Toleranz? Ist aus…!

Ich habe die Schnauze voll! Ich habe sie voll von den ganzen Menschoiden, die schlicht zu dumm, zu ungebildet und zu stur sind, um zu verstehen, dass das Fremde an sich keine Bedrohung darstellt und das die eigene kleine Nische, in der sich einzurichten das ganze menschliche Streben zu bestimmen scheint nichts weiter ist, als eine Momentaufnahme; ein verdammt kurzer Augenblick im Fluss der Zeit, welcher in einem so komplexen und komplizierten Ganzen wie unserer modernen Gesellschaft nach und nach einfach alles verändert. Wenn irgendeiner von diesen oft zitierten Allgemeinblätzen überhaupt Gültigkeit besitzen kann, dann jener, der besagt, dass sich unsere Welt mit zunehmender Geschwindigkeit verändert, weil unsere technischen Kapazitäten so groß sind, dass sie mittlerweile die persönlichen Adaptionsfähigkeiten der meisten Menschen dauernd auf die Probe stellen. Ist schwer sozial zu bleiben, wenn man die Welt nicht mehr kapiert, weil alles an einem vorbei zu fliegen scheint.

Es fällt mir auch zunehmend schwerer, mit irgendeinem, egal wie geringen Maß von Toleranz auf das unbedachte Übernehmen ungeprüfter Fremdmeinungen zu reagieren. Inzwischen fühle ich Allergiesymptome, wann immer ich lesen, sehen oder hören muss, dass irgendjemand einfach irgendeinen Scheiss nachplappert, nur weil ihn ein anderer, vermeintlich Wichtiger, diesen öffentlich abgesondert hat. Besonders tragisch wird es, wenn dieses Nachplappern dann auch noch annähernd ebenso öffentlich passiert. Ja ja, jeder hat ein Recht auf seine eigene Meinung; es wäre allerdings richtig schön, wenn es auch tatsächlich die eigene wäre und nicht irgendein Dreck, den man zum Beispiel im Netz aufgeschnappt hat. Doch für eine eigene Meinung braucht es zwei Dinge: den Willen, sich zu informieren und die Fähigkeit die Informationen auch verarbeiten zu können. Ist schon Scheisse, wenn man so ungebildet ist, dass man eine ziemlich einfache Statistik wie den Migrationsbericht nicht korrekt lesen kann…

Oder aber so arrogant, borniert, scheuklappig und leicht manipulierbar, dass man einfach alles, was einem nicht gefällt in Abrede stellt. Migrationsbericht? Politiker lügen doch eh alle, ich sehe doch immer die ganzen Kopftuchträger! Von 2012? Wir haben 2014, wo ist denn der von 2013, der sieht bestimmt ganz anders aus! Die Linken haben doch eh alles unterwandert, die Gutmenscherei bedroht unsere Identität und unsere Existenz, die Islamisten werden uns überrennen, Lablalaberschwurbelnazischeisse…!

Tja, Leute die Oxymoron für eine neue Waschmittelmarke, die Kolumne in der BILD-Zeitung für die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit halten und mehr Zeit darauf verwenden, sich über Fussball, als über die wirklich wichtigen Themen des Lebens zu informieren, sind ganz offensichtlich die aktuellen Inhaber der Meinungshoheit, denn sie scheinen den weitaus größten Teil der Mitmenschoiden in unserer Republik darzustellen. Und wissen noch nicht einmal woher der Begriff kommt; res publica, öffentliche Sache. Doch um an der öffentlichen Sache teilhaben zu können, bedarf es sinn- und gehaltvoller, auf Verlässlichkeit überprüfter Informationen und des Wissens um den Kontext, um diese auch richtig einordnen zu können.

Die gleichen Leute, die sich zum Beispiel darüber beschweren, das sich niemand für ihre Belange interessiert und dass ja eh immer nur alles schlechter wird, übersehen bei ihrem Gejammer nur allzu gerne, dass die Öffentlichkeit, von der immer die Rede ist, sich unter Anderem aus ihnen selbst zusammensetzt und das ein Gemeinwesen, genau wie eine komplizierte Maschine, nur so gut funktionieren kann, wie seine Einzelteile funktionieren; also bezogen auf die Gesellschaft bereit sind, sich selbst einzubringen und nicht nur ihre Rechte, sondern auch – vor allem – ihre Pflichten wahrzunehmen.

Sich zurück zu lehnen und zu warten, dass ein Anderer die tatsächlichen Probleme benennt und eine Lösung anbietet, ist nicht nur dumm, sondern sogar gefährlich. Denn ein solcher Anderer verfolgt immer, analog der ebenfalls immer wieder gerne zitierten menschlichen Natur, zuallererst seine eigenen Ziele. Und selbst wenn es sich um ein altes, fortwährendes Problem handelt, sollte man sich nicht auf den verlassen, der am lautesten schreit – zum Beispiel einen hinterfotzigen bajuwarischen Problembären mit Hang zu Polemik – sondern sich von verschiedenen Seiten anschauen, was es zu der Sache zu wissen gibt. Wobei etwas, dass zunächst wie ein Problem aussieht bei weitem nicht immer auch wirklich eines ist.

Das mit dem Ansehen von verschiedenen Seiten ist das Hauptproblem, denn es erfordert nicht nur Intellekt, sondern vor allem Toleranz, sich auf andere Standpunkte einzulassen; und sei es nur um eines besseren Gesamtbildes wegen. Nachdem diese Feststellung endlich getroffen ist, bleibt mir nur noch eines zu sagen: nämlich das meine Toleranz für Toleranzmangel auch dem Ende zugeht. Für heute habe ich fertig, nun geht schon endlich auf die Couch und glotzt Sport…

Bab(bel)ylonien ist überall

Menschen sprechen, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Daran ist erst mal nichts Besonderes, wenn man sich die Mühe macht, den Umstand zu beachten, dass dies schon seit Jahrhunderten der Fall ist. Die Illusion von der kulturellen und somit auch sprachlichen Homogenität des, weitgehend künstlichen, Konstruktes Nationalstaat wird natürlich immer wieder gern beschworen, um die guten Untertanen – ähm, pardon Bürger meinte ich natürlich – auf die Notwendigkeit der Einigkeit einzunorden. Die Kreation dieses Zugehörigkeitsgefühls bezüglich des Bodens auf dem man lebt, gerne mal Patriotismus genannt, macht es für die Politik nämlich irgendwie viel leichter, die Menschen, welche innerhalb bestimmter Grenzen leben, von der Richtigkeit des Steuernzahlens und der Beachtung der hierorts gültigen Gesetze zu überzeugen. Ohne diese Akzeptanz gäbe es keinen Staat, denn Munition ist teuer.

Allerdings bleibt aller Nationalstaaterei, aller propagandistischen Volksverdusselung und allen schönen Symbolen zum Trotz in vielen Regionen, nicht nur in unserem Staate, dieses seltsame Gefühl zurück, dass hier künstlich zusammengefügt wurde, was aber verdammt noch mal niemals zusammengehört hat und auch niemals zusammen gehören wird – so wie die Württemberger und die Badener zum Beispiel… die können zwar beide alles außer Hochdeutsch aber zwischen den beiden Idiomen und der je dazugehörenden Denke liegen Welten.

Doch nicht nur räumliche Verschiedenheit zeitigt von Varietäten einer Sprache; wenngleich regionale Idiome, auch gerne Dialekte genannt, eher als eigenständiger Sprachausdruck erkannt und gewürdigt werden, so gibt es doch auch hinsichtlich der Zugehörigkeit zu bestimmten Subkulturen bzw. Altersgruppen verbale Diversitäten, die für mich noch schwerer zu verstehen sind, als wenn meine Mutter Hannoversch Platt snackt. Soziolekte, zu denen zum Beispiel auch die so genannten Jugendsprachen gehören, sind ebenso Ausdruck einer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe von Menschen, damit zugleich Ab- aber auch Eingrenzungsmerkmal und Teil der kulturellen Identität und des jeweiligen Lebensgefühls ihrer Nutzer.

Soweit zur Theorie. Das ein Bayer anders daher redet, als ein Sachse, oder ein Hamburger, oder ein Saarländer, ist ebenso klar wie der Umstand, dass Jugendliche heutzutage ein anderes Sprachgebaren haben, als zu meiner Schulzeit, die eben gerade mal etwas über 20 Jahre zurück liegt. Und trotzdem verstehe ich bei weitem nicht alles, was die sagen… Man musste mir zum Beispiel erklären, was es mit dem Babo und den Chabos auf sich hat. Ich fand’s aufschlussreich, denn es zeigt, wie leicht unterschiedliche kulturelle Einflüsse quasi assimiliert und alsbald adaptiert werden, so Eingang in die Populärkultur finden, womit klarer wird, warum ich Kultur immer als prozessuales Konstrukt bezeichne. Sie ist im Fluss, so wie das Leben, in das sie eingebettet ist, dass in sie eingebettet ist. Klingt kompliziert? Ist aber ganz einfach; na ja, so einfach wie das Leben halt sein kann.

An anderer Stelle wird allerdings auch gerne mal darüber hergezogen, wie diese Jugend heute schon wieder unsere schöne Sprache vergewaltigt. A propos; ist eigentlich letzthin mal jemandem aufgefallen, dass schon die alten griechischen Philosophen sich über den Verfall der Sitten bei der Jugend beklagt haben? Nun ja, manches Gejammer wird anscheinend nie alt. Jedenfalls wird auch heutzutage noch gerne die, überaus faszinierende, Wandlungsfähigkeit unserer Sprache im Gebrauch durch deren jüngere Mitglieder unserer Gesellschaft als diagnostischer Maßstab für den Verfall abendländischer Kultur herangezogen.

Erleben wir also nun die unumkehrbare Verrohung der Sprachsitten? Etwa so, wie Frau Winnemuth diese letzthin mittels ihrer Kolumne im Stern angesprochen hat? Nö – wir erleben Sprache als Spiegel unserer Kultur und damit auch unserer selbst. Und wenn nicht jedem gefällt, was man darin sieht, mag dies daran liegen, dass unsere Kultur, oder besser, deren hör- und sichtbare Produkte gegenwärtig vom neoliberalen Ökonomisierungszwang deformiert werden. Und sie sich gleichsam auf die einzige Art wehrt, die sie gegen die Allmacht des Mammon hat – nämlich sich dessen Duktus anzueignen. Wenn Gier, Gleichgültigkeit und Ellenbogen regieren, wir aber gleichzeitig unsere Idole aus eben jener Parallel-Welt importieren, die diese vollkommen schwachsinnige Art, auf Kosten Anderer auf der Überholspur zu leben dauernd reproduziert, dürfen wir uns nicht wundern, wenn auch die Sprache ein Spiegel jener falschen Vorbilder ist.

Und anstatt sie endlich und endgültig zu demontieren und dahin zu schicken, wo diese Aasgeier nun mal hingehören, nämlich in die Wüste, legalisieren, hofieren und kopieren wir ihr Tun, damit sich dann hinterher in eben den Medien, die diesen Mist mit befördern jemand über die Ergebnisse aufregen kann. Ist Schizophrenie nicht was Tolles? Immerhin sprechen nicht alle die gleiche Sprache, wenn sie etwas Dummes sagen, dann kann man sich wenigstens noch hinter dem Missverstehen verstecken. Au revoir.

Plan X – Rollenspiel für Dummies #5

Ich könnte mich wegschmeißen, wenn ich meinen Spielgruppen beim Pläne schmieden zugucken darf. Da wird Stunde um Stunde lamentiert, das Für und Wieder dieses oder jenes Vorgehens erwogen. Man versucht auf Teufel komm raus, Szenarien im Vorfeld zu simulieren – oder etwas zu tun, dass dem nahe kommen soll; nämlich sie im Geiste durchzuspielen. Da lach ich mich kaputt, denn genau darauf kommt es doch an: das Durchspielen. Oder etwa nicht, heißt ja immerhin Rollenspiel?

Tatsächlich theoretisieren da eigentlich ja nicht die Spieler, sondern deren Charaktere, die sich ausmalen, was passieren KÖNNTE, wenn sie Aktion A umsetzen, oder lieber doch Aktion B… oder vielleicht doch eher Aktion C? Also quasi ein Traum in einem Traum. Klingt zu sehr nach “Inception”? Kann sein, aber genau das passiert am Spieltisch andauernd. Die Gruppe baut sich ein Szenario zusammen, wie sie eine – erwartete! – kritische Situation zu meistern gedenkt, was selten ohne Gezänk, viele “ABERS” und einen Zeitaufwand von statten geht, der so manchen Projektmanager blass um die Nase werden ließe. Schaffen sie es irgendwann wieder Erwarten auch wirklich, ans Werk zu gehen, passiert meist Folgendes: der minutiös durchgerechnete Plan erleidet Schiffbruch, bevor die Sache so richtig losgeht.

Warum, wird Mancher jetzt fragen? Es gibt drei Hauptgründe. Erstens, einer der Spieler verkackt eine wichtige Fertigkeitsprobe, was dazu führt, dass eine Kaskade von Ereignissen, die eigentlich essentiell wäre, nicht in Gang kommt. Z.B. schafft der Hacker es eventuell nicht, dem Striketeam die Hintertür zum Quartier des Feindes öffnen. Da stehen sie nun in aller Pracht und müssen improvisieren. Zweitens, haben sie vielleicht doch nicht alle Eventualitäten bedacht, oder stellen sich schon mit den Details in ihrem Plan so dämlich an, dass man es einfach nicht laufen lassen kann, weil ein Erfolg nach den inhärenten Regeln des Settings schlicht unglaubwürdig wäre. Drittens, und das hat etwas mit der Notwendigkeit von Dramaturgie zu tun, muss der Spielleiter vielleicht einen Erfolg an diesem Punkt um der Gesamthandlung Willen sabotieren. Das klingt jetzt sicher nach Unfairness, kann aber in seltenen Fällen notwendig werden. Ich habe das bislang vielleicht maximal drei Mal gemacht und hatte jedes mal ein ungutes Gefühl dabei, aber es kommt vor.

Es gibt mit Sicherheit noch weitere Gründe, die ich vergessen habe, bzw. Kombinationen aus den Vorgenannten, die jedoch in der Regel allesamt zum selben Ergebnis führen: dem Einsatz von Plan X! Es ist ja nicht so, dass man sich einen solchen allerletzten Reserveplan tatsächlich zurecht legt. Da passiert mehr ein Impro-Happening, das einem Tanz ähnelt; wirft die Gruppe ALLES in die Wagschale und wagt Stunts, die eigentlich undenkbar sind, mit anderen Worten, wird sie in ihren Aktionen unvorhersagbar, steigen die Chancen auf einen Erfolg rapide. Es heißt zwar immer “erwarte das Unerwartete”, aber meine Erfahrung lautet, dass man gar nicht alles erwarten kann, was den Spielern in solchen Momenten gerade einfällt. Nicht selten habe ich bei solchen Gelegenheiten meine Kinnlade auf dem Boden wieder gefunden. Zumindest bildlich gesprochen.
Weder der Spielleiter, noch die Spieler haben üblicherweise einen Supercomputer für Simulationen zur Verfügung, noch hat man die Zeit oder Lust, alle Parameter genau zu analysieren und zu operationalisieren. Das ist hier aber auch kein wissenschaftliches Projekt, sondern Rollenspiel – auch wenn man sich in manchen Foren so benimmt, als bräuchte man tatsächlich wissenschaftliche Methoden, um es “richtig” spielen zu können. (Kleine Anmerkung: Ich hoffe man merkt, das ich Rollenspieltheoretiker nicht besonders gut leiden kann!)

Dies führt dazu, das Pläne schmieden, auch wenn es den meisten Spielrunden offensichtlich genau soviel Spaß macht, wie Einkaufsorgien beim örtlichen Waffenhändler, zumeist auch genau so nutzlos ist. Denn kaufen sich die Charaktere dickere Wummen, dürfen sie automatisch damit rechnen, dass ihre Gegner über ungefähr kongruente Bewaffnung und Panzerung verfügen. Das ist ebenso ein stets gültiges Rollenspielnaturgesetz, wie die Fehleranfälligkeit von Schlachtplänen. Da gibt es übrigens interessante Analogien zur echten Welt.

Ich als Spieler versuche mittlerweile, nicht mehr so viel vorplanen zu wollen wie früher, weil die Nutzlosigkeit für mich in verschwendeter Spielzeit gegen gerechnet wird. Da mach ich lieber Charakterspiel – also die sozialen Interaktionen innerhalb der Gruppe und mit den Schlüssel-NSCs. Allerdings ist es dann und wann schwer, sich den Diskussionen am Spieltisch zu entziehen, insbesondere, wenn man meint, festgestellt zu haben, dass sich die Anderen gerade in was verrannt haben. Aber wir machen alle Fehler; dann kommt der gute, alte Plan X zum Zuge! Und ich alte Rampensau darf mal wieder alles rauslassen, weil wir da nicht anders rauskommen werden. YEEHAA! In diesem Sinne – always game on.

Lustig oder was?

Schreiben um des Schreibens Willen? Tue ich das wirklich, oder habe ich vielleicht doch eher ein gewisses Sendungsbewusstsein, wünsche ich mir nicht im tiefsten Grunde meines Herzens, dass meine Artikel etwas mehr Beachtung finden? Ja, natürlich, verdammtnocheins! Ich wäre ein unredlicher Mistkerl, ein echter Hoeness, wenn ich das nicht zugeben könnte. Ich blogge vor allem aus einem Grund – nämlich der ehrlichen Hoffnung, wenigstens ab und zu den Einen oder Anderen etwas zum Nachdenken anzuregen. Leser oder Zuhörer, so denn mal nennenswerte Zahlen zu Stande kämen, von meinen Standpunkten zu überzeugen, wäre schon viel zu viel verlangt, will ich mir doch nicht anmaßen, so etwas wie intellektuelle Autorität zu besitzen.

Aber hier und da vielleicht ein wenig mehr Meinungspluralismus, ein bisschen Kritik an den Zuständen, ein Quäntchen Engagement, also alles in allem eine Prise mehr Demokratie in Herz und Geist zu säen…; das wäre mir einiges wert. Und dass ich das so sehe, sagt einiges über meine Sicht auf unseren Staat und seine gegenwärtige Politikkultur aus – sofern man bei diesem dilletantisch gefügten Quilt aus neokorporatistischer Einflussnahme, eklatanter Missachtung des Gemeinwohls und wenig durchdachtem Populismus überhaupt von so etwas sprechen kann.

Ich habe letzthin festgestellt, dass das Kabarett in unserem Land entweder in’s wenig gehaltvolle Lamentieren über die, mehr oder weniger lustigen, bzw. leicht ausschlachtbaren Petitessen des Alltags abdriftet, oder aber die Protagonisten, die der Politik als verbalem Kampfgebiet treu geblieben sind, mit jedem Mal ein wenig bitterer zu werden scheinen – ganz so, als wenn Resignation Einzug halten würde, ob der nicht unerheblichen geistigen Unbeweglichkeit vieler Mitmenschoiden. Übrigens auch solcher in den heiß geliebten Entscheiderpositionen.

Ist es wirklich so, dass da lauter Masochisten im Publikum sitzen, die aus Angst vor Veränderung immer wieder das Gleiche wählen und dann bei wem auch immer in den Rängen sitzen, um – gequält? – darüber zu lachen, dass sie nun als die Idioten beschimpft werden, welche den Kraft Wahl zu Entscheidungen befugten Idioten ins Amt geholfen haben? Wenn das wirklich so wäre, käme es dann sogar schon auf kurze Sicht nicht insgesamt billiger, das höchstwahrscheinlich sowieso von gewaltigen logischen Inkongruenzen geprägte Sammelsurium der eigenen Standpunkte mal zu überdenken? Denn die meisten Leute bedienen sich ja anscheinend in den Medien meistens an den vorgefertigten Meinungen, als wäre Grabbeltischdonnerstag für Kinderklamotten bei Aldi. Vollkommen unabhängig vom Sachverhalt oder etwaig doch vorhandenen politischen Überzeugungen.

Man kann mit einem lachenden Auge darüber trauern, dass alles den Bach runter geht. Ist einfach, ungefähr so teuer wie eine Karte für’s Kabarett; oder wahlweise vielleicht eher der Strom für den Fernseher, spart einem das selber Denken und lässt das wohlige Gefühl zurück, nicht im Mainstream zu schwimmen, weil man dem klugen Mann da auf der Bühne ja eigentlich aus vollem Herzen beipflichtet. Schade nur, dass man dies ohne jegliche Konsequenz tut! Und dabei auch noch übersieht, dass es zumeist ein Mainstream-Medium ist, welches diese Sendung transportiert. Man darf sich dann damit trösten, dass dies bei den Öffentlich-Rechtlichen am expliziten Auftrag der Beförderung der Demokratie durch kulturellen und informativen Pluralismus liegt. Wenigstens diesbezüglich ist die GEZ zu irgendwas Nutze.

Vielleicht hilft es dem Zuhörer, auf jeden Fall aber mir, wenn man meine Wortbeiträge als eine etwas andere Form von politischem Kabarett betrachtet. Auch ich werde mit der Zeit bitterer, aber das liegt einfach an mit dem Lebensalter wachsender Erfahrung. Wenn ich also dann und wann so richtig böse werde, jammert mich nicht voll, sondern schaut in den Spiegel. Das liegt nämlich daran, dass immer noch zu wenig von euch da draußen denken, bevor sie handeln oder reden. Zu wenig konsequent sind, wenn sie es mal schaffen, sich von der Couch zu erheben und zu oft dumm nachplappern, was Andere ihnen vorgekaut haben. Ja ich rede von euch! Nehmt’s euch doch endlich mal zu Herzen! Bis die Tage wieder…

I WANT YOU! – snipets of conversation issue #0

Es ist an der Zeit, die Dinge auf ein neues Level zu bringen, wie der Spieler sagen würde. Darum beginne ich das neue Jahr, neben einem einzigen guten Vorsatz, den ich euch allerdings nicht verraten werde, mit einer neuen Kategorie für dieses Blog: ich möchte in Zukunft Interviews führen, unter dem Titel “Snipets of conversation”.

Der Plan ist, Leute zu finden, die sich ca. eine Stunde Zeit nehmen wollen, sich mit mir in mein Arbeitszimmer zu setzen, um über ein, zwei Fragen zu parlieren und ein bisschen von sich, ihrem Lebensweg und ihrer Sicht auf die Dinge zu erzählen – welche auch immer dem- bzw. derjenigen dann gerade einfallen wollen. Das Gespräch soll aufgezeichnet und als Podcast mit ‘nem Einzeiler zum jeweiligen Gast und dem Hauptthema auf dieser Seite zur Verfügung gestellt werden. Als Prämie gibt es für jeden meiner Interviewpartner Kaffee und Kuchen (wahlweise auch eine andere Verköstigung) oder ein Buch aus dem Programm des Faerie’s Inkpot Verlages, dessen Mitbegründer ich nebenbei auch noch bin.

Wohin dieser Zug fährt, weiß ich wahrscheinlich erst nach den ersten Gesprächen, aber die Idee dahinter ist eigentlich, die Tradition der Oral History, der erzählten Geschichte fortzusetzen. Dazu ist es beileibe nicht notwendig, ein großer Erzähler, oder ein wichtiger Mensch zu sein, da die historische Wissenschaft all zu oft ihren Blick auf herausragende Ereignisse und Personen verengt und dabei das Gesamtbild einer Gesellschaft vernachlässigt hat. Jeder hat eine Geschichte; das ist eine Binsenweisheit und sicher wird so mancher jetzt sagen wollen, dass bei weitem nicht jede Geschichte es wert ist, erzählt zu werden. Doch wer will sich das Recht heraus nehmen, zu entscheiden, welche Geschichten “unwert” sind? So eine Ideologie hatten wir schon mal und wo DAS hingeführt hat, dürfte hinlänglich bekannt sein…

Diese Worte sollen also als Aufruf verstanden sein, sich mit mir in Verbindung zu setzen, um wenigstens mal drüber zu sprechen. Dann werden wir schon sehen, ob sich jemand bereit findet, bei meiner Idee mitzumachen. Ich würde mich freuen, mal was von den Besuchern meiner Seite zu hören! Einstweilen noch eine schöne Woche.

Ich will!

Es ist ziemlich egal, ob ich aus biochemischer Perspektive tatsächlich einen freien Willen habe, oder nicht! Wenn es denn wirklich nur chemische Reaktionen in meinem Gehirn sind, die mir das Bewusstsein vorgaukeln, ein Individuum zu sein, muss man dennoch schon ein über die Maßen überzeugter Fatalist sein, um darin nicht eine recht ironische Laune der Natur erkennen zu können.

Der bekannte Schriftsteller Rolf Dobelli schreibt jede Woche für den Stern eine Art Kolumne; er stellt hierzu Fragen rings um ein Stichwort auf, die dann jeder schön für sich selbst beantworten darf, wobei ein gewisser Selbstentlarvungsfaktor gelegentlich nicht zu verleugnen ist – weder beim Autor noch beim Leser, wenn er denn wagt, ehrlich mit sich zu sein. Eine der Fragen der dieswöchigen Ausgabe drehte sich um den freien Willen, oder besser gesagt, dessen Existenz. Und wie ich oben schon sagte: es ist vollkommen Wurst, ob hier Biochemie ihren Ausdruck findet, oder eine höhere Entität, die uns mit einem Bewusstsein beseelt hat, oder gar die einzig denkbare Form von wahrer Freiheit – eben unsere ureigenen Gedanken.

Wenn man sich die mannigfaltigen Darreichungsformen von Menschen und ihren cerebralen Absonderungen mal anschaut, stellt man fest, dass das Gehirn offensichtlich immer noch eine Black Box für uns ist. Immerhin in dieser Frage haben die Behavioristen bis heute Recht behalten, wir haben nur sehr unzulänglich Zugriff auf das, was darinnen passiert. Das mit dem Konditionieren von Verhalten bleibt dennoch – Gott sei Dank – bis heute autokratistisches Wunschdenken. Allerdings bedeuten diese Feststellungen im Zusammenspiel, das wir nicht in der Lage sind, Ergebnisse bestimmter sozialer Situationen oder Gesamtlagen mit wenigstens annähernder Präzision vorher zu sagen. Rückfällige Sexualstraftäter, Massenpaniken, Amokläufe und viele Andere unvorhergesehen eingetretene Ereignisse sind beredte Zeugen meiner Theorie.

Der Rest ist – vielleicht nicht ganz – simple Mathematik; auch wenn mein Gehirn einfach nur ein biochemischer Computer ist, den wir überdies noch nicht einmal besonders gut kennen, dessen wahre Funktionsweise uns bis heute verborgen ist, so verfügt er anscheinend über so viele Stellgrößen, dass es unmöglich ist, alle Parameter zu überblicken. Weder für mich selbst, noch für jemand anders oder gar eine Maschine, die von irgend jemand anders konstruiert wurde. Damit bin ich unvorhersehbar und somit auch unvorhersagbar. Viel näher kommt man an den Ausdruck von freiem Willen wohl nicht heran, was es vollkommen gleichgültig erscheinen lässt, wie dieser zu Stande kommt.

Es ist übrigens auch eine Absage an die Deterministen, die behaupten, unsere Entscheidungen seien alle von der Chemie diktiert. Eine Maschine, die so kompliziert ist, dass sie oft genug selbst nicht weiß, was sie will, produziert keine vorhersagbaren Ergebnisse. Wer sich mit Statistik ein bisschen auskennt, weiß das menschliches Verhalten, so es in den vielen Ähnlichkeiten von Entscheidungen in so genannten standardisierten Situationen auch Häufungen geben mag, diese weniger klassischen Glockenkurven als vielmehr den Powerlaws entsprechen. Oder anders gesagt, nicht das Gewöhnliche, sondern das Ungewöhnliche ist oft die Regel.

Umso weniger ungewöhnlich erscheint dann meine Feststellung, dass ich der Meinung bin, dass es tatsächlich ICH bin, der will, wenn ich will; egal was, warum oder wann. Und wenn sich entgegen meinen eben dargelegten Gedankengängen freier Wille irgendwann doch als Illusion heraus stellen sollte, werde ich sagen – ICH habe meine Illusion genutzt, ausgekostet, erlitten, verflucht und so manches mehr, aber ich hätte sie nicht hergeben wollen! Schönen Tag noch.

Altes Jahr rum – trotzdem dumm?

Die Gedanken fliegen kreuz und manchmal auch quer.
Sich so recht verdichten wollen sie grad’ nicht sehr.
Normal zu schreiben, das geht erst mal nicht,
darum gibt’s heute statt Prosa ein kleines Gedicht!

“Spott zum Gruße”, meist mein Motto zum Tage,
heute steht sein Sinn ganz prächtig in Frage.
Gab dies Jahr über so Einiges zu Protokoll
wollte manches Ding gerne mal kolportieren
denn um’s Denken steht’s hierorts nicht ganz so toll
also schlug ich verbal auch gern in die Nieren.
Einfach mal zu sehen ob’s wohl irgendwen kratzt,
wenn man nicht der Herde dem Munde nach schwatzt.

Doch Schmach und Weh, ich wurd’ schnell gewahr,
subjektiv, objektiv, ist doch eigentlich nur Schall,
wenn sie denn schwätzen, ohne Hirn aber mit Knall!
“Muss man doch sagen dürfen, ist doch auch wahr!”
Wahr ist so Manches, das darf man sicher sagen.
Passt’s aber einen so ganz und gar nicht in den Kram,
wird verbal er sich prügeln, so ganz ohne Scham.
Hat doch immer Recht, muss doch niemanden fragen!

So dachte ich mir, meine Worte trügen was dazu bei,
sich frei zu machen vom lausigen Info-Einerlei.
Regten an, nicht rechts, nicht links, nein quer zu denken
Aufzustehen gegen jene, die unsichtbar lenken.
Doch muss ich nun sagen, ich habe zuviel gehofft.
In der eigenen Meinung eingerichtet, wie in einem Knast,
man leider nur sehr schwer andere Aspekte erfasst.
So verhallten meine Worte unnütz – viel zu oft.

Doch Klagen und Jammern, das bringt es nicht,
denn zu Denken und zu Lehren, das ist mir Pflicht.
So komm ich, wie dieses Jahr, langsam zum Ende
und hoffe, wie wohl Alle, auf eine Wende.
Ich glaub’ nicht an Vorsätze, egal auch wie gut.
Ich glaub an mein Hirn und auch an meine Wut.
Sie ist mir viel lieber, wie sie so lodert und glüht,
denn ein unruhiger Geist sich stets selber bemüht,
auszuknobeln, was ihm wohl noch blüht…

In diesem Sinne ein gutes Jahr 2014 für alle, die’s interessiert.

Zum Medienecho der Polizeiarbeit in Hamburg

Ich hatte mich neulich hier dahin gehend geäußert, dass mehr Pluralismus zu mehr Demokratie führen würde. Ich war in dem Kontext davon ausgegangen, dass Menschen vernünftig genug sind, mit Informationen abseits des Mainstreams klarzukommen. Das sie schon in der Lage wären, auch heikle Situationen mit einer gewissen emotionalen Distanz zu betrachten und Aspekte zu erwägen, die nicht sofort augenfällig sind. Tja, ich habe mich mal wieder geirrt.

Es geht um diesen Artikel http://www.n-tv.de/politik/politik_kommentare/Was-alles-nicht-gesagt-wird-article11969856.html und den polemischen Scheiß, den so mancher dazu abgesondert hat. Ich finde es ernüchternd, dass man sich nicht die Zeit nimmt, kurz darüber nachzudenken, dass es eventuell möglich wäre, dass auf beiden Seiten Fehler gemacht wurden.

Dass so genannte Autonome, gerne als “der schwarze Block” bezeichnet, jede sich bietende Gelegenheit wahrnehmen, ihr verdrehtes Verständnis von zivilem Ungehorsam auszuleben – vulgo: sinnlos randalierend und zerstörend durch Leben und Eigentum Unbeteiligter zu marodieren, ohne Rücksicht auf deren Gesinnung und/oder Engagement – dürfte wohl ziemlich klar sein. Auch mir fällt es sehr schwer, darin irgendeine, sinnvolle politische Meinungsäußerung zu entdecken. Diese Menschen sind für mich nicht mehr als Hooligans, die sich gerne als Opfer des brutalen Staates inszenieren. Wir könnten ein paar von denen nach Thailand, in die Ukraine oder sonst wohin exportieren, damit sie dort Erfahrung mit Polizeibrutalität sammeln können. Würde der “Bewegung” sicher gut tun.

Allerdings ist auch mir die Berichterstattung zu einseitig. Jeder halbwegs denkfähige Mensch weiß, dass es andere Menschen gibt, die Böse sind; also borniert, engstirnig, gewaltbereit, allem Unbekannten gegenüber feindselig und mit einer Gesinnung gesegnet, die aus demokratischen Erwägungen heraus als fragwürdig bezeichnet werden muss. Jeder kennt solche Menschen und jedem sollte eigentlich bewusst sein, dass es solche Menschen folglich auch in jedem Beruf gibt. Ich hatte und habe Kollegen, die so sind und ich durfte auch schon Polizisten kennen lernen, die so sind; zumindest haben sie so agiert, dass man das annehmen musste. Und genau deshalb halte ich die These von einer unnötig frühen Eskalation für denkbar. Würde man das Zünden von Bengalos immer mit Wasserwerfern unterbinden, könnte man mit der Übertragung von Fußballspielen hierzulande wohl nicht mehr all zuviel Geld verdienen, weil kaum eines zu Ende käme…

Ich weiß, aus eigener Anschauung, dass die verbale, psychische und physische Gewalt gegen Polizisten im Einsatzdienst mittlerweile ein kaum mehr erträgliches MAß angenommen hat und das viele Kollegen in Blau darum mittlerweile einen instinktiven Beißreflex gegen die öffentliche Kritik an ihrer Arbeit entwickelt haben. Zu oft sind sie die Prügelknaben der Nation. Dennoch ist es essentieller Bestandteil vitaler demokratischer Prozesse, seine Meinung äußern zu dürfen, auch wenn sie quer zur “öffentlichen Meinung” steht – was auch immer das sein mag, in einer Welt, in der eben dieser Mainstream-Konsens von Lobbyisten hergestellt wird. Und deshalb finde ich es ehrlich armselig, wenn man einen Journalisten, der sich traut, eine konträre Position einzunehmen, um eben gerade zum Nachdenken anzuregen quasi televerbal bedroht. Denn seine Position hat nichts damit zu tun, dass die Polizei schlecht und böse wäre, sondern damit, dass anscheinend Teile der in Hamburg eingesetzten Polizisten – aus welchen Motiven heraus dies auch geschehen sein mag – falsch reagiert und damit die Eskalation befeuert haben. Wer damit nicht klar kommt, sollte bitte noch mal Im Grundgesetz die Artikel 5 und 8 lesen und darüber nachdenken, warum unsere Verfassung diese enthält.

Was mich betrifft: ich halte die unabhängigen Schilderungen der Vorgänge, welche im Netz an verschiedenen Stellen zu finden sind, für höchst plausibel und denke, dass man in Hamburg von Polizeiseite einsatztaktische Fehler begangen hat, die der von vornherein gewaltbereite Teil der Demonstranten als willkommene Aufforderung zum Tumult genutzt hat. Die Verletzten und den Sachschaden macht das nicht weniger bedauernswert, aber es zeichnet eben ein anderes Bild. Zu der Frage, ob die Polizei sich tatsächlich als politischer Akteur verhält, mache ich mir demnächst weiterführende Gedanken, einstweilen ruhige Feiertage, die zum Nachdenken anregen, sofern der Bauch nicht schon zu voll ist…

Neues vom Märchenonkel – Rollenspiel für Dummies #4

Wenn ich von Rollenspiel spreche, denken nicht wenige Leute zuerst an kostümierte Nerds, die sich im Wald mit fast ein bisschen echt aussehenden Waffen bekriegen – die übrigens vor allem aus Schaumstoff und Latex bestehen – komisches Zeltlager spielen und alle so ähnlich wie Yoda sprechen. Oder aber, sie haben schwüle Fantasien von dem, was in der Domina Dungeon passiert im Kopf; nun ja, manches davon passiert wohl auch in als eher bieder angesehenen teutonischen Schlafzimmern landauf, landab. Oder vielleicht erinnern sie sich, meist mit dezentem Grauen, an das letzte Kommunikations- oder Teamtraining im Betrieb.

Tatsächlich finden sich Elemente des Rollenspiels in vielen alltäglichen Situationen wieder; und vice versa. Denn natürlich entlehnt sich das Agieren der Charaktere, also unserer virtuellen Persönlichkeiten seine Handlungsfiguren aus dem, was wir aus unserem normalen Leben kennen. Zwar finden hier gewisse Transponierungen und Spekulationen statt, denn ich selbst stand noch nie einem wütenden Dämon gegenüber, aber hey, ICH hätte zumindest eine Idee, was zu tun wäre, wenn… Nun gut, das ist zwar ziemlich unwahrscheinlich, aber letzten Endes bedeutet es vor allem eines: nämlich dass ich, genau wie im Hier und Jetzt, regelmäßig Entscheidungen treffen muss. Und zwar kritische Entscheidungen, von denen Wohl und Wehe meines virtuellen Alter Egos abhängt. Man könnte jetzt sagen, es ist doch bloß ein Spiel, aber wenn man ein bisschen Zeit und Herzblut in sein Hobby investiert hat, hängt man irgendwann an dem, was daraus erwächst. Nehmt doch mal einem Modellbauer sein Lieblingsstück weg!

Nun ist es im echten Leben so, dass man viele Entscheidungen auf Basis solider Informationen trifft, die man sich vorher zusammen gesucht hat. Man kauft nur höchst selten ein Auto einfach aus dem Bauch heraus, man bucht nicht mal eben den erstbesten Urlaub, man plant bei Renovierungen bzw. Umzügen die Einrichtung des heimischen Wohnraumes vorher im Geiste peinlich genau durch. Man ist stets bemüht, den goldenen Mittelweg zwischen Budget, Qualität, Design, Funktionalität zu finden. Im Rollenspiel ist das nicht so. Man bekommt manchmal einfach nicht alle Informationen oder sonstigen Ressourcen, und zwar entweder, weil der SL sie absichtlich verknappt, weil man zu blöd ist, die richtigen Fragen zu stellen, die falschen Leute fragt, oder Beobachtungen und Antworten falsch interpretiert. Nein, ich spreche nicht von der CIA und den “weapons of mass destruction”, sondern von einer stinkgewöhnlichen Sitzung, bei der es zum Beispiel darum gehen könnte, das Quartier von ein paar Gangstern auszuheben, um einen Freund rauszuhauen. Und aus all dem zuvor Gesagten resultiert, dass man nicht selten mit seinen Einschätzungen und somit auch den getroffenen Maßnahmen ziemlich daneben liegt.
Nun gab und gibt es in allen Spielrunden, mit denen ich das Vergnügen hatte das Bonmot vom “Plan X”, dem “wenn-nix-mehr-geht-geht-das!”, was einen guten Hinweis darauf gibt, dass Spieler sehr wohl mit dem Umstand vertraut sind, ihre Traumschlösser auf einer mageren Datenbasis und einem fetten Sack voll heißer Luft aufzubauen. Und das ist im Prinzip auch für alle Beteiligten vollkommen OK, so lange man sich darüber einig ist, wie harsch die Konsequenzen ausfallen dürfen, wenn ein Plan schief geht. Grundsätzlich gibt es in jedem Szenario mehrere Schlüsselsequenzen, bei denen man sich als Spielleiter zurecht gelegt haben muss, was je nach Entscheidung bzw. Erfolg/Misserfolg des/der Charaktere passieren soll. Und hier wird es interessant.

Wenn ich davon ausgehe, dass eine Fehlentscheidung als direkte Folge zum Ableben von Charakteren oder wichtigen Nichtspielercharakteren führen kann, muss dies den Spielern klar sein. Wenn ich aber einfach hingehe und sagen wir einem Char ohne Vorwarnung und Chance auf Reaktion von einem Sniper das Licht ausknipsen lasse, weil dieser mit der Tochter des örtlichen Paten angebandelt hat, dann treibe ich als SL Unfug. Actio und daraus möglicherweise resultierende Reactio müssen irgendwie für die Spieler identifizierbar sein, die einem Setting inherenten Regeln müssen, sofern sie nicht aus Büchern oder sonstigem Vorwissen ableitbar sind, so expliziert werden, dass es auch jeder mitkriegt. Denn die Entscheidungen im Kontext des Spiels müssen, so verrückt das Setting auch sein mag auf irgendeiner Basis stehen, sonst können wir es gleich ganz sein lassen. Man braucht also nicht nur spielmechanische Regeln, sondern auch soziale Regeln sowohl innerhalb der virtuellen Welt, als auch in der Welt des Spieltisches. Über die sollte man sich vorher mal Gedanken gemacht bzw. geredet haben, denn wenn einer diese missachtet, gibt es Probleme.

Ich bin ein großer Freund zweiter und gelegentlich auch mal dritter Chancen, anstatt Charaktere einfach zu killen, gebe ich ihnen – u.U. allerdings recht schmerzhafte – Denkzettel und ich versuche tunlichst, krasse Do-or-Die-Situationen mit festgelegten Lösungen zu vermeiden. Ich mag’s flexibel und undogmatisch und bin stets gewillt, meinen Spielern größtmögliche Freiheiten zu lassen, sofern sie es nicht vollkommen überziehen. Aber natürlich passieren auch mir regelmäßig Fehler und es gibt Knatsch wegen vermeidlichen Missverständnissen. Überdies gibt es, wie überall sonst im Leben, die unterschiedlichsten Naturen, die sich da am Spieltisch versammeln, was das Ganze auch nicht einfacher macht. Jedem auf seiner Ebene gerecht werden zu wollen, ist fast unmöglich, aber letztlich ist es ein Spiel und wenn man die Leute daran erinnert, dass sie nicht alleine am Zocken sind, gibt sich das meist von selbst wieder.
Nur eines macht mich immer wieder ein bisschen grantig; nämlich dass mancher Spielleiter nicht solche Flexibilität an den Tag legt, Regeln dogmatisch auslegt und sein Ding durchzieht, egal, ob das den Spielern passt oder nicht, dabei ihre Charaktere in Situationen nötigt, in denen es einfach keine Win-Situation geben kann und dann auch noch erwartet, dass es Allen gefällt, weil seine Geschichte doch so toll ist… Also ich erwarte vor allem Eines: das ich zusammen mit den anderen Spielern am Tisch u.U. vollkommen abgedrehte Ideen ausleben kann, die’s im wahren Leben so nicht gibt und damit jeder Geschichte eine vielleicht nicht eingeplante Wendung geben kann. Geht das nicht, kommt bei mir der große Frust; denn dann sollte ich mich in der Zeit besser mit den vielen Entscheidungen befassen, die mir das echte Leben abverlangt. Aber ich gebe nicht so leicht auf – always game on!