Menschen sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Daran ist erst mal nichts Besonderes, wenn man sich die Mühe macht, den Umstand zu beachten, dass dies schon seit Jahrhunderten der Fall ist. Die Illusion von der kulturellen und somit auch sprachlichen Homogenität des, weitgehend künstlichen, Konstruktes Nationalstaat wird natürlich immer wieder gern beschworen, um die guten Untertanen – ähm, pardon Bürger meinte ich natürlich – auf die Notwendigkeit der Einigkeit einzunorden. Die Kreation dieses Zugehörigkeitsgefühls bezüglich des Bodens auf dem man lebt, gerne mal Patriotismus genannt, macht es für die Politik nämlich irgendwie viel leichter, die Menschen, welche innerhalb bestimmter Grenzen leben, von der Richtigkeit des Steuernzahlens und der Beachtung der hierorts gültigen Gesetze zu überzeugen. Ohne diese Akzeptanz gäbe es keinen Staat, denn Munition ist teuer.
Allerdings bleibt aller Nationalstaaterei, aller propagandistischen Volksverdusselung und allen schönen Symbolen zum Trotz in vielen Regionen, nicht nur in unserem Staate, dieses seltsame Gefühl zurück, dass hier künstlich zusammengefügt wurde, was aber verdammt noch mal niemals zusammengehört hat und auch niemals zusammen gehören wird – so wie die Württemberger und die Badener zum Beispiel… die können zwar beide alles außer Hochdeutsch aber zwischen den beiden Idiomen und der je dazugehörenden Denke liegen Welten.
Doch nicht nur räumliche Verschiedenheit zeitigt von Varietäten einer Sprache; wenngleich regionale Idiome, auch gerne Dialekte genannt, eher als eigenständiger Sprachausdruck erkannt und gewürdigt werden, so gibt es doch auch hinsichtlich der Zugehörigkeit zu bestimmten Subkulturen bzw. Altersgruppen verbale Diversitäten, die für mich noch schwerer zu verstehen sind, als wenn meine Mutter Hannoversch Platt snackt. Soziolekte, zu denen zum Beispiel auch die so genannten Jugendsprachen gehören, sind ebenso Ausdruck einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Menschen, damit zugleich Ab- aber auch Eingrenzungsmerkmal und Teil der kulturellen Identität und des jeweiligen Lebensgefühls ihrer Nutzer.
Soweit zur Theorie. Das ein Bayer anders daher redet, als ein Sachse, oder ein Hamburger, oder ein Saarländer, ist ebenso klar wie der Umstand, dass Jugendliche heutzutage ein anderes Sprachgebaren haben, als zu meiner Schulzeit, die eben gerade mal etwas über 20 Jahre zurück liegt. Und trotzdem verstehe ich bei weitem nicht alles, was die sagen… Man musste mir zum Beispiel erklären, was es mit dem Babo und den Chabos auf sich hat. Ich fand’s aufschlussreich, denn es zeigt, wie leicht unterschiedliche kulturelle Einflüsse quasi assimiliert und alsbald adaptiert werden, so Eingang in die Populärkultur finden, womit klarer wird, warum ich Kultur immer als prozessuales Konstrukt bezeichne. Sie ist im Fluss, so wie das Leben, in das sie eingebettet ist, dass in sie eingebettet ist. Klingt kompliziert? Ist aber ganz einfach; na ja, so einfach wie das Leben halt sein kann.
An anderer Stelle wird allerdings auch gerne mal darüber hergezogen, wie diese Jugend heute schon wieder unsere schöne Sprache vergewaltigt. A propos; ist eigentlich letzthin mal jemandem aufgefallen, dass schon die alten griechischen Philosophen sich über den Verfall der Sitten bei der Jugend beklagt haben? Nun ja, manches Gejammer wird anscheinend nie alt. Jedenfalls wird auch heutzutage noch gerne die, überaus faszinierende, Wandlungsfähigkeit unserer Sprache im Gebrauch durch deren jüngere Mitglieder unserer Gesellschaft als diagnostischer Maßstab für den Verfall abendländischer Kultur herangezogen.
Erleben wir also nun die unumkehrbare Verrohung der Sprachsitten? Etwa so, wie Frau Winnemuth diese letzthin mittels ihrer Kolumne im Stern angesprochen hat? Nö – wir erleben Sprache als Spiegel unserer Kultur und damit auch unserer selbst. Und wenn nicht jedem gefällt, was man darin sieht, mag dies daran liegen, dass unsere Kultur, oder besser, deren hör- und sichtbare Produkte gegenwärtig vom neoliberalen Ökonomisierungszwang deformiert werden. Und sie sich gleichsam auf die einzige Art wehrt, die sie gegen die Allmacht des Mammon hat – nämlich sich dessen Duktus anzueignen. Wenn Gier, Gleichgültigkeit und Ellenbogen regieren, wir aber gleichzeitig unsere Idole aus eben jener Parallel-Welt importieren, die diese vollkommen schwachsinnige Art, auf Kosten Anderer auf der Überholspur zu leben dauernd reproduziert, dürfen wir uns nicht wundern, wenn auch die Sprache ein Spiegel jener falschen Vorbilder ist.
Und anstatt sie endlich und endgültig zu demontieren und dahin zu schicken, wo diese Aasgeier nun mal hingehören, nämlich in die Wüste, legalisieren, hofieren und kopieren wir ihr Tun, damit sich dann hinterher in eben den Medien, die diesen Mist mit befördern jemand über die Ergebnisse aufregen kann. Ist Schizophrenie nicht was Tolles? Immerhin sprechen nicht alle die gleiche Sprache, wenn sie etwas Dummes sagen, dann kann man sich wenigstens noch hinter dem Missverstehen verstecken. Au revoir.