Ich will keine guten Vorsätze!

Die sind für den Arsch. Menschen machen ja zu Silvester kuriose Sachen, wie z.B. Blei gießen, Unmengen lauter, bunter Lichter um sich schießen und saufen, bis die Rettung kommt. Na gut, das Letztere machen sie eigentlich das ganze Jahr über. Aber sich gute Vorsätze für’s kommende Jahr vornehmen ist, als wenn man sich nur einen Zehner mit zum Shoppen nimmt, aber die Kreditkarten nicht aus dem Geldbeutel legt; also, wie schon bemerkt, für den Arsch.

Ich verurteile Niemanden, wenn er zum Jahreswechsel ein bisschen übermütig wird. Mache ich ja selbst auch. Ist eine willkommene Abwechslung zum schmuddelig-dunklen Wettereinerlei und der überall stattfindenden Bilanz-Zieherei, quasi ein rezeptfreies Antidepressivum. Man trifft sich, lässt die Sau raus, am nächsten Morgen – na ja, vielleicht eher Mittag – ist wieder gut, alle gehen ihrer Wege und Alles bleibt beim Alten. Denn so sehr wir uns auch darauf versteifen, dass ein neues Jahr wie eine neue Chance für das eigene Leben ist, Wandel entsteht nur, wenn man sich selbst wandelt, anstatt dazusitzen und zu hoffen, dass 20xx es schon richten wird. Zeit vergeht. Sie vergeht nicht für jeden gleich, das ist auch so eine Wahrnehmungsgeschichte, aber zurückdrehen lässt sie sich niemals. Und weil es ziemlich einfach ist, am eigenen Tun oder Lassen irgendwas Negatives zu finden, fallen die oben erwähnten Bilanzen dann zumeist auch eher ernüchternd aus.

Dies oder jenes nicht geschafft, ja nicht mal in Angriff genommen; hier eine Chance verpasst, da eine schlechte Entscheidung getroffen. Selbstzerfleischung und die daraus unweigerlich resultierenden Selbstzweifel brauchen am Ende eines weiteren nicht allzu erfolgreichen Jahres ein Pflaster, woraus folgt: Silvester muss geil sein, prall gefüllt mit Action und guten Vorsätzen. Was muss nicht alles besser werden… Das allein das Fassen guter Vorsätze schon die nächste Silvesterpflasterwürdige Enttäuschung in sich trägt, wird dabei gerne geflissentlich übersehen. Menschen ändern sich langsam, mit zunehmendem Alter immer schwerer und eine realistische Selbsteinschätzung abgeben zu können ist etwas, dass unsere Spezies erst noch lernen muss. Das kann man gut beobachten, wenn man mal seinen Kollegen bei der Arbeit und dann bei ihren Berichten davon während formloser Anlässe, zum Beispiel am Wasserloch zusieht. Die dabei zu beobachtende Inkongruenz zwischen der tatsächlich erbrachten Leistung und dem Bericht darüber ist mir persönlich schon zu oft negativ aufgefallen.

Da sitzt man nun also in der Silvesternacht oder am Neujahrsmorgen in unerfreulicher Selbstbeschau und um die Geister der vergangenen Weihnacht zu verjagen, beschließt man, ab jetzt aber auch so richtig alles anders zu machen. Besser, größer, schöner, ehrlicher, und so weiter und so fort. Weil drunter geht es ja in unserem Zeitalter nicht. Und rumms, keine zwei Wochen später, wenn es überhaupt so lange dauert, ist man in eines der selbst ausgelegten Bäreneisen getreten. Zunächst versucht man noch verzweifelt, den eigenen Zielvorgaben gerecht zu werden, aber spätestens im Frühling beginnt sich das Gefühl auszubreiten, dass man ja noch jung ist und es dieses Jahr mal wieder etwas ruhiger angehen sollte. Es kommt ja wieder ein neues Silvester. Und was lernen wir daraus? Gute Vorsätze sind ein Selbstbetrug auf Zeit mit 100% Enttäuscht-werden-Garantie. So was brauch ich und will ich nicht!

Mir wäre es lieber, wenn man immer mal wieder über sich selbst und seine Beziehungen, über das was man für sich und andere erreicht hat, das was man noch erreichen will und die möglichen Wege dorthin nachdenkt, vollkommen unabhängig davon, ob Silvester ist, oder nicht. Diese Nacht ist ein Rite de Passage, sie markiert den Umkehrpunkt, ab dem der Lebenszyklus durch die Jahreszeiten von neuem beginnt. Würden wir den Jahreswechsel Ende Juni begehen, hätten wir trotzdem in einer Mittwinternacht ein Fest, welches dieses Ereignis begeht. Schließlich braucht man einen halbwegs glaubwürdigen Grund zum Feiern. Feiern ist auch in Ordnung, aber bitte nehmt euch keine guten Vorsätze vor, sondern denkt lieber öfter mal über euch und euer Leben nach, das bringt viel mehr. Und zusammen einen saufen kann man eh immer, wenn einem danach ist.

Oh du fröhliche…

Ach ja, es ist schon seltsam. Immer wenn sich der 24 Dezember nähert, findet man in den verschiedensten Presseerzeugnissen – und heutzutage natürlich auch in den Online-Medien – satireartige Artikel, welche die höchst ambivalente Verbindung des jeweiligen Autors zum höchsten Fest im Jahr auf mal mehr, mal weniger humoreske Art kolportieren sollen. Die Basis dafür bilden die, häufig als gefährlich beschriebene, Gemengelage interfamiliärer Beziehungsgeflechte, sowie die stets überzeichneten Befindlichkeiten einiger stereotypisierter Mitglieder der Mischpoke. HA HA, WITZIG…

Ich will gestehen, dass auch in meinem Familienverbund das Eine oder Andere nicht gerade zur Gemütlichkeit gereicht, wenn denn mal wieder die (f)rohen Festtage anstehen. Und natürlich juckt es auch mich manchmal in den Fingern, eine saftige kleine Abrechnung mit den durchaus in gewisser Zahl auffindbaren Schrullen, Vorstellungen und Handlungsweisen hinzuknallen; mit jedem vergehenden Jahr wird dieser Drang allerdings ein wenig kleiner. Nicht, weil etwa plötzlich alles Friede, Freude, Eierkuchen wäre. Wer glaubt den sowas? Allerdings wird man mit zunehmendem Alter ruhiger, duldsamer und weiß solche Zusammenkünfte auf einer anderen Ebene zu schätzen als früher.

Natürlich werden bei solchen seltenen Gelegenheiten immer die gleichen ollen Kamellen aufgekocht, natürlich sind die über Jahrzehnte ausgefeilten, in Traditionen geronnenen Rituale wenn überhaupt, so nur geringen Wandlungen unterworfen und ebenso natürlich passieren Peinlichkeiten, auf die man hätte verzichten können. Aber meine Mutter kann immer noch ziemlich gut kochen. Sich des Gesundheitszustandes meiner Verwandten versichern zu können, bekommt über die Jahre eine größere Priorität, denn wer weiß schon, wie alt sie noch werden. Das hat nichts mit Zynismus zu tun, sondern mit der schlichten Wahrheit, dass wir alle irgendwann sterben müssen. Hat man sich vorher mal damit beschäftigt, haut es einen wenigsten nicht vollkommen aus den Latschen, wenn ein lieber – das gilt aber auch für einen nicht ganz so lieben – Verwandter in Gras beißt.

Weihnachten ist das Fest der Liebe, sagt man und es kann nicht schaden, sich in diesem Zusammenhang nochmal zu vergewissern, wen man liebt und warum. Und ganz nebenbei kann man es auch als Test nutzen, um herauszufinden, wer einen selbst zurückliebt. Man sollte jetzt nur nicht dem Irrtum aufsitzen, dass sich dies anhand des summierten Wertes der Geschenke ablesen lässt. Ich gestehe: auch ich lasse mir gerne etwas schenken. Ich freue mich schon, wenn man mir eine kleine Aufmerksamkeit zukommen lässt. Wer tut das nicht? Ich schenke aber auch gerne. Und ich erlebe den Heiligen Abend im kleinen Kreise meiner eigenen Familie als eine Art Zeitreise, wenn leuchtende Kinderaugen das Ratsch-Ratsch begleiten und sich der Verpackungsaufwand in Restmüll verwandelt; ich selbst mache es auch heute noch wie früher: Ratsch-Ratsch! Früher aus reiner Ungeduld. Heute kann ich wenigstens behaupten, dass ich nicht an die Wiederverwendbarkeit von Geschenkpapier glaube…

Der ganze Trubel dauert wenige Tage und versetzt dennoch über Wochen und Monate die Gemüter in Wallung wie Nichts sonst; außer vielleicht Kriegsalarm. Das allein ist ausreichender Anlass, sich ein bisschen darüber lustig zu machen. Aber bitte nicht zu sehr. Denn bei aller Sorge um die Vorbereitung prandialer Detonationen, reicher Gabenteller und duchgestylter Wohnungen bleibt allzu oft auf der Strecke, was so viel beschworen, aber so selten erreicht wird: nö, nicht die Besinnlichkeit. Die kommt nämlich von ganz alleine, wenn man Frieden findet. Den Frieden, den Weihnachten uns eigentlich versprechen will. Mal schauen, ob wir’s dieses Jahr wieder schaffen, ihn wenigstens im Kreise der Familie zu halten? Das wünsche ich euch allen. Bis die Tage wieder.

Sozialpuzzle – oder warum Pegida-Mitläufer nicht der Teufel sind…

Hübsches Wort oder? Ist mir die Tage so eingefallen und eine kurze Googlesuche hat mir eröffnet, dass noch niemand es anscheinend in dem Zusammenhang benutzt hat, der mir jetzt gerade vorschwebt. Unsere (post)moderne Gesellschaft ist wie ein Sozialpuzzle. Viele Teile greifen auf unterschiedliche, jedoch je einzigartige Weise ineinander. Ich könnte jetzt wieder Systemtheorie zitieren, oder von dezentraler Kontextsteuerung reden, aber für die Angelegenheit, mit der ich mich auseinandersetzen möchte, ist das Bild vom Puzzle mit seinen unterschiedlichen Teilen vollkommen ausreichend. Doch zunächst ein paar Gedanken zum Thema:

Jedes Teil symbolisiert ein Subsystem unserer Gesellschaft, zum Beispiel Verwaltungseinheiten wie städtische Ordnungsämter, oder verschiedene nicht-stattliche Organisationen, die sich an der Gestaltung von Gesellschaft beteiligen, wie etwa Gewerkschaften, Interessenverbände, Bürgerinitiativen und Ähnliches. Nicht jedes Puzzleteil ist gleich groß, aber nur zusammen ergeben sie ein sinnhaftes Gesamtbild. Das bedeutet, dass man nicht einfach ein Teil wegnehmen kann, weil jedes Subsystem auf die Anderen um sich herum einwirkt. Ein gutes Beispiel sind Tarifabschlüsse. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände verhandeln und wenn sie nicht im Guten zu einem Ergebnis kommen, dann wird durch Dritte Druck aufgebaut, in aller Regel durch Streiks. Dann nehmen weite Teile der Gesellschaft davon Notiz, dass ein Konflikt schwelt, was Handlungszwang aufbaut, der üblicherweise den wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeber folgt. Mindereinnahmen, Imageverlust, etc. sind unübersehbare Folgen, die man nicht allzu lange tolerieren kann. Gäbe es keine Gewerkschaften, müsste man wohl davon ausgehen, dass es um die Arbeitnehmerrechte nicht so gut bestellt wäre. Ein Blick in Staaten, in denen es keine oder kaum Gewerkschaften gibt, wirkt da sehr erhellend. Oder der Blick auf Solidarnosz, jene polnische Gewerkschaft, die an der demokratischen Wende 1989 in wichtigem Maße beteiligt war.

Das Sozialpuzzle ist ein Sinnbild für die gegenseitige Beeinflussung und Abhängigkeit verschiedener sozialer Systeme. In der Systemtheorie ging man zunächst davon aus, dass jedes Subsystem den Zustand der Autopoiese erreicht, sich also zuvorderst selbst erhält und dann seine Funktionen erfüllt. Doch ein Blick in soziale Realitäten sagt uns, dass kein Teilsystem unabhängig von den Anderen agieren kann, weil in einer funktional hoch differenzierten Gesellschaft, in der jede Funktion, wie zum Beispiel die Schulbildung, oder das Gesundheitswesen ihre eigenen Spezialisten hat, alles miteinander zusammenhängt. Ohne Schule gibt es kein Ausbildungswesen, gibt es keine Industrie und kein Handwerk, gibt es keine Energieerzeugung, gibt es keine Infrastruktur gibt es keine Schule. Und solche, als Interdependenzen bezeichneten, Zusammenhänge gibt es in jedem gesellschaftlichen Teilbereich. Das Puzzle ist also nur dann sinnvoll zu betrachten, wenn es zusammengesetzt bleibt.

Eine Eigenheit, die gleichzeitig einen großen Unterschied zu „normalen“ Puzzles bildet, ist die Veränderlichkeit. Manche Teilsysteme, oder besser Puzzleteile gewinnen im Lauf der Zeit an Wichtigkeit, andere verlieren, manche verändern ihre Position, relativ zu den anderen Teilen, neue entstehen, wenn alte einfach verschwinden. Weil das Gesamtbild sich stets weiterentwickelt, da wir ja nicht einfach auf einem technologischen, kulturellen, oder politischen Niveau verweilen. Der Wandel ist offensichtlich ein Grundzug unserer menschlichen Natur und so wenig, wie wir stehen bleiben, tut es die Gesellschaft, in die wir eingebettet sind. Aber nicht alle auf die gleiche Weise. Womit einsichtig wird, dass die tatsächliche Geschwindigkeit des Wandels und die Geschwindigkeit, mit der sich unser je persönliches Bild von Gesellschaft, also das individuelle Sozialpuzzle ändern nicht zwingend gleich, ja nicht einmal ähnlich sein müssen. Ein altes Chinesisches Sprichwort sagt: „Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Schutzmauern und die anderen Windmühlen.“ Danke Tante Google! Für jene, die’s mal wieder nicht kapiert haben: Die Anpassungsfähigkeit an den Wandel, der einen unveräußerlicher Teil unserer Natur und damit auch unserer Gesellschaft darstellt, ist NICHT in jedem Menschen gleich entwickelt! Und das zeitigt jede Menge Probleme…

Diese waren vor allem sozialer Natur. Die neoliberalistische Entfesselung der Märkte in der 80er und 90er Jahren des voran gegangenen Jahrhunderts, die wirtschaftliche Globalisierung, der radikal schnelle technologische Fortschritt, all das zusammen hat alte Bedeutungszusammenhänge entwertet; alte Ideale, Werte, Normen taugten plötzlich nicht mehr in der schönen neuen Welt. Die Folge waren und sind immer noch, oder besser immer mehr, soziale Verwerfungen, die wir heute allenthalben spüren. Während aber alte Gewissheiten verloren gingen, hat so gut wie nichts diese bis heute ersetzen können. In der Folge fühlen sich Menschen nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht existenziell bedroht, denn so mancher kann dem nun herrschenden Anpassungsdruck nicht standhalten, was den Verlust beruflicher Qualifikation und somit nicht allzu selten auch des Einkommens bedeutet. Auch das soziale Prestige, welches sich nicht nur durch Einkommen sondern auch durch die Zugehörigkeit zu Peergroups realisiert, ist in deren Augen bedroht; weil der eigenen sozialen Gruppe vielleicht kein gesellschaftliches Gewicht mehr zufällt. Und dieses Gewicht ist wichtig für das Selbstwertgefühl.

Und dann treten auch noch die Zuwanderer auf den Plan und werden als zusätzliche Konkurrenz um knappe Ressourcen wie Arbeit, daraus resultierendes Einkommen und staatliche Transferleistungen wie ALG2, Kindergeld usw. wahrgenommen; „die kommen hier her und nehmen uns unser Geld weg!“ Gewiss sind unsere Sozialsysteme umlagefinanziert, was bedeutet, alle zahlen ein und jene, die brauchen bekommen dann etwas aus dem Topf – abzüglich der Tatsachen, dass a) alle Regierungen seit 1949 auf die eine oder andere Weise Geld zum Kauf von Wählerstimmen verschleudert haben und b) unsere Gesellschaft überdies rapide altert. Es ist einfach nicht unendlich viel da.

Da sind „die Ausländer“ immer ein willkommener Sündenbock für den Fehler, zu glauben, dass überkommene ordnungspolitische Prinzipien heutzutage noch einen Pfifferling wert sind und dass Manager tatsächlich Unternehmen führen. Aber anstatt sich ehrlich vor das Volk hinzustellen und ihnen zu sagen, wie der Hase läuft, nämlich dass man in einer modernen arbeitsteiligen Gesellschaft Kompromisse machen muss, nicht beliebig viel umverteilen kann, weil sonst auch das leistungsfähigste Unternehmen irgendwann den Geist aufgibt und wie die Kosten-Nutzen-Rechnung der Zuwanderung tatsächlich aussieht, stellt man sich verschnupft, beschimpft all die wütenden und ängstlichen Menschen als Nazis und hofft, dass keiner merkt, wie tief man den Karren selbst in die Scheiße geritten hat. Das unzählige Medienschaffende dankbar auf den satirischen Zug aufspringen und durch das billige, unreflektierte Abqualifizieren dieser Leute Lacher generieren, finde ich ehrlich gesagt zum Kotzen. Wir wurden endgültig in den Schlaf gemerkelt.

Noch ein letztes Mal für alle: Pegida ist nicht das Problem, sondern ein Symptom. Und symptomatische Therapie kann in der Medizin kurzfristig hilfreich sein, ersetzt jedoch nicht die kausale Therapie. Und die wäre auf „die braune Soße aus Leipzig“ bezogen, die Leute aufzuklären, den Populisten das Wasser abzugraben und selbst vor irgendwelchen halbgaren Äußerung erst mal lange nachzudenken. Aber wahrscheinlich sind die meisten Menschen in meinem Sermon nicht mal bis hier gekommen, wie kann ich da erwarten, dass sie komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge verstehen und entsprechen handeln können. Ach was soll‘s, macht doch, was ihr wollt, ihr Narren!

PS: Ich Simpel habe tatsächlich Leipzig und Dresden verwechselt… mea maxima culpa!

A snipet of laziness…

Wenn ich so über die letzten Jahre zurück schaue, die doch ziemlich mit Aktivität angefüllt waren, gleich ob’s dabei um die Familie, meine Hobbies, mein Studium oder meinen Job ging, entfährt mir oft der Spruch, dass ich mich 2008 das letzte Mal gelangweilt hätte; im November 2008 kam meine erste Tochter auf die Welt. Sicher ein ganz netter Spruch, der den Aufwand und die Mühen des Elternseins bei gleichzeitiger Berufstätigkeit mit einem Augenzwinkern präsentiert. Und ich versichere hiermit öffentlich, dass ich meinen Teil an der Erziehung unserer Kinder und an der Hausarbeit ziemlich ernst nehme. Fragt meine Gattin!

Aber natürlich ist der Spruch nicht so ganz richtig. Und es wäre auch schlimm, wenn ich mir tatsächlich niemals die Freiheit des Müßigganges erlauben würde. Rückzugsorte, die unsere Batterien wieder aufladen verbergen sich überall und man muss sich manchmal gestatten, Fünfe gerade sein zu lassen. Gerade, bevor ich diese Zeilen schrieb, ließ ich mich eine Weile durchs Internet treiben. Sehr oft nutze ich das Weltinformationsgewebe tatsächlich zur Recherche. Mit ein wenig Übung kann man erlernen, wo sich gute, zuverlässige Fakten finden lassen. Aber selbstverständlich ist das Netz ebenso ein Ort der Unterhaltung und ich lasse es mir nicht nehmen, dann und wann ein wenig in musikalischen Erinnerungen zu schwelgen, oder vollkommen ohne Ziel irgendwelchen Webspuren zu folgen, mich quasi einer Idee folgend von Link zu Link zu hangeln, um dabei unerwartete, wunderbare, faszinierende, interessante, nutzlose, verwirrende, falsche, gefährliche, polarisierende, abseitige, irgendwie anrüchige, seltsame und noch mit unzähligen weiteren Adjektiven beschreibbare Dinge zu finden. Einfach, weil ich es kann.

„Puh, was für eine Zeitverschwendung…“, mag der eine oder andere jetzt denken, aber wer ohne Sünde ist, darf gerne eine E-Mail an mich schreiben, um mir zu erklären, wie man andernorts das Bedürfnis nach Zerstreuung stillt und dabei gleichzeitig zunächst nutzlos erscheinendes Wissen erwirbt. Viele Menschen suchen sich Inseln des Wissens, die sie dann ausbauen und dabei nicht zu selten automatisch gegen Vernetzung fortifizieren. Dabei ist Inselwissen nutzlos, erst der Kontext vieler miteinander vernetzter Inseln bildet interdisziplinär anwendbares Wissen, oder das, was man gelegentlich als Allgemeinbildung bezeichnet. Die besteht nämlich nicht nur aus der Anhäufung enzyklopädischer Fakten, sondern vor allem aus dem zueinander in Bezug Setzen derselben. Eine gewisse Analogie zum herummäandern im Internet lässt sich da nur schwer verbergen…

Mitnichten ist alles sinnvoll, was ich mir bei solchen Streifzügen anschaue. Manches ist witzig, manches wirklich nutzlos, manches einfach nur schlecht, oder schlimm, oder beides gleichzeitig; und manches ist auch schlicht Porno, wofür ich mich mit Sicherheit bei niemandem entschuldigen werde. Aber ab und an schält sich `ne Perle aus der Auster. Also ist mein Internet-Müßiggang doch nicht ganz so sinnlos, wie es zunächst den Anschein haben mag. Trotzdem müssen wir uns alle ab und zu ein snipet of laziness gönnen; das macht locker, munter und wieder Lust auf Sinnvolles. In diesem Sinne viel Spaß – vielleicht schickt ihr mir ja mal ein sehenswertes Fundstück.

Mein unglaublicher Hulk…

Ich hatte dieser Tage ein sehr erhellendes Gespräch mit einem lieben Bekannten, der mir offenbarte, an etwas zu leiden, dass auch mich selbst bis heute immer wieder heimsucht; nämlich eine tief greifende Wut. Nicht diese Art von Ärger, die einen immer nur dann heimsucht, wenn alle Autofahrer mal wieder aus Bad Blödingen zu kommen scheinen, die Servicefachkraft unhöflich oder schlicht inept ist, man etwas beobachten muss, dass zumindest auf den ersten Blick furchtbar ungerecht ist, oder einfach nur überall zu viele Menschen vor einem genau jetzt genau das gleiche wollen, wie man selbst. Sondern vielmehr dieses unauslöschliche, weißglühende Feuer, dass bestimmte Menschen vor sich her treibt und dessen mächtige Energie manchmal nur durch blinden Aktionismus kanalisiert werden kann. Man kennt den Ausdruck, dass jemand ein Getriebener sei; Bruce Banner treibt den Sachverhalt mit folgenden Worten auf die Spitze: „Mein Geheimnis ist: ich bin einfach immer wütend…“

Nun offensichtlich teilt dieser Mensch das sich getrieben fühlen mit mir. Das äußert sich mal auf charmante Art, wenn ich die Arbeit für meinen Boss oder auch für meine privaten Projekte wie ein Maniker durchpeitsche; oder in weniger gefälliger Form, wenn ich – viel zu oft wegen Nichtigkeiten – platze wie ein Haubitzengranate. Es gibt bei solchen Eruptionen durchaus unterschiedliche Stärken, vergleichbar mit der Richter-Skala. Doch weder ich, noch Menschen, die mich wirklich gut kennen, haben bis heute ein Frühwarnsystem entwickeln können. Es ist nämlich mitnichten so, dass ich immer wegen der gleichen Sache abgehe, wie ein rotes Moped. Reizend auf der Klaviatur meiner Emotionen zu spielen, ist daher nicht berechenbar, sondern eher wie Pogo-Hüpfen im Minenfeld, wenngleich im Lauf der Jahre zumindest auf der cholerischen Seite etwas ruhiger geworden bin. Das Feuer, oder besser mein innerer Hulk als Triebfeder für meine Produktivität und Kreativität, das lodert hingegen immer noch hell – oder vielleicht auch immer heller…?

Der Volksmund spricht gerne von dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn. Nun war ich zwar psychisch erkrankt, im Sinne einer Depression, welche sich allerdings, wie ich mit Freude zu vermelden weiß auf stetem Rückzug befindet, aber von Wahnsinn im klassischen Sinne findet man bei mir keine Spur. Mit Bedauern jedoch muss ich vermelden, dass ich auch kein Genie bin, sondern lediglich ein Typ, der versucht über den Tellerrand zu schauen und alles, was er dabei so zu Gesicht bekommt überdenkt und des Öfteren auch kommentiert. Wenn man aber die Schwarzweißbilder mal bei Seite lässt, gibt es natürlich Gradationen von Genie und Wahnsinn, die dem Volksmund empirisch durchaus dabei helfen, seinen nicht sonderlich guten Leumund hier ein wenig aufzupolieren. An dieser Stelle noch mal der Hinweis auf das ebenfalls dem Allgemeinsprech entnommene Bild vom Getriebenen.

Bleibt man bei dieser Denkweise, dann ist mein halbwegs wacher, jedoch stets vom Feuer angetriebener Intellekt eine, na sagen wir mal, weniger leistungsfähige Unterform des Genies, sozusagen also der Bruce Banner in mir. Und mein manchmal herausplatzender Hulk das dazu passende Pendant auf der Wahnsinn-Seite. So gesehen ist meine Bilanz, wenn auch auf niedrigerem Niveau dennoch durchaus ausgeglichen. Die guten und die schlechten Eigenschaften des Getriebenen halten sich die Waage. Doch was kann alles passieren, wenn genau das nicht (mehr) der Fall ist. Mein Bruce Banner wurde nämlich sehr depressiv, er legte sich hin und ließ einfach alles passieren, wie es gerade kam; es war im einfach egal. Was dazu führte, dass auch meine Produktivität und Kreativität abgestürzt sind. Anscheinend kann ich das eine nicht ohne das andere haben und alles in allem bin ich darüber nicht mal böse oder enttäuscht.

So, wie ich die Sache sehe, muss ich mich eben damit arrangieren, dass dieses Feuer mich verzehren kann, wenn ich mich ihm vollkommen hingebe; andererseits fühlt es sich aber granatenmäßig beschissen an, überhaupt nicht vorwärts zu kommen, weil man gar keinen positiven Zugang zu seiner Energie mehr hat. Paradoxerweise machte mich das überdies fuchsteufelswild. Will heißen, während Bruce sein Jammertal durchschritt, fing mein unglaublicher Hulk an, mich richtig unschöne Dinge tun zu lassen. Es wurde… schwer kontrollierbar. Das war nicht schön, dennoch habe ich es als heilsamen Warnschuss wahrnehmen gelernt, gleichsam meinem Bruce immer mal eine schöne Pause zu gönnen und meinem Hulk genug Auslauf zu geben, so dass beiden Seiten meines Naturells genüge getan sei. Fällt immer noch schwer, sich in den richtigen Momenten zu bremsen – dafür gönne ich es mir, an anderer Stelle bewusst und mit Lust die Sau rauszulassen. Ist möglicherweise nicht nur für mich ein Modell. Und man muss ja nicht gleich einen Purge-Day einführen. Obwohl…?

PEGIDA: PErsönlich Getroffene Individuen Dürfen Alles?

Um es gleich vorweg zu nehmen: NEIN dürfen sie nicht. Allerdings darf man als Beobachter und Kommentator auch dann, wenn eine gewisse Nähe verschiedener Personen aus dem Umfeld dieser so genannten Bewegung zu rechtsnationalen Kreisen nur schwer zu leugnen ist, nicht einfach jeden, der da auf der Straße mitläuft als Nazi skandalisieren oder gar kriminalisieren. Denn damit entzieht man sich auf allzu billige Art der Verantwortung, eine eigentlich lange überfällige Diskussion um die Themen Migration und Integration endlich in die Mitte der Gesellschaft zu tragen. Nicht wenige Menschen, die da auf diesen, zugegeben fälschlicherweise auf die so genannten Montagsdemonstrationen Bezug nehmenden „Abendspaziergängen“ mitgehen, stammen nämlich von dort; eben aus der Mitte der Gesellschaft. Und das bei diesen Kundgebungen kaum überhörbare Maß an gefährlichem Un- bzw. Halbwissen, welches hier emotional hoch aufgeladen als Wahrheit verkauft wird, darf nicht einfach unwidersprochen bleiben! Belässt man es dabei, diese Menschen einfach zu diffamieren und alles Gesagte als Nazigeseiere abzutun, wie das von offizieller Stelle mittlerweile mehrfach getan wurde – aber unser Bundesjustizminister hatte sonst ja auch bislang kaum Gelegenheit, sich zu profilieren – dürften sich viele aktuelle Pegida-Anhänger nicht zu Unrecht in ihrer Demokratiemüdigkeit, ihren Ängsten und Vorurteilen bestätigt fühlen. Bravo! Billiger kann man die Wählerstimmen kaum von der Wahlurne weg, oder noch schlimmer, zum rechten Rand treiben!

Interessant ist dabei der Umstand, dass sich unglaublich viele Menschen unterschiedlichster Couleur dazu bemüßigt fühlen, etwas ÜBER PEGIDA und seine Mitläufer zu sagen. Den Diskurs MIT diesen Menschen hat aber, soweit ich das beurteilen kann, noch kaum einer gesucht. Und die typischen Polit-Talkshows, in denen man ja bekanntlich immer jemanden einlädt, um ihn bzw. sie öffentlich vorführen zu können zählen hier auch nicht als ernsthafte Versuche. Dafür nimmt der Zentralrat der Juden in Deutschland den Islam in Schutz, Politiker aller Parteien bezeichnen die Demonstranten einfach mal pauschalierend als Nazis, und die AfD… tja die suchen den Schulterschluss, im pathetischen Versuch, ihre langsam aber sicher – Gott sei Dank – schwindenden Krawallprozente wieder mit einem schön demagogisierbaren Thema aufzufüllen. Soweit im Osten nichts Neues.

Doch PEGIDA und die AfD sind zwei Phänomene unserer Zeit, die eigentlich nicht durch Ignoranz-getränktes Aussitzen gelöst werden können, offenbaren sie doch einen viel tiefer gehenden Bruch in unserer Gesellschaft. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen offenbaren, so man sich die Mühe macht, sie zu lesen einen unheiligen Zusammenhang zwischen, als bedrückend empfundener sozialer Ungleichheit und dem Aufflammen nationalistischer Gesinnung. Es handelt sich dabei um einen Prozess sozialer Schließung, der weniger etwas mit tatsächlichen kulturellen oder religiösen Differenzen zu tun hat, sondern mit der Angst vor dem Verlust von pekuniärer und sozialer Sicherheit. Die Zuwanderer werden als Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und beim Erhalt staatlicher Transferleistungen betrachtet und dann auf Grund ihrer andersartigen kulturellen Identität stigmatisiert, obschon die tatsächlichen Unterschiede zwischen „DENEN“ und „UNS“ gar nicht so groß sind, wie man sich das vielleicht gerne einreden möchte. Dennoch lässt sich vieles von dem, was da zum Beispiel in Leipzig skandiert wird, auf diese soziale Verlustangst zurückführen.

Das wahre Problem sind nicht die Populisten, die mit der vordergründigen Angstmache gegenüber dem Fremden auf Stimmenfang gehen. Das Problem ist auch nicht, dass das Boot voll wäre. Wer die Studie von Prof. Dr. Bonin vom ZEW halbwegs aufmerksam gelesen hat – sie wurde von der Bertelsmann-Stiftung beauftragt und in den Medien publiziert – weiß, dass diese Behauptung schlichter Humbug ist. Das Problem ist, dass unsere Politiker die sich in der BRD immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich schönreden, allesamt die, der FDP immer so schön vorgeworfene, Lobby- und Klientelpolitik betreiben und die daraus resultierende Unruhe pauschal als undemokratische Auswüchse bezeichnen; bei PEGIDA sind dann all diese Menschen, die meistenteils einfach Angst vor dem Weg ins soziale Abseits haben dann also plötzlich alle Nazis…

Ich gestehe, dass ich von unserer gegenwärtigen Politikergeneration nicht mehr allzu viel erwarte, aber hier muss dann mal Schluss sein damit, einfach jeden, der nicht der Frau Pastorentochter nach dem Munde redet, wahlweise als Depp, Clown oder Nazi hinzustellen. Sinnvoller wäre es, das Gespräch direkt dort zu suchen. Sich die Sorgen der Menschen anzuhören. Ihnen anschaulich zu erklären, was es tatsächlich mit Zuwanderung und Asyl auf sich hat. Ihnen zu zeigen, dass ihre Angst diesbezüglich unbegründet ist. Aber ernst zu nehmen, dass sie sich existenziell bedroht fühlen und herauszufinden, was dagegen getan werden muss. Das würde allerdings im Umkehrschluss bedeuten, dass man sich von Doktrinen und Dogmen verabschieden und tatsächliche Sozial- und Integrationspolitik betreiben müsste und sich nicht nur das Mäntelchen einer Integrationsbeauftragten mit Migrationshintergrund umzuhängen. Integration in einer pluralistischen Gesellschaft bedeutet nämlich nicht nur Islamkonferenzen und Israelbesuche. Dazu zum Abschluss noch eine Buchempfehlung für jene, die noch nicht Lese- und Denkfaul geworden sind. Das Buch ist zwar schon 17 Jahre alt, aber immer noch hochaktuell:

Von Wilhelm Heitmeyer 1997 herausgegeben: Bundesrepublik Deutschland: Was hält die Gesellschaft zusammen? (Band 2). Erschienen im Suhrkamp-Verlag. Ansonsten eine gute Zeit.

Heute schon das Selbst optimiert?

Ja, ja, ja, ich kann’s nicht mehr hören,

auf alles was sie tun, wollen sie schwören.
Sie hauen richtig rein und schaffen doch nix,
es zählt nur wichtig sein und das am besten fix.
Doch am Ende vom ackern und plagen,
muss man sich dann doch mal ernsthaft fragen:
Von wo kommst du her, wo willst du hin?
Und macht das Ganze denn wirklich einen Sinn?

Ich weiß ja nicht, ob das in diesem Zusammenhang was verloren hat, aber findet die McDonaldisierung eigentlich auch in Burger King Filialen statt? Oh je, jetzt hat er vollkommen den Verstand verloren, oder wie? Mitnichten darf ich antworten, im Gegenteil fühle ich mich so fest im Sattel meines Seins, wie schon lange nicht mehr. Und um den Gedanken gleich zu erklären, der Begriff der McDonaldisierung stammt von dem amerikanischen Sozialwissenschaftler George Ritzer. Vereinfacht gesagt geht es dabei um das Eindringen des Effizienzdiktats in verschiedenste Bereiche unseres Lebens, wobei die Firma McDonals als Sinnbild für eine Unterordnung aller anderen Aspekte eines Sachverhaltes unter das Primat der Effizienz steht; zum einen, weil dort zuerst alle Aspekte der Lebensmittelherstellung und Distribution im Hinblick auf maximalen Ertrag bei minimalem Aufwand durchorganisiert wurden und zum andern, weil man dort auch damit begonnen hat, alle Prozesse so zu organisieren, dass in jedem Franchise eine gleichartiges Erlebnis erwartbar wurde. Will heißen, ein Burger vom Mäkkes schmeckt überall gleich, weil er überall auf die gleiche Art aus den gleichen Inhaltsstoffen hergestellt wird. Die Restaurants sind überall zumindest ähnlich aufgebaut und die Bedienungen agieren überall fast gleich, wenn man gewisse kulturelle Unterschiede beispielsweise zu Asien mal kurz bei Seite lässt. Geht man zu McDonalds, weiß man, was man kriegt…

Nun geht es nicht allein um den Umstand, dass Fastfood – zumindest aus der Sicht der Markeninhaber – effizient und damit profitabel hergestellt werden muss, sondern auch um die gesellschaftlichen Folgen des sich darauf Einlassens durch die Konsumenten. Die Marke, die hier als Namensgeber herhalten musste, steht ja mit ihrem Agieren am Markt nicht allein da, wie meine eingangs, zugegeben nur halb im Scherz gestellte Frage schon illustriert hat. Es geht nicht mal in der Hauptsache um Fastfood, sondern vielmehr um die Frage, was eine derartig an Effizienz orientierte Strukturierung unseres Daseins für Folgen haben kann. Denn was mit dem griffigen Wort McDonaldisierung gemeint ist, bezieht sich ja nicht auf ein Unternehmen, oder auch eine Branche alleine, sondern auf alle Bereiche unseres Lebens. Durch die Illusion von Qualität, welche durch die Gleichförmigkeit des Erlebens der Waren einer bestimmten Marke erzeugt wird, entsteht gleichsam ein Verlangen nach der fiktiven Sicherheit, welche mit diesem Erlebnis einhergeht. Bezogen auf Fastfood bekomme ich immer und immer wieder konsistent und zuverlässig den gleichen Geschmack am Gaumen angeliefert, was mir mit der Zeit vorgaukelt, dass nur DAS der einzig wahre Geschmack eines solchen Produktes sein kann. Doch der Bezug zu anderen Wirtschaftszweigen ist einfach herzustellen; man denke einfach mal an IKEA.

Das zu Grunde liegende Prinzip ist ebenso einfach wie ubiquitär: ich kaufe die Illusion einer bestimmten Qualität, weil es meinen persönlichen Ressourceneinsatz zumindest scheinbar schont und weil viele Andere es genauso machen. Es mag an dieser Stelle verwundern, dass ich tatsächlich so platt mit dem menschlichen Herdentrieb argumentiere, doch ein kurzer Blick durch die eigene Wohnung und die Heimstätten einiger lieber Freunde offenbart, dass ich – im Übrigen nur Mr. Ritzer folgend – wohl doch nicht ganz falsch liege. Das Problem am Konsum vorgefertigter Erlebnisse und Produkte ist, dass ich mich damit zumindest teilweise des authentischen Erlebens meiner Umwelt entziehe, indem ich die auf Konsumanregung ausgelegten Trugbilder der mannigfaltigen Anbieter einer vorgeblich effizienten Lebensgestaltung für wahr annehme. Denn eigentlich kann ich erst dann wissen, ob der Hamburger vom goldenen M tatsächlich DIE Qualität hat, wenn ich mich selbst mal daran versucht habe, welche zu machen. Wenn ich das tue, entziehe ich mich bereits ein Stück weit der selbstauferlegten Sinnesdeprivation, die der Drang nach schneller, weiter, mehr, effizienter in mir hervorruft.

Man könnte nun argumentieren, dass der bloße Konsum von Fastfood, oder der straff durchorganisierte Pauschalurlaub, oder die Schwedenmöbel doch an sich auch schon authentische Erfahrungen sind; allerdings bleibt hierbei anzumerken dass ein auf erwartbar identisches Erleben getrimmtes Produkt alles abseits der Erwartbarkeit abscheidet; um den Konsumenten einerseits mit dem Versprechen der Sicherheit durch Berechenbarkeit und andererseits der Illusion des Ersparens von Kosten und Mühen auf das Wiederkehren einzuschwören. Es geht dabei niemals um den Kunden, sondern immer um den Umsatz. Das einzig wahrhaft authentische an derlei Erlebnissen ist der Schwund im Geldbeutel. Das wahrhaft perfide daran aber ist der subtile Druck des selbst Effizient werden Müssens auf das Individuum, welches durch unsere heutige Welt wandert und all die perfekt gestylten Oberflächen auf sich einstürmen sieht und mit dem Gefühl zurück bleibt, dass alle anderen „es besser drauf haben“ als man selbst. Alle machen alles so schnell und mühelos und, man hat es schon geahnt, effizient! Die Selbstoptimierung als Zwangsverhalten wird als einzig gangbare Lösung aus dem Dilemma der eigenen Unzulänglichkeit offeriert. Strampel dich ab, werde besser, dann wird auch DEIN Leben besser! Dieses sinnlose Mantra wird überall wiederholt, allein schon, weil es sowohl für die Anbieter der schönen Illusionen als auch für die Arbeitgeber einen kostenlosen Mehrwert mit sich bringt: während wir Idioten uns abstrampeln, um immer effizienter zu werden, schöpfen sie den Rahm ab.

Ich pfeife auf den Selbstoptimierungszwang. Wenn ich mir etwas aneigne, ganz gleich ob im Kontext meines Studiums, aus rein privatem Interesse, oder für meinen Job, geht es dabei natürlich auch um die Verbesserung meiner Performance; aber nicht um der Verbesserung Willen, sondern im Interesse derer, an denen ich meine Kenntnisse und Fähigkeiten später einsetze. Und einem dauernd in allem noch effizienter werden müssen setze ich ein klares NEIN entgegen, denn es geht nicht darum, bei allem im Leben mit möglichst wenig Ressourceneinsatz möglichst großen Benefit zu erzielen. Das wäre mir zu sehr Homo Oeconomicus. Es geht darum zu leben; und während man lebt authentische Erfahrung zu sammeln und weiterzugeben. 70% Einsatz reichen dafür, denn wer die ganze Zeit mehr zu geben versucht, brennt erst aus und dann ab. Es gibt Situationen, in denen High Performing notwendig ist, aber ansonsten gilt Galama – ganz langsam machen. Diese Balance zu beherrschen ist wahre Effizienz. Und Schluss!

BeliebICH

Stromgitarren. Ich meine Musik mit Stromgitarren, also am besten zwei davon, dazu ein Strombass, ein Schlagzeug und, falls unbedingt benötigt ein Keyboard; fertig ist ein Ensemble, dass mein Herz zu gewinnen vermag. Ich bin dabei nicht auf eine spezielle Richtung von Stromgitarrenmusik festgelegt – wie ich schon häufiger festgestellt habe, bin ich kein großer Freund von Dogmen – vielmehr gibt es Vertreter unterschiedlichster Stilrichtungen die mich faszinieren. Ich höre auch andere Musik aber zugegebenermaßen ist Stromgitarrenmusik so richtig mein Ding. Immer noch! Und diese Feststellung ist hier wichtig, mich durchzuckte nämlich kürzlich der Gedanke, dass der landläufigen Meinung zufolge der Musikgeschmack ebenso einem Reifungsprozess unterworfen sei, wie alles andere auch. Und dass folglich die Zeit für Stromgitarren vorbei sein müsste, wenn man so richtig erwachsen würde. Was mich ängstigte, weil ich doch meine Stromgitarren so mag und mir eigentlich geschworen hatte, niemals ein Fan von Marianne und Michael zu werden. Ich hab nix gegen die als Menschen, weil ich sie ja gar nicht persönlich kenne, aber dieses schunkelselige Humptata geht mir halt auf den Sack. Und so manches andere auch…

Da ich aber immer noch nicht zum Liebhaber von Volksmusik geworden bin, begann ich mir so zu überlegen, dass das mit dem Musikgeschmack großer Käse ist, denn habe ich ihn einmal entwickelt, ändert er sich wohl nicht mehr so leicht. Zudem kannten wahrscheinlich meine Vorgängergenerationen das mit den Stromgitarren noch nicht so gut und taten es als kindischen Quatsch ab, weil es ihren, unter anderen Einflüssen sozialisierten, Wahrnehmungsschemata zuwider lief. Aber jetzt gibt es Menschen meines Alters und auch so manchen deutlich darüber, der trotz sonstiger Reife (Kennzeichen hierfür sind eine feste Partnerschaft, Kinder, eine feste Bleibe, Schulden und eine gewisse Abgeklärtheit im Umgang mit dem Leben und seinen Stromschnellen an sich) immer noch Stromgitarren mag; was mir erhebliche Hoffnung bereitet, so im Bezug auf Marianne und Michael!

Aus einem anderen Blickwinkel könnte man aber auch sagen, dass die Zahl der Optionen dessen, was wir als unseren persönlichen Stil und unsere Vorlieben definieren zum einen zugenommen hat; die Verfügbarkeit unterschiedlichster Medienangebote und die damit zunehmende Informiertheit nicht nur im sozialen und politischen, sondern eben auch im kulturellen Sinne hat uns ein Vielfaches dessen an Wahlmöglichkeiten beschert, was zwei oder drei Generationen vor mir möglich war. Zum anderen hat sich der Umgang mit Individualität an sich verändert. Früher war es durchaus üblich dass kulturelle Vorlieben und Praktiken tradiert wurden, also von einer Generation auf die nächste übergingen. Die soziale Gruppe, der man zugehörig war, hatte in diesen Belangen Vorrang vor dem Individuum. Heute indes genießt das Individuum Vorrang und lebt diese hinzugewonnene Freiheit auch aus. Was sich eben unter anderem im Musikgeschmack äußert. Überdies spielt seit den späten 60ern die persönliche Distinktion durch differierende Kulturpräferenzen auch bei der Ablösung vom Elternhaus eine weitaus größere Rolle, als dies früher der Fall war. Und der – natürlich je nach Peergroup sehr unterschiedliche – Musikgeschmack wurde hierbei zu einem wichtigen Merkmal so gut wie aller Jugendkulturen.

Was die Zugehörigkeit zu Jugendkulturen angeht, so bin ich mir nicht sicher, wann und auf welche Art heutzutage tatsächlich noch ein für jeden abschließender Übergang ins Erwachsenenleben stattfindet. Der Eintritt ins Erwerbsleben könnte einen solchen Rite de Passage darstellen, doch tatsächlich ist das Ablegen des für Jugendkulturen je typischen Habitus anscheinend auch dabei nicht obligat. Ich selbst grüble immer wieder über die Frage, ob ich mich eigentlich erwachsen fühle, und was das hinsichtlich meines Verhaltens bedeuten müsste. Ich meine, ich übernehme Verantwortung; für meine Familie, meine Arbeit, etc. Falls das genügt, dann bin ich erwachsen; ich fühle mich allerdings nicht so… alt.

Man könnte nun unterstellen, dass das Zeitalter der Beliebigkeit es hat unnötig werden lassen, so richtig in allen Belangen erwachsen zu werden. Aber das greift mir zu kurz, denn einerseits sind unsere Leben nicht so beliebig, wie mancher Soziologe das gerne behauptet; unser familiäres Umfeld ist immer noch eine wichtige Sozialisationsinstanz. Allerdings hat sich der Umgang mit Peergroups verändert. Heute ist die Durchmischung gesellschaftlicher Schichten in der Jugend größer als früher, sind grundlegende kulturelle Präferenzen und Praktiken näher beisammen und Freundeskreise im späteren Leben rekrutieren sich aus einem breiteren gesellschaftlichen Querschnitt, anstatt hauptsächlich aus der eigenen Herkunftsschicht (aus wissenschaftlicher Sicht verkürze ich hier unzulässig, aber das hier ist MEIN Blog, gelle!). Überdies haben sich die Lebenserwartung und die Chancen, sich optisch seine Jugendlichkeit zu bewahren deutlich vergrößert. Womit es nicht wundert, wenn man sich mit 40 eigentlich noch nicht erwachsen fühlt, obschon man doch mit beiden Beinen fest im Leben steht.

Ich mag das Mehr an Optionen, denn so darf ich auch mit 40 noch Stromgitarren mögen. Ein Hinweis auf Beliebigkeit im soziologischen Sinne ist das aber aus meiner Sicht nicht, denn zum einen habe ich sehr wohl ein gefestigtes Set weltanschaulicher Ideen, Normen und Werte; und zum andern muss Beliebigkeit nicht unbedingt mit einer negativen Konnotation einhergehen. Viellicht bedeutet es auch eine größere Wahlfreiheit. Und eine Wahl zu haben ist eines der entscheidenden Kennzeichen von Demokratie, oder? Also bleibe ich BeliebICH… und gehe jetzt ganz dringend was mit Stromgitarren hören.

A snipet of genderism…

Ja, das biologische und das soziale Geschlecht müssen nicht gleich sein. Ja, es gibt Menschen, die sich damit schwer tun, sich in männlich oder weiblich einzusortieren und lieber entweder als geschlechtslos, oder wahlweise als mehrgeschlechtlich wahrgenommen werden wollen und das mitunter auch noch je nach Situation unterschiedlich. Damit komme ich klar. Ich gehöre auch nicht zu den Vätern, die ihre Kinder – in meinem Falle zwei Töchter – in irgendwelche überkommenen Rollenklischees zu dängen versuchen. Es liegt mir wirklich fern, psychologische und soziologische Forschung über die Konstruktion von Identität als Unfug abzutun, dafür bin ich selbst viel zu sehr mit solcher Materie beschäftigt.

Aber ich lasse mich als weißer, westlicher, protestantischer Mann NICHT zum Sündenbock für alles den Frauen bis heute angetane Unrecht abstempeln, nur weil ich zufällig so geboren und aufgewachsen bin. Ich tue mir verdammt schwer, jemanden als Profx oder Ähnliches anzureden oder anzuschreiben, weil ich die Tötung der deutschen Sprache um eines willkürlich erschaffenen Dogmas Willen nicht hinnehmen oder gar selbst mit betreiben will! Sprache ist gewiss symbolvermittelte Kommunikation und auch wenn ich anerkenne, dass sie als solches durchaus ein Mittel zur Konstruktion sozialer Unterschiede und damit zur Machtausübung sein kann, weigere ich mich kategorisch, die Idee einer Attributszuschreibung durch sprachlichen Ausdruck – genau das tue ich nämlich, wenn ich jemanden als Herr oder Frau anspreche, ich ordne der angesprochenen Person eine Eigenschaft, im konkreten Fall ein Geschlecht zu – zu negieren. Und zwar, weil ich andernfalls ein gegebenenfalls notwendiges Attribut erst umständlich und damit auch potentiell missverständlich konstruieren muss. Es wäre um einiges sinnvoller, sich darauf zu einigen, wie man differierende Selbstwahrnehmung zuordnend in der Außenkommunikation ausdrücken kann.

Nicht, weil ich meine, dass jeder ein Label braucht! Das ist nicht der Fall. Sondern, weil sprachliche Präzision die Kommunikation erleichtert, beziehungsweise oft überhaupt erst möglich macht. Das jemand sich nicht als Mann oder Frau fühlt, ist kein Hinderungsgrund, eine Attribuierung der eigenen Person zuzulassen, selbst wenn die Wahrnehmung durch andere zunächst nicht Deckungsgleich mit der eigenen ist. Das dürfte im Übrigen in den allermeisten Fällen sozialer Beziehungen zutreffen, wird aber im Bereich der Gender Studies unnötigerweise skandalisiert. Doch vielleicht wäre es sinnvoll, sich selbst diesbezüglich erst mal zu erklären, bevor man anderen seine eigene Wahrnehmung durch dogmatische Sprachmisshandlung aufzuoktroyieren versucht. Dogmen schaffen nämlich kein Verständnis, sondern Feindschaft.

Und nur mal so am Rande: Wenn Sprache ein solches Machtinstrument zur Unterdrückung hauptsächlich der Frauen aber eben auch der anderen sozialen Geschlechter ist, warum muss Frau/x dann als Gegenmaßnahme unbedingt Männer sprachlich diskriminieren? Ist „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ für Genderisten nicht doch ein bisschen zu Alttestamentarisch? Schöne Woche noch.

Jetzt essen sie Äpfel…

Ja solche Bundesparteitage sind tolle Demonstrationen, dass die Demokratie in unserem Staate noch intakt ist, dass ihre Institutionen noch funktionieren; aber auch dafür, dass ihre Funktionäre noch demokratisch sind? Mit nicht allzu plakativer Wollust wird da auf dem Podium in den sauren Apfel gebissen, der Partei eine neue Agenda, ein neues Ziel, eine Chance zur Auferstehung geben zu müssen und man nutzt als Aufhänger dafür – tada, ein kleiner Tusch muss jetzt schon sein – die gute, ökologisch einwandfreie, gesunde Ernährung als Killerthema für die kommenden Wahlk(r)ämpfe. Ja wirklich, was vollkommen Neues, Unverbrauchtes musste her. Ähm… war da nicht erst kürzlich was mit einem obligaten Veggie-day?

Ich meine, man muss Frau Merkel schon Respekt zollen: die Sozen hat sie mehr oder weniger kampflos aus deren angestammtem Kernkompetenzraum der Sozialpolitik vertrieben, die Grünen des Atomausstieges und des Umweltschutzes beraubt, die CDU zumindest nach außen hin so liberalisiert, dass die FDP sang- und klanglos untergehen musste und das Einzige, was den Grünen als Antwort, als Schärfung des Profils gegenüber der ubiquitär merkelisierten Union einfällt, ist der saure Apfel? Ein schönes Sinnbild, wie ich finde, für den gegenwärtigen Zustand unserer Demokratie. Wir werden von der Frau Pastorentochter allabendlich in den Schlaf gealternativlost und alle schauen Kernobst essend dabei zu, wie diese machtgeilheitsgesteuerte Antithese zu Charisma noch den letzten Rest Mündigkeit hinrichtet, im Namen der Gleichschaltung nach ihrem Bilde der Welt.

Ernsthaft, wo sind alternative Ideen zum nachhaltigen Wirtschaften? Glaubt jetzt wirklich jeder, dass die Art und Weise wie Herr Gabriel bei irgendwelchen Gipfeln Aktivisten abbügelt der Weisheit letzter Schluss in Sachen Energiewende ist? Wo ist der große Wurf zum Thema Bürgerrechte im digitalen Zeitalter? Welche Formen demokratischen Handelns auch für den einzelnen Bürger lassen sich im Netz realisieren, was bedeutet Netzneutralität konkret? Wie lässt sich individuelle Mobilität neu gestalten? Was könnte etwa für alternative Antriebsquellen an Fördermitteln bereitgestellt werden, damit Deutschland auch weiterhin ein Spitzenstandort in Industrie und Forschung bleiben kann?

Nur mit klaren Szenarien davon, wie unsere Zukunft unter Annahme verschiedener Entwicklungspfade aussehen könnte und was wir tun können, um auf diese Einfluss zu nehmen, werden wir fähig sein, Ideen zu entwickeln und Antworten auf drängende Fragen zu finden, die unser Leben in den nächsten Jahrzehnten nachdrücklich beeinflussen werden. Mit Sicherheit ist auch die Frage nach einer Ressourcenschonenderen, gesünderen Ernährung eine wichtige Komponente nachhaltiger Zukunftsentwicklung – aber eben nur eine von vielen. Und wenn die Grünen als Partei nicht genau so abserviert werden wollen, wie etwa die Piraten, dann sollten sie sich auf ihre Werte als Stimme für eine ökologische und gleichsam humane Entwicklung unserer Gesellschaft besinnen.

Drängende Fragen gibt es genug, man hat anscheinend nur noch nicht den Modus Operandi gefunden, diese verständlich aufzubereiten und gleichzeitig sinnvolle Lösungen anzubieten. Dafür ist man ja aber auch viel zu sehr mit internen Machtspielchen, der Aufarbeitung der eigenen Geschichte und dem Ringen um eine gemeinsame Linie beschäftigt. Und so lange man sich eben nicht mal darüber einig ist, wohin der Zug denn nun fahren soll, dürfen diese Menschen eigentlich auch in keinem Führerstand mehr sitzen! Äpfel dürfen sie ja meinetwegen weiterhin kauen…