzt, was diese Woche an zwei Tagen der Fall war, hat man Zeit, sich mit seltsamen Dingen zu beschäftigen. Einerseits bedeutet Müßiggang in diesem Falle, ein wenig die guten alten Storyteller-Muskeln zu flexen und sich mal wieder an One-on-One-Pen’n’Paper zu versuchen. Mein Take auf 80s-Mystery-Horror-Action ist ein wenig anders, als in „Stranger Things“ oder „Tales from the Loop“, lässt sich aber ganz gut an. Vielleicht mache ich daraus ’ne Kampagne, wenn ich noch ein paar andere Leute angespielt habe. Man wird sehen. Andererseits habe ich natürlich Blogposts geschrieben, gelesen – und Zeit im Internet verdödelt. In letzter Zeit spült mir Insta häufig irgendwelche Leute in die Timeline, die entweder a) ihre „Coaching-Lehrgänge“ für Leute anpreisen, die schnelles Geld machen wollen b) ihre Online-Plattform für „Coaches“ anpreisen, die schnelles Geld machen wollen oder c) ihr „Coaching“ für Leute anbieten, die – wie könnte es auch anders sein – schnelles Geld machen wollen. Scheint fast so, als wenn die Welt nur noch aus Tradern, Influencern, Coaches und Leuten besteht, die „irgendwas mit Medien“ machen; und es überdies kinderleicht wäre, schnelles Geld zu machen. Allen Leuten, die mit Traden schnelles Geld machen wollen, empfehle ich folgendes Buch „Eine Billion Dollar“ von Andreas Eschbach. Stellt für einen Eschbach erstaunlich gut globale Wirtschafts-Zusammenhänge dar; und erklärt nebenbei, warum unser Reichtum mittelbar auf der Armut des globalen Südens beruht.

Brücken sind in jeder Hinsicht ein Symbol für das Erschließen neuer Wege!

Ich habe das vermutlich auch noch selbst ausgelöst, indem ich mich neulich online über die Möglichkeiten einer Berater-Ausbildung informiert habe. Mir schwebte dabei die Idee eines kurzen Akademie-Studiums mit einem universitäten Zertifkat als Abschluss vor, und nicht der andere Schischi, den man sonst so erwerben kann. Aber, wenn überhaupt, erst in einer größeren Weile. Und jetzt habe ich dauernd diesen Mist in meiner Timeline. Ich habe kein Interesse an schnellem Geld! Ich habe Interesse an nachhaltigem persönlichem Wachstum, und ich möchte mich dabei mit Ideen und Konzepten auseinandersetzen, deren Fokus NICHT auf MONEY, MONEY, MONEY liegt. Ich sehe mich selbst als Ermöglicher, als Trouble-Shooter, als Wege-Aufzeiger, Brückenbauer und ja, auch als Berater. Ich bin Erwachsenen-Pädagoge, da gehören die vorgenannten Dinge, wenn man seinen Job ernst nimmt, automatisch zur Beschreibung. Und doch haben mich diese ganzen Posts zum Nachdenken gebracht. Ich meine – wenn man eine digitale Lernumgebung, die es Leuten ermöglicht, Dinge besser tun zu können für ein, die Subsistenz absicherndes Micropayment abieten könnte, und besonders Benachteiligten über ein Sponsoring Lernen kostenfrei ermöglichen könnte (und ich bin sicher NICHT der erste, der auf solche Ideen kommt), könnten wir Bildung wieder ein Stück weit demokratisieren. Denn genau der Mangel an Bildung und Teilhabe, der durch Armut entsteht ist es, der die Fundamente unserer Demokratie erodiert. Manche Dinge müssen ohne Zweifel Geld kosten, weil es nicht umsonst ist, sie zu produzieren, zu hosten und zu vertreiben. Aber meine Absicht wäre nicht, damit Unsummen Geld zu verdienen, denn ich habe einen guten Job. Aber vielleicht so viel, dass ich den guten Job irgendwann reduzieren und mich anderen wichtigen Fragen widmen kann.

Im Moment wälze ich einfach nur unreife und spinnerte Ideen, aber ganz sicher werde ich mich, wenn ich wieder etwas Zeit und einen Kopf dafür habe, um die Reifung jener eben beschriebenen Konzepte bemühen. Es erscheint mir die Mühe wert, weil es mein Weg sein könnte, der Gesellschaft etwas von dem zurückzugeben, was ich ihr verdanke. Und ich möchte diesen ganzen selbstdarstellernden Menschen auf Insta eines mitgeben: ihr mögt eure Motive hinter vielen wohlklingenden Worten verstecken, die Werte suggerieren; ich kann nur einen einzigen Wert erkennen, der euch wirklich interessiert: euch selbst. Und da gehe ich nicht mit, denn der schnellste Weg, viel für sich selbst zu erreichen, führt immer über den Rücken Anderer; ein Umstand, den ihr immer gerne unterschlagt, wenn ihr von euren „Erfolgen“ berichtet. Lasst uns doch stattdessen die antisozialen Medien zur Abwechslung mal wirklich für etwas soziales nutzen und Bildung demokratisieren, anstatt sie zu monetarisieren. Ich fänd’s gut! Und ihr so…?

Bienvenue en Provence N°3 – Kairos…

Nö, ich habe mich NICHT bei der Haupstadt Ägyptens verschrieben. „Kairos“ ist der griechische Ausdruck für einen günstigen Moment; dieses „genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Idee haben“-Ding, welches im Ergebnis dazu führt, dass z.B. ein Bill Gates stinkreich ist – und ich nicht. Na ja, dieser Vergleich unterschlägt natürlich einige Details, aber der Grundgedanke ist, dass man „das Richtige“ tut, wenn der Moment dafür gereift ist, oder sich eine günstige Gelegenheit aus den Geschehnissen heraus ergibt. In diesem Sinne ist der Kairos also nicht notwendigerweise das Ende einer langwierigen und komplizierten Planung (obwohl das durchaus möglich sein kann), sondern er realisiert sich nicht selten auch darin, die Umstände lesen und geschickt reagieren zu können. Louis Pasteur sagte zwar sinngemäß, dass das Glück mit den gut Vorbereiteten sei, aber auf mache Gelegenheit bereitet dich nichts vor. Manchmal ist es dann der Sprung vom Kopf des Löwen, wenngleich es eher selten um den Beweis von Würdigkeit geht. Wir suchen im Alltag aber auch nur selten den heiligen Gral.

Was ist wichtiger – Hintergrund oder Vordergrund…?

Doch, was ist dieses „Richtige“. Es geht ja hier und jetzt um günstige Gelegenheiten, und nicht etwa um Moral – oder…? Frage ich Adorno, kann es natürlich kein richtiges Leben im Falschen geben – wobei er sich dabei, entgegen der Alltagsverwendung des Zitates zunächst lediglich auf die Ästhetik des Wohnraumes bezog. Die Frankfurter Schule hat sich halt auch mit Fragen des Alltags befasst. Doch im Grunde lässt es sich auch auf die Kant’sche Suche nach der Moral übertragen. Denkt man jedoch Adorno kurz zu einem vorläufigen Ende und fügt ’ne nicht zu knapp bemessene Prise Marx hinzu (Erst kommt das Fressen, dann die Moral), dann wird klar, dass die äußeren Umstände unseres Lebens, also die Art, wie wir unser direktes Lebensumfeld gestalten (wollen würden), eine Reflektion unserer inneren Umstände darstellen. Ich nehme noch eben den Bourdieu für eine Tasse „Notwendigkeits-Geschmack“ aus dem Regal, und schon wissen wir, dass diese Darstellung in aller Regel durch unsere wirtschaftlichen Grenzen (nennt es Klasse, Milieu, Stand, ganz wie euch bleiebt) deformiert wird. Das ist Moralsozialisation in a nutshell: wir sind eine Mischung aus dem, was andere uns vormachen/anbieten, den daraus destillierten individuellen Wünschen und dem, was wir uns tatsächlich leisten können. Denn ohne den ganzen weltlichen Tünnef sind wir alle – zumindest größtenteils – gleich geschaffen…

Moral ist aber eine entscheidende Komponente, wenn es um das Richtige Tun (oder Lassen) im richtigen Moment geht. Den Kairos zu erkennen ist das Eine. Sich „richtig“ zu entscheiden das andere. Denn zum einen überschätzen wir üblichwerweise unsere Fähigkeit zur objektiven Einschätzung von Chancen und Risiken eines gegebenen Sachverhaltes Xn maßlos (lest Daniel Kahneman „Schnelles Denken, langsames Denken“, dann wisst ihr, was ich meine); zum anderen unterstellt allein der Begriff „günstige Gelegenheit“ per Konnotation für die meisten lediglich eine Chance auf wirtschaftlichen Gewinn. Von moralischen Gewinn durch Solidarität, Altruismus, Bedürfnisverzicht, etc. ist da beinahe nie die Rede. Weil so viele von uns gar nicht mehr wissen, was diese Begriffe bedeuten. Ihr wolltet doch noch wissen, warum ich gestern behauptet habe, (zumindest die meisten) Menschen zu hassen. Da habt ihr eure Antwort: weil Menschlichkeit unter Menschen zu oft nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Wenn solche Mitmenschoiden einen Kairos erkennen, ist dieser stets nur mit dem persönlichen Vorankommen verknüpft, selten bis nie jedoch mit einem übergeordneten Wert für die Gesellschaft, deren Teil sie trotzdem immer noch sind; so sehr sie sich auch gegen diese Erkenntnis wehren mögen.

Ob ich selbst wirtschaftlich günstige Gelegenheiten beim Schopfe packe…? Ein paar Mal in meinem Leben tat ich das und ich kann sagen, dass ich mich nicht dafür schäme, weil ich denke, die Vorteile, welche ich daraus ziehen durfte, durch mein Tun für diejenigen, welche sie mir gewährten umfänglich ausgeglichen zu haben. Man kann gewiss immer noch ein bisschen mehr auf die Haben-Seite des eigenen Karma-Kontos einzahlen, aber ich bin diesbezüglich mit mir ziemlich im Reinen. Bedauerlicherweise denken das jene, die eigentlich deutlich in der Karma-Bringschuld sind, vermutlich ebenso…! Man könnte mir nun natürlich einen Wahrnehmungsbias unterstellen, da wir doch alle eine positive Geschichte unseres Seins erzählen wollen. Identitätsbestätigung und so. Aber ich erlaube mir folgende Entgegnung: kehrt erst mal vor eurer eigenen Tür! Danke. Ansonsten versuche ich, auch jene Chancen zu ergreifen, die andere, oder wahlweise eine gute Sache voranzubringen versprechen. Und als Lehrer und Leitungsperson habe ich dazu durchaus Gelegenheit. Mir wäre es aber vor allem wichtig, dass sich andere auch für diese Sicht der Dinge begeistern können. Ihr hättet jetzt die Gelegenheit, euch die Frage zu stellen, ob es für euch – neben euch selbst – noch etwas anderes gibt, was euch wichtig genug ist, nach den richtigen Gelegenheiten Ausschau zu halten und etwas zu tun, wenn sich welche ergeben. Ich würde mich freuen, davon zu hören.

Bienvenue en Provence N°2

Ist es nicht komisch, dass man woanders hinfahren zu müssen glaubt, um sich selbst finden zu können? Ich meine – man sucht seine verlegte Brille, die Haustürschlüssel, die neue Versicherungskarte oder das Einladungsschreiben zum Elternabend ja auch nicht in Südfrankreich, Irland oder sonstwo, sondern in der heimatlichen Hütte. Eine Sicherheit, sein selbst im Weinkeller eines Häuschens in der Provence zu finden gibt es nicht. Die Wahrscheinlichkeit hängt vermutlich proportional vom Konsum ab – je mehr, desto liegend. Geld kosten die Dinge woanders auch. Und Kinder (egal ob Puber-Tier oder die Vorversion davon) geben einem nicht selten das Gefühl, dass man auch genausogut nur hätte bis zum Nachbarort fahren müssen. Es gibt also eine Menge Gründe, die dagegen sprechen, überhaupt in Urlaub zu fahren; fliegen kommt eh nicht in Frage und auf Kreuzfahrt dürfen meinetwegen Piraten gehen. Wenn DIE dabei so eine Aida Schwabladilusa, oder wie diese dämlichen Glitter-Pötte mit eingebauter Kleinstadt voller uniformer Pauschaltouri-Honks nun heißen in die Finger kriegen, trifft’s vermutlich keinen Falschen. Missverstehen Sie mich ruhig richtig – ich finde Kreuzfahrtschiffe und das ganze Drumherum noch hässlicher und entsetzlicher, als irgendwohin zu fliegen. Aber wir waren beim in Urlaub fahren, so wie: mit dem Auto. Ja, das schränkt den Radius ein, schont aber auch das Klima. Doch selbst, wenn man mit dem Auto zu einem sorgsam ausgewählten Selbstversorger-Ferienhäuschen fährt, sind da auf der Straße und an manchen Orten, die man vielleicht besuchen möchte, andere Menschen.

Forteresse St. André – Villeneuve-lès-Avignons

Ich bin nicht nur immer wütend – ich hasse auch Menschen! Die wenigen Ausnahmen, die ich in meiner Existenz dauernd dulde, sind dort entweder, weil ich sie lieben gelernt habe, weil sie irgendwie mit denen verwandt sind, die ich lieben gelernt habe, oder weil die Notwendigkeit des Geldverdienens uns zu Gefährten in diesem Wahnsinn namens Existenz gemacht hat – manchmal auch mehr als eines davon. Andere vorgebliche Mitglieder der Spezies Homo Sapiens sapiens – vulgo Kollegen im weiteren Sinne, Klienten, Schülers, etc. – mit denen ich mehr als nur ein bisschen umgehen muss, bekommen von mir jede Chance, sich dieses Privileg der dauerhaften Duldung zu erarbeiten; doch nicht wenige scheitern, weil sei denken, die Benutzeroberfläche und das Innenleben seien identisch. Menschen, bei denen ich etwa einkaufe, oder andere Dienstleistungen beziehe, kann ich glaubhaft das Gefühl von Nettigkeit und Zugewandtheit vermitteln. Aber andere Touris? Die rangieren bei mir auf einer Stufe mit Putin, Trump, Erdogan – dieses nervtötende, gemeingefährliche Gelichter kann weg. Am besten vor allem weit weg vom Inhalt meines Kamera-Suchers. Denn ich suche mich selbst, und die von mir gewählten Objekte sind Spiegel dessen, womit sich mein Unterbewusstsein gerade auseinandersetzt. Da kann ich Fremde beim besten Willen nicht gebrauchen. Ich hol mir ja auch keine Leute von der Straße, um mit denen Weihnachten zu feiern.

Rückseite des Palais Papale in Avignon

„Ach, er nun wieder mit seinem misanthropen Gelaber!“, höre ich den Chor der Genervten aufbranden. JA, ABER WIE ZUM HENKER SOLL MAN DENN AUF DIESE KACKBRATZEN SONST REAGIEREN? Sie stehen überall im Weg, lassen ihren Schmutz fallen, wo es ihnen beliebt, können kein Schild respektieren, auf dem steht „… hier verboten!“, bzw. interpretieren nämliches Ver-/Gebot als Einladung zu dessen Übertretung, mockieren sich über andere, die sich an nämliche Ver-/Gebote halten – und sie sehen nicht selten zum Kotzen aus. WANN KÖNNEN WIR ENDLICH MIT SOCKEN IN ADILETTEN AUFHÖREN IHR GESTÖRTEN PAPPNASEN? Butter bei die Fisch: ich bin mit meinen T-Shirts, Hosen, Pullis, Jacken, Sneakern in weitestgehend gedeckten Farben sicher keine Fashion-Ikone – aber ich mag Querstreifen, knallige Farben auf allem und jedem, Motto-Hüte/Kappen und vor allem Adiletten nicht tragen, weil’s Scheiße aussieht. Und zwar auch an Fitness-Influencern*innen. Stil ist nicht das Dings unten an der Blume, wisst ihr…? Es läuft auf Folgendes hinaus: es gibt ein paar wenige Menschen, die ich wirklich gern habe – alle anderen könne mich mal gernhaben!

Der Palais Papale von der Festung aus…

Ich bin vermutlich einer von diesen Typen, die sich selbst für eine relativ lange Zeit genug sein können, ohne irgendwas nennenswert zu vermissen. Ich ziehe deswegen sicher nicht in eine Einsiedelei im Wald – dazu habe ich das moderne Stadtleben mit seinen Vorzügen hinsichtlich Ver- und Entsorgung einfach viel zu gern. Und jene, die mir etwas bedeuten möchte ich auch um mich haben – also zumindest zu gewissen Zeiten. Aber dieser ganze andere Gen-Schrott, der sich, nur noch um sich selbst drehend, auf dem Highway ins Verderben immer noch nach besserem Asphalt und der Aufhebung des Speedlimits brüllt… der darf mir gerne so lange wie möglich vom Halse bleiben. Denn gegenwärtig sitze ich in einem solchen, weiter oben erwähnten provenzalischen Häuschen und kann das Interaktionsniveau recht gut regulieren. Es gibt allerdings keinen eigenen Weinkeller, was einen dazu nötigt, beim Händler im Ort einzukaufen. Doch irgendwie macht es mir Spaß, von Tag zu Tag einzukaufen, zu kochen, zu denken, zu plann, zu leben. Ob ich mich selbst dabei (wieder)finde? Einige Befunde – ein erhöhtes zweckfreies Kreativitätsniveau, sowie ein Gefühl von heiterer Gelassenheit, wenn ich meine Ruhe habe – deuten darauf hin. Ob’s so bleibt? Wir werden sehen. Für’s Erste versuche ich die Befürchtung beiseite zu schieben, schon am kommenden Montag wieder hart landen zu müssen. Und bleibe gelassen, auch wenn für morgen Regen angesagt ist; man muss ja, wie bereits festgestellt, nicht dauernd umhergondeln, um Urlaub zu haben. Wir hören uns.