Bürger-Rechte?

Es wurde in den letzten zwei Jahren viel investigiert, gefilmt, kolumniert, glossiert und sonst wie publiziert über den Aufstieg rechts-nationalen Gedankengutes in die Mitte der Gesellschaft. Was man dabei relativ häufig vermissen durfte, war eine Art roter Faden, ein Narrativ, welches tatsächlich benennt, worin die Probleme liegen, wenn jemand sich in diesem „das wird man doch wohl noch sagen“-Gestus hinstellt und sagt: „DIE müssen wieder weg!“? Dass DIE in diesem Fall die große Zahl an Immigranten meint, die sich seit September 2015 in unserem Lande eingefunden haben, ist wohl keiner weiteren Erklärung bedürftig.

Nun ist es tatsächlich so, dass deren Hiersein Fragen aufwirft: können wir alle in unsere Gesellschaft integrieren und falls ja, wie? Hat irgendjemand einen echten Plan dafür entwickelt, oder hat man einfach nur auf Ereignisse reagiert? Wieviel kostet das? Und kostet es die Menschen, die hier schon länger leben etwas? Sind bestimmte Strömungen des Islam noch eine Religion, oder nicht doch schon eine politische Ideologie; und dazu eine, die nach der Auslöschung unserer Art zu leben trachtet? Und schließlich: war es das jetzt, oder wird das immer so weitergehen?

Diese Fragen sind real, sie berühren jeden Menschen hier und sie wurden bislang von der Politik nicht mal im Ansatz beantwortet. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn radikalere Positionen ihren Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben. Aber was ist das eigentlich, Öffentlichkeit? In der wissenschaftlichen Sprache ist es der Raum des freien Diskurses, in dem Mehrheiten für dieses oder jenes ausgehandelt werden. Es ist also der Bereich des Lebens, wo Menschen kommunizierend miteinander zusammenkommen, um Kompromisse darüber zu erzielen, wohin der Kurs einer Gesellschaft im Großen und Ganzen gehen soll. Dem Ideal nach, soll es dabei keine Denkverbote geben, was also auch radikale Positionen ausdrücklich einschließt.

Nun haben wir Deutschen Angst vor dem Kreislauf der Geschichte. Autoritäre Regimes und die Greul zu denen sie fähig sind, haben allerdings die bekannte Historie seit Christi Geburt meistens bestimmt. Demokratie als dominantes Prinzip des Zusammenlebens ist ein relativ neuer Spieler auf dem Feld. Und wir haben wohl Angst, dass er verlieren könnte. Die Reaktion auf das selbstbewusste Auftreten der „neuen Rechten“ fällt daher, wenig überraschend, sehr harsch aus; was es den ganzen Rassisten umso einfacher macht, sich selbst als Opfer eines, Amok laufenden, Staats- und Medienapparates zu stilisieren. So kann man seine Anhänger auch leichter davon überzeugen, dass die etablierten Kräfte allesamt Lügner seien, die nur Angst vor der Wahrheit haben. Tatsächlich die sind diese Neo-Rassisten auch nur alter Wein in neuen Schläuchen, ihre Methoden sind allerdings etwas ausgefeilter.

Das Ringen um Mehrheiten ist ein zutiefst demokratischer Prozess, an dem nun auch die Rechten in größerem Stil teilnehmen und so sehr es uns, auf Grund der geschichtlichen Erfahrung, auch gegen den Strich gehen mag, auf die eingehen zu müssen, anstatt sie die ganze Zeit zu beschimpfen, sie abzukanzeln und als „Pack“ abzuqualifizieren; wir müssen uns endlich mit den Fragen beschäftigen, die sie durch den wachsenden Zulauf nun öffentlich auf`s politische Parkett werfen konnten. Denn wenn wir auf diese, oben genannten Fragen nicht bald sachlich und humanistisch adäquate Antworten finden, anstatt uns in parteipolitisch motivierten Scharmützeln aufzureiben, wird wenig übrigbleiben, worauf sich der Anspruch, noch immer eine Demokratie zu sein, legitimer Weise begründen ließe.

Ich bin weit davon entfernt, mich auf die, mit scharfer Rhetorik vorgetragenen Forderungen der AfD einzulassen, zumal deren Parteiprogramm ein gelegentlich beinahe absurdes Sammelsurium aus ganz und gar gestrigen, rassistischen, wirtschaftsneoliberalen und dann wieder allzu bemüht moderat wirkenden Forderungen ist. Dennoch muss man sich auf der Sachebene mit deren Argumenten auseinandersetzen und Lösungen finden, welche auch die, momentan auf einem radikaleren Kurs befindlichen Teile unserer Gesellschaft wieder integrieren können. Denn man kann es sich nicht leisten, 15-20% unserer Bevölkerung abzuschreiben, nur weil sie mit der gegenwärtigen Politik nicht klarkommen. Dazu muss uns was Besseres einfallen.

Hierzu ist jedoch zuallererst eine verbale Abrüstung im Diskurs notwendig. Ich mag manche neo-nationalistische Position nicht gutheißen, weil zu verstehen glaube, warum ihre Umsetzung zu nichts als Leid führen würde. Meinem Gegenüber aber deswegen sein Menschsein abzusprechen, macht mich, zumindest im kommunikativen Bereich um keinen Deut besser, als die aggressivsten rechten Rhetoriker vom Schlage eines Björn Höcke. Es war schon immer besser miteinander, anstatt übereinander zu reden. Mal schauen, ob das auch alle kapieren. So oder so hören wir uns.

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