A snipet of efficiency?

Manchmal lese ich Twitter-Nachrichten, oder folge den Links in Tweets. Ehrlich! Und manchmal finde ich das, was ich dort finde sogar interessant. Wirklich jetzt! Zum Beispiel musste ich kurz innehalten, als ich eine Tabelle gesehen habe, in welcher jemand aufgerechnet hat, was für verschiedene Dinge man hätte tun können in der Zeit, die es brauchte um das Video zu “Gangnam Style” von Psy ca. zwei Milliarden Mal anzuschauen. So viele Klicks – oder wahrscheinlich mittlerweile ein paar mehr – haben nämlich die verschiedenen Versionen davon auf Youtube. Zum Beispiel hätte man gut anderthalb Mal Wikipedia schreiben können; zumindest nach deren Rechnung…

So ganz aus dem Zusammenhang gegriffen klingt das ja ganz nett, unterschwellig die pauschale Anklage in den Raum zu werfen, dass Menschen ihre Zeit vergeuden. Denn nichts Anderes unterstellt der Autor dieser Grafik ja; nämlich dass wir gefälligst etwas Vernünftiges tun sollten, anstatt mit “Gangnam Style” anschauen unsere Zeit vor dem Computer zu vertrödeln. Aus Sicht dieser Menschen ist das genannte Video wahrscheinlich auch nur ein Beispiel von vielen, das recht eindrucksvoll darauf hinweisen soll, dass wir die Effizienz unseres Lebenszeiteinsatzes optimieren sollen. Denjenigen schwebt dabei wahrscheinlich vor, dass wir alle bienenfleißig dauerschuften sollen, um eine bessere Welt zu erschaffen; was auch immer an ihr dann besser sein soll. Da man die Motive eines Autors nicht immer so klar erkennen kann, bleibt im Dunkel, ob diese Rechnung nun für eine nachhaltigere Gesinnung werben soll, oder doch für ein effektiveres Wirtschaften im klassisch kapitalistischen Sinne. Ist auch Wurst, denn die Tabelle ist trotzdem Käse.

And here is why: Zunächst einmal ist nicht zu ermitteln, wie viele Male dieses Video nebenher gelaufen ist, während derjenige, der den Klick gesetzt hat gleichzeitig vielleicht sogar etwas Sinnvolles getan hat. Zweitens weiß man nicht, wie viele Male das Video nach 15 Sekunden oder weniger wieder weggeklickt wurde. Drittens dürfen Menschen Pause machen – und Manche dürfen in dieser Pause sogar tun, worauf sie Lust haben. Viertens lässt sich ebenso wenig ermitteln, wie oft das Video zu Lehr- oder Forschungszwecken aufgerufen wurde (nicht lachen, Sozialwissenschaften sezieren Alles, was wir tun!). Und fünftens – woher will der Autor wissen, dass auch jeder, der sich das Video anschaut, überhaupt dazu fähig wäre, etwas zu seiner (zudem unbekannten) Agenda beizutragen. Manche Surfer im Netz sind nämlich ganz einfach zu blöde zum geradeaus laufen!

In der Zeit, die der oder die Macher mit der Anfertigung dieser Grafik verschwendet haben, hätte man zum Beispiel an einer Lernsoftware für verblödete Surfer arbeiten, ein Zimmer streichen, oder schlicht etwas Intelligentes von jemandem lesen können, der etwas Relevantes zu irgendeinem Thema zu sagen hat, anstatt arroganten, nutzlosen Müll abzusondern. Hasta la vista…

Idole gesucht?

Die lateinischen Begriffe imago [für Bild] und imitatio [für Nachahmung] sind einander nicht von ungefähr ähnlich. Wir machen uns ein Bild davon, wie etwas aussieht und versuchen dann, diesem Bild nahe zu kommen, etwa bei Modetrends. Ich habe neulich in irgendeiner Zeitschrift einen Kurzartikel über eine Frau gesehen, die die feinen Abendroben bekannter Hollywoodstars als Papiermodelle für ihre kleine Tochter nachschneidert. Für sich betrachtet ein eher harmloses Hobby, wenngleich die dahinter stehende Psychologie – nämlich aus dem eigenen Kind einen Star machen zu wollen – zumindest aus meiner Sicht ein wenig bedenklich ist. Nicht selten nimmt derlei Verhalten irgendwann pathologische Züge an.

Was bei der Mode dem Drang entspringt, etwas vom Glamour und der (vermuteten) Weltläufigkeit großer Stars an sich sehen zu wollen, also ein Imitationsverhalten, welches die zunächst rein äußerlichen Attribute Anderer kopiert, um sich selbst mehr Ansehen zu geben, mutiert nicht selten zu einem wesentlich weiter gehenden Vorgang, in dem auch andere (wiederum nur vermutete) Qualitäten kopiert werden. Eventuell bis zu dem Grade, da man selbst nur noch ein Abziehbild des jeweiligen Vorbildes ist. Wie schon anfangs erwähnt reden wir hier jedoch von einer Imitation äußerer Attribute; egal, ob es sich dabei um den Kleidungsstil, den Habitus, den Gestus, die Mimik oder den sprachlichen Duktus handelt. Einem Fachmann mögen solche Dinge Aufschluss über die Verfasstheit der Persönlichkeit hinter dem Bild geben, doch auch die Psychologie vermag das tatsächliche Selbst eines Individuums nicht abzubilden. Also bleibt jedwede Imitation oberflächlich.

Auch dieses dem Trend Hinterhergerenne ist per se nichts Schlimmes. Es wird erst dann problematisch, wenn nicht mehr, oder überhaupt nie zwischen den vermuteten, oder zugeschriebenen Qualitäten des Symbols – und nichts anderes ist ein Star heutzutage, denn er oder sie steht für etwas Bestimmtes, wobei dieses Bestimmte für jeden etwas Anderes sein kann – und den tatsächlichen Qualitäten des Individuums unterschieden wird. Ein Beispiel: Robert Downey Jr. kommt als Tony Stark wirklich gut rüber, wenngleich er allerdings in so gut wie jedem Film in der Hauptsache sich selbst spielt, was mir persönlich allerdings noch nicht langweilig geworden ist. Aber der Robert Downey Jr., den wir auf der Leinwand und in den Promi-News sehen, ist weitestgehend der, von dem er will, dass wir ihn sehen. Er ist ein Schauspieler, also spielt er uns was vor. Viele Leute sehen aber nur den coolen Stil und halten das für die Substanz von Robert Downey Jr., der in echt ein trockener Alkoholiker, cleaner Junky und was weiß der Teufel sonst noch alles ist. Ich finde dieses Bild nicht unsympathisch, aber ich habe keine Ahnung, wie viel Authentizität in diesem Image steckt – man sieht wieder, Image kommt von imago, wir reden also von Bildern mit Symbolcharakter.

Das eigentliche Problem ist, dass wir Images zu Idolen machen. Idolum aus dem lateinischen meint Abgott, also ein Götzenbild. Ich bin wahrlich nicht das, was man üblicherweise als guten Christen bezeichnen würde, aber wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, stand irgendwo im Buch der Bücher, dass man sich kein Bild von Gott machen soll. Die goldenen Kälber unseres Zeitalters sind nun ausgerechnet Jene, die es häufig genug in die Klatschspalten schaffen und das meistens mit Verhalten, das wir mal mit etwas Wohlwollen als nur mäßig gottgefällig bezeichnen wollen. Es liegt schon eine gewisse Ironie darin, dass wir Menschen vergöttern, denen eher das Menschliche denn das Göttliche nicht fremd ist.

Doch wenn die Idole von heute als Vorbilder eigentlich nicht taugen, weil sie einerseits nur Spiegel für das sind, was wir in ihnen und gleichsam an uns sehen wollen und andererseits ihr Tun in keinster Weise zum Ideal genügt, was wollen wir stattdessen verehren? Ich würde sagen, der Fehler liegt allein schon in dem Trugschluss, dass man etwas, bzw. jemand verehren muss, um jemand bzw. etwas sein zu können. Wenn es etwas gibt, worüber bei halbwegs vernünftigen Leuten Konsens herrscht, dann wohl, dass unsere Art, die Dinge zu tun sich überlebt hat und das wir dringend etwas ändern müssen, und zwar an so ziemlich allem. Hierbei positives Beispiel zu sein, dazu taugt so gut wie keines unserer heutigen Idole, womit wir – einmal mehr – bei einer alten Weisheit von Mahatma Ghandi wären: Sei du selbst der Wandel, den du in der Welt sehen willst. Und dafür braucht man Wissen, Ideen und Mut – aber definitiv keine Yellow Press Berühmtheiten. Aber das Denken fällt umso schwerer, je mehr man die, von bunten Bildchen überladenen Klatschmagazine inhaliert. Und Tschüss für heute.

A snipet of summer heat

Gleißendes Licht durchflutet die Straßen, sucht sich seinen Weg durch die offenen Fenster in das Innere einer Behausung, bringt die Lebensgeister wieder online und gleich darauf den Körper zum Absturz, wenn die Hitze am mittleren Nachmittag ihren Peak erreicht. Ich liebe den Sommer und mag es, weit nach Mitternacht mit herunter gelassenen Scheiben durch die Stadt zu cruisen, die mit einem Mal wie von Geisterhand Leben atmet, wo vor Kurzem noch Totenstille geherrscht hatte. Aber so sehr ich die Vitalität und Gelassenheit endlos scheinender Sommerabende schätze, so sehr hasse ich die Schwüle, die sich hierortens mit Einzug höherer Temperaturen zwangsläufig bildet und wie ein giftiger Schleier über Alles legt. Sie raubt den Atem und macht jede noch so einfache Verrichtung schwerer.

Und dennoch; wenn ich das Eine nicht ohne das Andere haben kann, dann soll, nein dann muss es so sein! Die dunklen Monate der Einkehr, des kleinen Todes der Natur, der Heizkosten, der farblosen Eintönigkeit und der Ungemütlichkeit vor der Tür, sie rauben mir die Energie, den Willen – und ein bisschen auch den Verstand. Mit den Jahren ist es so gekommen, dass ich nun das ganze Jahr über geschäftig zu sein habe und nur selten in jenen Zustand verfallen kann, den man, sofern ich mich recht erinnere “Langeweile” nennt. Aber etwas zu tun zu haben, ersetzt nicht die Momente lustvollen Müßigganges, die man in der Sommerzeit haben kann. Einfach mal für ein Weilchen von Allem zu lassen, die Seele zum Baumeln in die Sonne zu hängen, nicht alles so ernst zu nehmen und den Dingen das Näher kommen zu erlauben; das ist wahrer Luxus, den zu genießen man sich die Freiheit gestatten muss, gerade, wenn man eigentlich keine Zeit dazu hat.

Selbst wenn ich weiß, dass sich die Zeit, oh die kostbare Zeit nicht ersetzen lässt, ich dann hinterher für die Bummelei doppelt so schnell rennen muss. Was im Übrigen eine Illusion ist, denn tatsächlich vertut man bei der Arbeit – gleich welcher Art von Arbeit – viel Zeit damit, die Dinge auf verschiedenste Arten falsch anzugehen. In diesem Sinne ist Faulenzen für mich Achtsamkeit gegenüber sich selbst, wenn man in diesen Momenten der Kontemplation zu seiner Energie zurück findet. Überdies sollte man eigentlich so gut wie immer erst Denken, bevor man etwas tut!

Also genieße ich und blende für den Augenblick aus, dass die Arbeit derzeit bei Tag und bei Nacht den Schweiß über Gebühr rinnen lassen wird. Denn wenn die kühleren Tage kommen, werde ich mich grämen, dass ich dann eine ganze Weile keine Gelegenheit mehr haben werden, den süßen Schweiß des Sommers zu fühlen; auch, wenn er eigentlich salzig ist. Allen eine sonnige Zeit!

Soviel gewollt…

Ich mache mir da keine Illusionen – ich habe in meinem Leben schon ziemlich viel gewollt und doch nur wenig geschafft. Zumindest rede ich mir das ein. Könnte natürlich daran liegen, dass ich mir meine Ziele regelmäßig zu hoch stecke. Oder vielleicht doch eher an einem Zuviel? Zu viele Ideen und zu wenig Zeit. Zu viele Anforderungen und zu wenig Fertigkeiten. Zu viele Luftschlösser und zu wenig Realitätsmörtel. Keine Ahnung, wahrscheinlich von allem ein bisschen was. Oder liegt es doch eher daran, dass ich die Dinge in einem zu pessimistischen Licht sehe? Wenn man sich auf die Suche nach richtig guten Ergebnissen begibt, bleiben zwangsläufig Erfolge auf der Strecke, weil man sich und seine Möglichkeiten in aller Regel NICHT korrekt einschätzen kann. Das ist nicht böse oder bitter, sondern eine einfache Wahrheit. Es ist uns Menschen leider nicht gegeben, uns selbst wirklich objektiv und realistisch zu reflektieren. Und da ich ein Mann bin, habe ich es doppelt schwer, weil ich mich natürlich immerzu mit den anderen Männchen messen muss… oder zumindest behauptet das die Psychologie. Männer sind durch ihren kompetitiven Habitus quasi automatisch sozial benachteiligt!

Abseits dieser Behinderung gebricht es uns Zivilisationsmenschen, meiner Erfahrung nach, aber vor allem am Vertrauen auf unsere Intuition, unsere Instinkte. Wir verlassen uns so sehr auf Gadgets, legen soviel Wert auf Besitz und Zertifikate und schauen immerzu auf Kontostände – insbesondere Die der Anderen! – dass wir gar keine Zeit und auch gar kein Gespür für den rechten Moment und keinen Maßstab für unser Wollen mehr haben. Das Haben Wollen und das dafür notwendige Können stehen nicht mehr in einem günstigen Verhältnis zueinander. Der aufmerksame Zuhörer wird jetzt fragen, wie ich vom Können Wollen so direkt auf’s Haben Wollen komme? Weil die meisten von uns das so oft miteinander verwechseln. Man kann dem Anschein nach keine Befriedigung aus der Lösung einer Aufgabe mehr ziehen, sondern interessiert sich nur noch für die Belohnung. “Der Weg ist das Ziel!” verkommt, zumindest meinem Gefühl nach, immer mehr zu einer Floskel aus der Vergangenheit.

Aber was passiert, wenn die Ablenkungen, die meiner Betrachtung nach ja eher materieller Natur sind, reduziert werden? Schaue ich zu Menschen, die weniger haben als ich, so rückt zumeist der Umstand in den Fokus, dass deren Verzicht in irgendeiner Form erzwungen ist und diese Menschen ebenfalls gerne etwas mehr hätten, egal wovon. Wobei die Qualität dieses erzwungenen Mangels sehr unterschiedlich sein kann. Jemandem, der Hartz 4 bekommt, geht es, gemessen an den sonstigen Verhältnissen bei uns materiell schlecht. Im Vergleich mit Bürgerkriegsflüchtlingen im Südsudan jedoch…; nun ich denke, hier kann ich mir weitere Ausführungen sparen. Ist der Verzicht so groß, dass existenziell bedrohliche, materielle Not entsteht – und genau das ist ja an vielen Orten rings um den Globus der Fall – wird sichtbar, dass ein derartiges Zuwenig den Menschen seine Würde und damit auch seine Humanität vergessen lässt. Anders sind die Grausamkeiten, welche sich zum Beispiel die unterschiedlichen Volksgruppen in Schwarzafrika antun, kaum zu erklären.

Das Fremde, gleich in welcher Gestalt es daher kommt, wird mir immer dann zum Feind, wenn meine eigene Situation subjektiv schlecht ist, wobei vollkommen unbeachtlich bleibt, ob der zum Feind erklärte Fremde an meinem Unglück nun schuld ist, oder nicht. Es gibt allerdings auch hier qualitative Unterschiede. Menschen aus unseren Breiten, die ins soziale Aus geraten, wählen ganz gerne rechtspopulistische Parteien, weil deren Vertreter ihnen in den Fremden eine ideale Projektionsfläche für die Scham ob des eigenen Versagens bieten. Oder einfacher gesagt: Wenn du dich Scheiße fühlst, tritt einen Anderen so tief in den Dreck, dass du auf ihn herab sehen kannst, dann geht es dir gleich besser! Im Südsudan, wo die Menschen wirklich nichts mehr zu verlieren haben, eskaliert die Verzweiflung so sehr, dass man die Mitglieder eines anderen Stammes tötet. Der Mechanismus ist der Gleiche, die Ergebnisse differieren allerdings (noch) dramatisch. Warten wir hier bei uns lange genug, haben wir vielleicht auch wieder braunes Gesocks auf den Straßen, das Menschen verschleppt…

Aber ich schweife mal wieder ab. Ich denke allerdings, dass jeder Mensch – egal ob im Großstadtghetto oder im Südsudan (man möge mir das Hantieren mit Klischees verzeihen, aber manchmal sind sie hilfreich) – von einem gewissen Streben getrieben wird. Und bei jedem von uns hat Dieses eine materielle und eine ideelle Seite. In der Materiellen realisiert sich unsere Subsistenz, also der Broterwerb, der Familienunterhalt, bei Einigen auch die Ansammlung von Wohlstand. In der Ideellen jedoch realisiert sich der Sinn unserer Existenz. Zumindest ist das bei mir so; aber ich vermute, dass ich diesbezüglich nicht alleine bin. Ich gehe arbeiten, weil man Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf, etc. braucht. Das sind Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Ich lese, studiere, blogge aber, weil ich mehr sein möchte, als ein Angestellter im Gesundheitswesen; mehr erreichen möchte, als irgendwann meine 45 Jahre abrobotet zu haben. Sehr wahrscheinlich schwingt da auch ein gewisses Geltungsbedürfnis mit, schließlich muss ein bisschen Egogewichse dann und wann erlaubt sein, aber in erster Linie tue ich das, weil es mir Sinn gibt. Allerdings resultiert daraus in meiner Denke auch eine Verpflichtung gegenüber Jenen, die nicht das Privileg haben, ihren Neigungen und Ambitionen nachgehen zu können. Die Verpflichtung, sie an meinen Erfolgen teilhaben zu lassen. Und darum will ich immer mehr, immer weiter.

Wenn ich also zu Beginn feststellen musste, dass ich schon oft zuviel gewollt habe, so steht dahinter stets dieser Drang, etwas erreichen zu wollen, auch wenn es sich vielleicht im Nachhinein als Spleen, als fixe Idee oder als schlichter Blödsinn herausstellen mag. Ohne dieses Feuer, dieses Getriebensein fühle ich mich nämlich leer und nutzlos. Dabei allerdings die individuelle Balance zwischen der ideellen und der materiellen Seite des Wollens zu finden, gelingt nicht immer auf Anhieb, manchmal auch gar nicht. Achtsamkeit gegenüber beiden Bedürfnissen walten zu lassen bedeutet nämlich manchmal freiwilligen Verzicht; und wie schwer der uns Menschen fällt, wie schwer der mir selbst fällt, ist immer wieder erstaunlich… und ernüchternd. Ich muss jetzt aber trotzdem wieder etwas wollen, nämlich zum Ende kommen, daher Gott zum Gruße und viel Spaß beim Begutachten der eigenen Motivation.

Immer sind die Anderen schuld!

Es fällt mir leicht, Anlässe zu finden, um mich mal so richtig über meine Mitmenschoiden aufzuregen, denn wir Wesen, die im Gesundheitswesen arbeiten, sind schon ein komischer Haufen. Natürlich sind da auch noch die ganzen Anderen, diese “Kunden”, die nicht selten meinen, die ganze Welt sei ihr persönlicher Selbstbedienungsladen ohne lästige Kasse, dafür aber mit Vollkasko für alle, zumeist durch eigenes Verschulden eingetretenen Eventualitäten. An die habe ich mich (fast) gewöhnt; in jedem Fall aber ist deren Geseiere heutzutage für mich in der Regel nicht mehr, als ein verschmerzbares Hintergrundrauschen.

Was mich aber ankotzt ist das Verhalten einiger weniger Mitglieder des ansonsten sehr kollegialen und freundlichen Pflegefachpersonals, aber auch gewisser Ärzte insbesondere in Aufnahmestationen, die egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit und egal ob gerade viel los ist, oder auch gar nix so tun, als wenn man als dämlicher Krankenwagenfahrer um Erlaubnis fragen müsste, um kranke Menschen in IHR Krankenhaus zu bringen – selbst wenn genau dieses Ziel auf Grund der benötigten Fachdisziplin auf der Hand liegt. Und sich dann mehr oder weniger lauthals darüber beschweren, wie schwer man ihnen das Leben doch macht, dass sie sich ja Tag ein, Tag aus kaputt schuften müssen, weil wir Sanis so böse und dumm sind und ihnen die Bude voll stellen. Und dabei werden sie manchmal auch noch ausfallend…

Hierzu ein paar Feststellungen vom bösen, dummen Sani:

Erstens vollziehen wir mit dem Transport in ein Krankenhaus lediglich die gesetzlich vorgeschriebene Antwort auf das Hilfeersuchen eines Bürgers – wir sind dazu auch dann verpflichtet, wenn WIR keinen sinnvollen Grund für dieses Vorgehen feststellen können! Überdies regelt das jeweilige Landeskrankenhausgesetz die Aufnahme- und Versorgungspflichten…

Zweitens sind wir durchaus im Stande, zu entscheiden, welches Spital für welches Krankheitsbild ein sinnvolles Ziel sein könnte – ehrlich, man muss eine mehrjährige Ausbildung machen, um im Rettungsdienst arbeiten zu dürfen und sie wird gerade sogar noch verbessert. Und außerdem versuchen wir sehr wohl, Lasten zu verteilen.

Drittens ist die Unterstellung, dass wir uns einen Dreck um die Situation Anderer, wie z.B. des Aufnahmepersonals scheren würden, schlicht unverschämt. Manchmal lassen einem die Umstände, wie Angehörige, einweisende Ärzte, oder die Art der Erkrankung keine Wahl, als genau dorthin zu fahren, wo es gerade jetzt nicht passt. In dem Fall passt es zumeist aber überall nicht. Und das liegt nicht an uns, sondern an der Politik. Wollen wir nicht mal zusammen streiken gehen? Übrigens würden wir dann und wann auch gerne mal eine pünktliche Pause haben, nicht dauernd schleppen müssen, etc.

Viertens und Letztens ist es im Leben doch immer so: wie man in den Wald hinein ruft… Wenn man also immer mit einer Fresse zum Reinschlagen durch das Ambulatorium spaziert und jedem, der einem gerade nicht passt, den Eindruck vermittelt, dass man ihn für Scheiße hält, darf man sich nicht wundern, wenn man selbst für Scheiße gehalten und gerechter Weise auch genau so behandelt wird. Einfach mal normal höflich sein und eventuell sogar lächeln würde wirklich helfen. Muss ich auch, wenn mich mal wieder jemand zu Unrecht anpampt, weil ich ja nur vom dummen Fußvolk bin. Vielleicht wäre es für Manche aber auch einfach an der Zeit, mal einen anderen Job zu probieren…?

Ich persönlich werde jedenfalls den Eindruck nicht los, dass ich mein Studium irgendwie beschleunigen muss, um vom zwangsweisen Umgang mit manchem arroganten Arschloch endlich erlöst zu werden. Und tschüss!

Fuck Europe? No way…

Heute ist Europawahl. Ich hoffe, ihr seid hingegangen, weil politisch die Wahl zu haben ein Privileg ist, über das nur ein geringer Prozentsatz der Menschen überhaupt verfügt! Dieser Tage las ich in einer Zeitschrift einen Text zum Thema, in welchem der Autor, obschon offensichtlich kritisch gegenüber dem Konstrukt Europa sich dafür aussprach, wählen zu gehen. Gut so. Allerdings forderte er auch ein neues Narrativ für Europa. Aha… und was genau meint er damit?

Narrativ ist leicht, es meint eine Sinn stiftende Erzählung, übersetzt in den Kontext soll es wohl heißen, dass es zur Einigung Europas einen neuen, besseren Grund braucht, als den der Freizügigkeit, die zu genießen der Schreiberling offen zugab; einen neuen Sinn, mit dem die Notwendigkeiten erklärt werden sollen, dass Nationalparlamente Rechte an Europa übertragen müssen, dass der Apparat Europa Geld kostet und nationale Freiheit einschränkt, dass die Konsensfindung in einem so großen föderalen Gebilde komplizierter wird und das Interessenausgleich oft enttäuschte Gesichter bei einer oder mehreren Parteien erzeugt.

Dabei übersieht der Autor zwei entscheidende Probleme: erstens gab es bislang nie ein “Narrativ”, welches die Bürger berührt hätte, welches die Kraft in sich getragen hätte, aus einem Polen, einem Franzosen, einem Deutschen , einem Spanier, einem Griechen plötzlich lauter Europäer im Geiste zu machen. Dazu wurde die Souveränität der einzelnen Nationalstaaten innerhalb der Union immer viel zu sehr betont, dazu waren und bleiben wir bis heute immer viel zu sehr Deutsche, obwohl es “den Deutschen” oder “das Deutsche” gar nicht gibt! Es ist ein Konstrukt aus der Zeit des wilhelminischen Kaiserreiches, gerade mal so 130 Jahre alt, geschaffen aus dem einen Grund, den Untertan auf etwas Einigendes einzuschwören, um ihn so folgsam und konform zu machen mit dem, was die Obrigkeit in ihrer Weisheit beschließen würde – den Wahnsinn eines Kadavergehorsam fordernden Militarismus inklusive, der schließlich einen Weltkrieg herauf beschwor. Schönen Dank auch für Verdun, ihr Schwachköpfe!

Auf der anderen Seite negiert diese Sichtweise die Schaffenskraft der Gesellschaft. Wer anders soll denn ein solche Sinn gebende Erzählung schaffen können, als die Menschen, die hier leben? Irgendwelche Bürokraten, die nur bis zum nächsten Lobbyistenmeeting denken können? Ein womöglich wieder hinter verschlossenen Türen von den führenden Politikern Europas ausgekungelter Kommissionspräsident ,wie der stets farblos gebliebene Technokrat Barroso? Wenn Europa tatsächlich funktionieren soll, als ein Raum der sozialen Freizügigkeit, der nicht nur physische, sondern vor allem mentale Grenzen abbauen kann, dann muss man den Bürgern mehr zutrauen – dann müssen wir Bürger uns mehr zutrauen und Gestaltungsmacht einfordern!

Idioten, die immer noch glauben, dass Nationalstaaten in einer globalisierten Welt als Einzelkämpfer bestehen können, die sich vor dem Fremden fürchten, weil sie selbst einfach nur Angst vor der Zukunft haben und deshalb Andere erniedrigen müssen, um sich ein bisschen besser fühlen zu können wird es immer und überall geben – aber wir sollten diesem Faschistengesocks nicht das Feld überlassen, sondern sie dahin drängen, wo sie hin gehören: nämlich an den rechten Rand!

Ein Europa, in dem Bürger die Möglichkeit haben, an einer besseren Zukunft mitarbeiten zu können, klingt für mich verlockend. Denn seien wir ganz ehrlich: wer noch glaubt, dass die soziale Hängematte hier in unserem Deutschland für immer Bestand haben wird, wenn wir nur unsere Grenzen verrammeln, dem sollte man mal etwas über globale Wirtschaftszusammenhänge und die Chancen und Möglichkeiten einer vitalen demokratischen Zivilgesellschaft beibringen – mancher dumpfe Braunkopf würde vermutlich ganz schnell das Lager wechseln. Der Weg dahin ist allerdings ganz klar kein einfacher. Aber es liegt an den Menschen, die Umstände zu ändern, nicht die Umstände dürfen die Menschen ändern, denn dann haben wir verloren und irgendwann ist wieder 1933… Schönen Sonntag noch!

Verzwitschert!

Ich bin, was meine Lesegewohnheiten angeht, irgendwie wohl noch nicht so ganz im 21. Jahrhundert angekommen. Überschriften werden ja oft so formuliert, dass der Informationsgehalt des ganzen Artikels sich auf diese wenigen Schlagworte reduziert. Leider steht dann im Fließtext auch oft genug nicht wirklich mehr, als das, was die Überschrift eh schon ahnen lässt. Diese Verschlagwortung ist übrigens definitiv kein Erbe des Hyperlinks, auch wenn mancher “Fachmann” gerne so tut, als wenn erst mit dem Siegeszug der elektronischen Indexierung (HTML, die erste weiter verbreitete Webprogrammiersprache wurde entwickelt, um einen Wust von wissenschaftlichen Dokumenten besser durchsuchbar zu machen) der markige Aufmacher zum Signum der Informationsvermittlung geworden wäre. William Randolph Hearst, der erste echte Medientycoon, dessen “Morning Journal” zur Blaupause der Yellow Press wurde, hat mit dieser – meines Erachtens bis ins Mark unseriösen – Art des Journalismus politischen Einfluss genommen; und das bereits 1898!

Was ich damit sagen wollte ist, dass ich zwar durchaus verschiedenste digitale Publikationen und auch ein paar soziale Medien nutze, aber bei weitem nicht alles, was ich lese, ist digital! Und manche Hypes in und um so genannte New Media nehme ich gar nicht zur Kenntnis, weil bereits die Art der Schlagzeile mich abstößt. Denn “je reißerischer der Aufmacher, desto unbekömmlicher der Inhalt” als Bewertungsmaßstab hat mich in den vergangenen Jahren noch so gut wie nie in die Irre geführt. Was soll man also in diesem Zusammenhang zum Beispiel von einer Twitternachricht wie “Vegetarier halten sich oft für etwas Besseres” halten? [Ist allerdings ein Gedächtniszitat, ich gebe also nur sinngemäß wieder, was da stand]

[Exkurs Anfang]
Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate sind zumeist vor allem eines – nämlich aus dem Zusammenhang gerissen und somit ihres Kontextes beraubt. Deshalb sollen Schüler auch immer noch lernen, ihre Aufsätze in ganzen Sätzen zu schreiben, weil Informationen ohne Kontext wie eine Unterhaltung ohne Gestus und Mimik sind. Zumindest ich fände es sehr unnatürlich, wenn mein Gegenüber seine Äußerungen ohne jegliche Regung von sich geben würde. Folgt man Watzlawick, ist das auch gar nicht möglich; wäre es das, würde ich wahrscheinlich aber wohl eher vor Langeweile von dem Geleier einschlafen, als das ich mich fürchtete. Abseits des Unterhaltungswertes ergibt sich aber aus einem Mangel an Subtext- und Kontextinformationen ein noch viel handfesteres Problem, nämlich das quasi vorprogrammierte Missverstehen des jeweiligen Zitates.
[Exkurs Ende]

Das eben Gesagte im Gedächtnis nun zurück zu den Vegetariern, die sich laut Zitat für was Besseres halten. Was mich betrifft, so habe ich zwar beim einen oder anderen sich fleischlos ernährenden Mitbürger schon dezente Missionierungstendenzen ausmachen können. Die bewegten sich bislang aber immer noch im charmanten Bereich. Im Bezug auf was Vegetarier in der Mehrzahl sich also für etwas Besseres halten sollen, weiß ich nicht. Ich kennen jede Menge Menschen, die auf die eine oder andere Art arrogant daher kommen; gelegentlich zu Recht – viel häufiger aber nicht! Ich könnte jetzt allerdings keine Statistik darüber vorlegen, ob mehr Vegetarier darunter sind. Nun könnte man dem Link im Tweet folgen, vielleicht einen Text finden, zusätzlich noch Infos über den Autor und dann wissen, was er tatsächlich gemeint hat. Das machen meiner Erfahrung nach aber die Wenigsten, weil das Thema a) nicht wirklich von weitreichendem gesellschaftlichem Interesse ist, b) das Zitat so wunderbar Vorurteile bedient, dass man gar nicht weiter lesen braucht, um sich in seiner Meinung bestätigt zu sehen, dass Veggis eh alle arrogante Penner sind (zur Rückversicherung: das ist NICHT meine Meinung) und c) da viel zu viel andere Sachen sind, die man auch noch schnell überfliegen muss – womit wir mal wieder bei Häppchen von Opinion-to-go wären.

Ich erlebe die digitale Welt nicht selten als ein Überangebot an Informationen und Meinungen, aus dem die wirklich wichtigen und interessanten herauszufiltern immer schwieriger wird. Und Newsgrabber oder Feedreader, die man auf Schlagworte einstellt, schaffen hier keine Abhilfe. Sicherlich ist das ein Umstand, den man bei der Pluralisierung des Web als demokratischem Ort aushalten muss, doch Relevantes von Müll zu unterscheiden wird dadurch nicht einfacher. Vielleicht ist genau deshalb die Verankerung der eigenen Wahrnehmung in etwas entschleunigteren Medienformaten und deren, von den Kindern der neuen Zeit zugegeben vielleicht als verstaubt wahrgenommenen Sprache etwas Notwendiges; nämlich als Basis für ein tiefer greifendes Verständnis für Zusammenhänge und als Filter gegen Wortschrott. Weshalb zumindest meiner Meinung nach ein humanistisches Bildungsideal keinesfalls schon zum Abraum der Geschichte gehören muss.

Beim Lesen der Klassiker und der Ergründung verschiedenster anderer Wissensgebiete geht es nicht nur um die Geschichten, welche in ihnen erzählt werden, oder die für sich betrachtet nicht allzu spannende Fähigkeit, Integrale berechnen zu können, sondern auch darum, zu lernen wie man Subtext- und Kontextinformationen entschlüsselt und in größeren, Einzelthemen übergreifenden Zusammenhängen denkt. Klingt komisch aus dem Munde von jemandem, der sagt, man kann auf die neuen Fragen nicht immer die alten Antworten geben? Nur vordergründig, denn man lernt auf diese Art ja nicht Antworten auswendig, sondern den Weg, auf dem man alle möglichen Fragen sinnvoll beantworten kann, auch die Neuen; vor allem die Neuen! Und deshalb lese ich jetzt, erstmal in meinem aktuellen Buch weiter. Schönen Tag noch!

Widerspruch Olé!

Ich finde Ratgeberbücher meistens eher belustigend. Man wird zumeist wortreich, gelegentlich humorvoll, aber eigentlich immer belehrend darüber aufgeklärt, wie schlecht man sein Leben nach Auffassung des Autors lebt und wie man das alles viel besser hinbekommen kann, wenn man dies oder jenes tut; oder auch unterlässt. Nun sollte ich mal kurz ehrlich zu mir sein, auch wenn es schwer fällt: Ich hasse es wie die Pest, wenn jemand den Oberlehrer gibt – und es ist mir dabei so was von vollkommen egal, ob dieser Penner eventuell sogar recht hat!

Was man – egal ob in der trivialen Literatur, oder auch sonst wo im Leben – viel zu selten antrifft, ist der Mut zur Widersprüchlichkeit, zum Zwist mit sich selbst, zum Bekenntnis, dass das Menschsein zwar oft nach einer klaren Linie verlangt, die Umstände aber nur sehr selten eine hergeben. Es mag das eine oder andere Mal schon angeklungen sein, dass ich Dogmatismus in jedweder Darbietungsform für eines der größten Übel überhaupt halte; zum einen, weil der unumstößliche Glaube an die Richtigkeit der eigenen Meinung den Blickwinkel unnötig und vor allem unzulässig einengt. Wahrnehmung hat ja auch etwas mit wahrnehmen wollen zu tun, wie selbst der Volksmund schon weiß. Und zum anderen, weil das immanente Verkündet-werden-Wollen dessen, woran man sich ja nun so unglaublich fest klammert unweigerlich dazu führt, dass der Dogmatiker jenen, die er mit seiner Weisheit zu beglücken glaubt, alsbald ganz furchtbar auf den Wecker gehen wird.

Man versucht in Dogmen, durch eine einseitige Sicht der Dinge Sachverhalte zu vereinfachen, die deshalb nicht einfach sind, weil die schlichte Existenz des gesellschaftlichen Pluralismus nicht nur eine eigene Meinung ermöglicht, sondern sie überdies auch verlangt. Begnügt man sich damit, die Weltsicht eines Anderen unreflektiert anzunehmen, wird man über kurz oder lang Kompromisse mit demjenigen, sich selbst oder Dritten eingehen müssen, die einem nicht schmecken. Woraus sich die Frage ergibt, wie viele Kompromisse man denn unbedingt eingehen muss, nur um sich selbst auf konformistisch zu trimmen? Ich meine ja, dass diese Zahl recht begrenzt ist, falls man seine persönliche Autonomie irgendwie gewahrt sehen möchte. Mit den unterschiedlichen möglichen Weltsichten, den daraus resultierenden politischen und sozialen Aktivitäten, die alles bis hin zum individuellen Lebensentwurf – sofern man einen hat – beeinflussen wird man, so man sich zu ein wenig Toleranz durchringen kann, jedoch mit Widersprüchlichkeiten und Spannungsfeldern leben müssen, die sich nicht selten als unauflösbar herausstellen. Dogmen helfen einem hier allerdings höchstens bis zu der Tür, durch die das Brett vor dem Kopf wegen der Breite nicht mehr durchpasst…

Aber solche anscheinend unvereinbaren Gegensätze findet man ja nicht nur bezüglich sozialer Beziehungen, sondern auch in den Untiefen der eigenen Persönlichkeit. Für mich als alten Sozen hat zum Beispiel die Konfrontation mit den verschiedensten Fragen im Laufe der Zeit zur Adaption einiger durchaus als wertkonservativ anzusehender Positionen geführt. Ich sehe aber keinen Widerspruch darin, auf der einen Seite für gerechtere Sozialsysteme zu sein – wie auch immer die dann aussehen würden – und auf der anderen Seite gerne Manchen aus der Sozialhängematte hinaus stoßen zu wollen, weil er meiner Meinung nach halt nix drin zu suchen hat. Und das ich durchaus für leistungsgerechte Entlohnung bin; was aber vermutlich, konsequent durchgezogen, dazu führen würde, dass so mancher vermeintlicher “Leistungsträger” sich ganz schön umkucken würde, wo den plötzlich sein Kohle bleibt…

Ist nur ein plakatives Beispiel und ich bin mir sicher, dass die allermeisten an sich Zwiespältigkeiten entdecken könnten, die nachdenklich machen müssten. Es ist aber Teil unserer menschlichen Natur, dass unsere Persönlichkeit sich ein Leben lang in einer Art Fließgleichgewicht befindet, dass sich immer wieder neu regulieren muss. Die sich scheinbar ohne unser Zutun weiterbewegende Umwelt nimmt uns mit auf diese Reise, egal ob wir das wollen oder nicht und unsere Persönlichkeit wird dabei, zumindest in Teilen, dazu gezwungen, sich anzupassen, was unausweichlich immer wieder zu Unstimmigkeiten im Oberstübchen führen muss. Da wir Homo Sapiens Sapiens nämlich ziemliche Gewohnheitstiere sind, die mit allzu schneller Veränderung unseres Lebensumfeldes gar nicht so gut umgehen können, wie das immer gerne von den auf die Entgrenzung von Arbeitszeit und Ort geilen Arbeitgebern behauptet und somit auch verlangt wird. Menschen können sich sehr wohl verändern, aber je radikaler und willkürlicher diese Umgestaltung ausfällt, desto schwerer kommen wir hinterher wieder in Tritt.

Tatsächlich sind all diese Veränderungen ja aber von uns Menschen selbst gemacht, denn die oft überwältigende Dynamik, welche unserer Umwelt heutzutage innewohnt, kommt erst durch die Schaffenskraft, Kreativität und Neugierde vieler Einzelner zu Stande, die sich in ihrer Vernetztheit zu einem unaufhaltsamen Motor der Veränderung vereint. Und dessen Kraft bewegt uns Alle, wobei es gleichgültig ist, ob wir gerade mal zu den Innovatoren, oder zu den Mitgerissenen gehören. Womit der größte Widerspruch unserer Existenz wohl wäre, dass wir uns einerseits dem Bekunden nach dauernd nach der guten alten Zeit sehnen – auch wenn die erst gestern zu Ende gegangen sein mag – und andererseits unsere Schaffenskraft willig in Veränderungen stecken, von denen wir uns eine Verbesserung versprechen; gleich auf welchem Gebiet die Anstrengung stattfinden mag, ob sie groß oder klein sei, bedeutend oder unbedeutend, für alle oder nur für uns…

Die Sehnsucht nach einer Beständigkeit, welche uns die Illusion von Sicherheit und Geborgenheit in einer gefühlt immer verrückter werdenden Welt gestatten soll, ist ein mittlerweile immer unerfüllbarer gewordener Traum. Und dennoch orientiert sich unser Anspruch an der Vorstellung einer (non-existenten) Vollkasko gegen alle Eventualitäten des Lebens. Wie wäre es da mit einem Wider-Spruch gegen den Anspruch? Mit einem Zügeln des eigenen Verlangens? Es wäre eine Mischung aus dem Eingeständnis, dass Sicherheit, so allumfassend, wie wir Deutschen sie gerne denken, schon immer ein Trugbild gewesen ist und dem Anerkennen der Möglichkeiten und der Kraft, die sich in den von uns so gefürchteten Unwägbarkeiten des Lebens verstecken. Einfach mal leben anstatt versichern! Ich finde Widersprüchlichkeiten spannend, denn sie lassen mich niemals vergessen, dass jedes Ding mehr als einen Aspekt hat. Viel Spaß beim Entdecken der persönlichen Paradoxa.

Seriosität – des Bankers neue Kleider…

Schein und Sein, zwei Dinge, die untrennbar miteinander verbunden sind, denn einerseits orientieren wir uns immer noch, immer wieder und immer gerne an der Optik, um unser jeweiliges Gegenüber einschätzen zu können. Viele kleine, zumeist subtile Signale, die der Mensch aussendet, seien das unsere Mimik, unsere Gestik, unsere Pheromone, oder unsere Sprachrhythmik können wir aber nur sehr schwer, oder auch gar nicht beeinflussen, weshalb wir zu verschiedenen Mitteln greifen, um unser Aussehen zu tunen, stets in der Hoffnung, auch unser Ansehen zu tunen; was dem Sportwagenfahrer sein Spoiler, ist dem Banker sein Zwirn. Andererseits erwarten wir aber auch ein gewisses Maß an Authentizität von unseren Mitmenschen, weil unsere sozialen Sensoren ein Zuviel an Tünche über allzu wenig Substanz sehr wohl zu erkennen vermögen, auch wenn unser Verstand es vielleicht verlernt hat, unsere Regungen bezüglich einer speziellen Person korrekt einordnen zu können. Nur die Wenigsten verlassen sich heute leider noch auf das, was man gerne Intuition nennt und tun es überdies noch gerne als weiblich ab – was oft ungerechtfertigter Weise mit einer Herabwürdigung einher geht.

Wir haben unsere Welt mit Konventionen zugepflastert, zu denen seltsamer Weise gehört, dass jemand, der dem aktuellen Gepflogenheiten nach edle Kleidung trägt, mehr oder weniger automatisch als vertrauenswürdig einzustufen ist. Man könnte dahinter den kulturellen Reflex vermuten, dass man einerseits jemanden von gewissem Stand und Standing hinter dem Garn vermutet, der es gar nicht nötig hat, mich zu bescheißen. Und zum Andern hoffe ich vielleicht insgeheim, dass etwas von dem Status und Prestige auch auf mich übergehen könnte. Sicher gibt es auch noch andere Erklärungsmöglichkeiten, aber für meine weiteren Erwägungen reichen die hier vollkommen aus. Womit wir vom Schein zum Sein kämen.

Wir reden hier von jahrhundertealten Traditionen, denn dass zum Beispiel Vertreter des Geldgewerbes sich in feine Kleidung hüllen, war schon zur ersten Hochblüte der italienischen Renaissance so, als das Bankenwesen zu florieren begann. Diese hatten begonnen, den Kleidungsstil von den herrschenden Fürsten und Adligen sowie den Klerikern zu übernehmen. Für die Ersteren war es seit langer Zeit natürlicher Teil ihres Habitus, sich derart vom einfachen Volk distinguieren zu wollen, für die Letzteren schlichtes Vergessen ihrer frommen Gelübde gegenüber ihrem Herrn. Das sie eigentlich zu dienen und nicht zu herrschen hatten, vergaßen sie denn auch oft genug. Wie dem auch sei, zu Zeiten vormoderner Gesellschaften erfüllte Kleidung tatsächlich die Funktion, den Stand zu signalisieren, welchem jemand zugehörig war. Diese Funktion entfällt eigentlich in unserer heutigen Zeit, da es keine Stände mehr gibt – was so mancher Träger feinen Zwirns allerdings gerne vergisst, frei nach dem Motto: “Manche sind gleicher!” Heutzutage gilt dieses Motto wohl für manchen Volksvertreter ebenso wie für Unternehmer, die vergessen, dass es nicht der Industriekapitän nist, der die Wertschöpfung überhaupt erst möglich macht. Was bleibt, ist eine in unsere Kultur eingebettete Tradition ohne tieferen Sinn, deren Unzulänglichkeiten denn auch von der Kunst schon lange erkannt worden sind, wenn man sich bitte einmal Gottfried Kellers “Kleider machen Leute” oder des Hauptmanns von Köpenick entsinnen mag; die bekannte Tragikomödie von Carl Zuckmayer beruht schließlich auf einer wahren Begebenheit.

Mir persönlich ist es ehrlich gesagt mittlerweile ziemlich wumpe, wie jemand daher kommt, sofern hygienischen Mindeststandards Genüge getan wird; die dienen unser aller Gesundheit. Aber Respekt vor dem Anzug, der ja nur allzu oft nicht mehr ist als eine Hülle ohne substanziellen Inhalt? Kann ich ohne Bedenken drauf verzichten. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand sich einfach gerne ordentlich kleidet, oder wenn ein festlicher Anlass eine bestimmte Kleiderordnung verlangt, denn dort zeugt es von Respekt vor dem Gastgeber, sich korrekt zu kostümieren. Aber ansonsten ist mir Authentizität in Wort und Tat lieber als Blendwerk vom Schneider; in diesem Sinne eine schöne Restwoche!

Freiheit, die ich brauche…

Irgendwie scheinen sich Zeitschriftenredaktionen wohl doch abzusprechen, denn gleich in mehreren Periodika, die in meinen heimatlichen Haushalt zu flattern pflegen, fanden sich in den vergangenen Tagen Artikel zum Thema, ob man Kinder bekommen/haben muss, um glücklich sein zu können. Naturgemäß kommen unterschiedliche Betrachter diesbezüglich zu höchst unterschiedlichen Bewertungen; man könnte schlicht antworten, weil diese Frage eine höchst individuelle ist, deren Beantwortung von der aktuellen Lebensumgebung, den eigenen Kindheits- bzw. Familienerfahrungen, der Bildungsbiographie, den Beziehungserfahrungen und noch einem Haufen anderer Faktoren abhängt, welche bei zwei willkürlich gewählten Menschen in unserem Lande eher selten absolut deckungsgleich ausfallen werden. Was genau allerdings die Motivation, Kinder in diese Welt zu setzen positiv oder negativ beeinflusst, dazu muss man sich ausschweigen – weil man es nicht weiß!

Ich finde es immer etwas seltsam, wenn sich Magazine mit solchen Fragen befassen, die eher dem investigativ-informierenden Journalismus zugerechnet werden wollen. Bei einer Familienzeitschrift würde man meinen, sei das Thema besser aufgehoben. Jedoch lassen sich in beiden Fällen die Autoren auf die eine oder andere Sichtweise zu sehr festlegen. Die Familie mit Kindern als höchstes Gut auf der einen Seite, die individuelle Freiheit, sein Leben ohne Einengung durch die Pflichten der Kindererziehung leben zu wollen auf der anderen und dazwischen die große Ebene der Fragezeichen bezüglich des Sinnes solcher Artikel. Nur weil wir in einer Schicksalsgemeinschaft wie unserem Nationalstaat leben, lässt sich noch lange keine Verpflichtung ableiten, für den Fortbestand unserer Art durch Nachwuchserzeugung mit Sorge zu tragen. Man kann aber auch der Bedeutung das Wort reden, die Kinder unserem Leben geben, denn welchen größeren Sinn kann man benennen, als neue Erfahrungen, neue Schaffenskraft, neue Ideen in einer neuen Generation wieder erstehen zu lassen, der wir überdies etwas von alledem aus uns selbst mitgeben dürfen?

Man kann zweifellos noch einige Argumente für oder wider das Kinder bekommen und Kinder haben benennen, doch muss letzten Endes nicht jeder diese Frage für sich ganz allein beantworten? Gesinnungs- und Meinungsdogmatismus jedoch – Stichwort “Alternativlos”, für mich DAS Unwort der Dekade schlechthin – ist ja in Deutschland und auch anderswo leider kein Delikt im Sinne des Strafrechtes; höchstens im Sinne des gesunden Menschenverstandes, der auch von der Jounaille nur allzu oft beleidigt wird. Jedenfalls müssen Manche einfach ihren Senf dazu geben und möglichst viele Andere zum Lichte zu führen versuchen; drunter geht’s einfach nicht, womit wir wieder bei dem wären, was man seinen Kindern weitergeben kann, nicht wahr…?

Den von der jeweils eigenen Sicht der Dinge getriebenen Missionierungswahn mal außen vor lassend, bleiben dann zwar noch ein paar Punkte, über die man streiten könnte, wenn man denn unbedingt möchte. Doch für mich ganz persönlich reduziert es sich auf die Frage nach der Freiheit, die Manche als Ergebnis ihrer selbst gewählten Kinderlosigkeit reklamiert sehen möchten. Zweifelsfrei opfert man einen unter Umständen nicht unerheblichen Teil seiner individuellen Gestaltungsmacht bezüglich des eigenen Daseins, wenn man sich auf das Abenteuer Kind einlässt; das tut man allerdings auch, wenn man studiert, sich bei bestimmten Arbeitgebern verpflichtet, für karitative, ökologische, soziale, politische Projekte arbeitet, oder ins Kloster geht. Es ist somit eine persönliche Entscheidung, durch was man seine Freiheit einschränken lassen möchte, Kinder kriegen bzw. haben ist nur eine von vielen, womit aus meiner Sicht die Notwendigkeit zur Diskussion entfällt. Den Staat geht diese Entscheidung im Übrigen ebenso wenig an, wie zum Beispiel meine Nachbarn, womit auch der Ruf nach einer weiter reichenden steuerlichen Belastung von Nicht-Eltern zu Gunsten der Solidargemeinschaft riesengroßer Blödsinn ist. Eine Strafe dafür, dass man einfach nur seine individuellen Gestaltungsspielräume zur Lebensführung nutzt? Wo ist das denn noch demokratisch?

Wenn wir dabei sind: eine Besteuerung von Einkünften aus Kapitalerträgen von mehr als 50.000 EUR/Anno – also großen Gewinnen aus Finanzgeschäften aller Art, deren Ertrag sich nicht durch reale Wertschöpfung, sondern durch Spekulation auf dieselbe ergibt – mit, sagen wir mal 50% sollte das Problem der leeren Kassen schnell und nachhaltig lösen. Oder lässt die Menschen vielleicht endlich erkennen, dass dem Shareholder Value hinterher zu rennen bedeutet, JETZT unsere Zukunft für die nächsten Hundert Jahre zu verbrennen. Na ja, man kann sein Freiheit ruhig auf die Art und Weise verschwenden, die einem gefällt, oder?

Mit einem Schlagwort will ich darauf antworten: Freiheit ist für jeden das, was er selbst daraus macht! Und das trägt nicht nur die Lust zur Freiheit in sich, sondern eben auch die Verpflichtung, diese zu nutzen und zu verteidigen, so dies nötig sein sollte. Wieso wir unsere Freiheit verteidigen müssen? Die Bedrohung von Errungenschaften der letzten Hundert Jahre in Sachen Arbeitnehmerrechte, Umweltschutz, einem Grundmaß an sozialer Gerechtigkeit und vieles mehr sind genau heute bedroht durch die Interessen jener, die sich bei Gestaltungsmacht nicht mit dem Thema Kinderkriegen befassen. Sofern sie welche haben, sehen die zumeist eine hoffentlich halbwegs vernünftig dotierte Nanny. Sie gestalten, indem sie die Freiheit Anderen nehmen und für sich selbst in Profit ummünzen.

Mindestlöhne? Schmälern die Gewinnmarge! Kündigungsschutz? Arbeitnehmer faulenzen doch eh nur auf Kosten der Unternehmer! Umweltschutz? Gefährdet die Gewinnmargen noch mehr! Kommt diese Argumentation irgend jemandem bekannt vor. Falls nicht, wäre es an der Zeit, sich damit vertraut zu machen, denn diese Argumente werden von Politikern gehört – durch’s Hinterzimmer aber dennoch lauter als Alles, was man sonst so zu hören bekommt. Also muss die eigene Stimme viel, viel lauter werden – und damit auch unsinnige Artikel übertönen, so zum Beispiel über die Frage, ob man Kinder zum glücklich sein braucht oder nicht, die wie so vieles Anderes, was in den Medien umherschwirrt nur von den wirklich wichtigen Themen ablenken sollen – willkommen im Land der Illiteraten-Illustrierten; da wo man seine Meinung gebildet kriegen tut…

PS: Ich habe Kinder, bin trotzdem frei und immer noch bereit, dafür zu kämpfen, dass dies auch so bleiben möge! Und ihr?