Wenn es jedoch an das Überblicken größerer Sachzusammenhänge geht neigen wir dazu, unsere recht zielsicheren Instinkte von richtig und falsch über Bord zu werfen und stattdessen auf (zumeist selbsternannte) Experten zu hören, die uns in die eine oder andere Richtung zu lenken versuchen. Betrachtet man Politik vereinfachend und eher nüchtern, geht es immer nur darum, Mehrheiten für die eine oder andere Sichtweise zu beschaffen. Denn die Mehrheit sagt, wo’s langgeht.
In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass wir offenkundig dazu neigen, Menschen hinterher zu rennen, die ganz klar nicht unser, sondern ihr eigenes Bestes im Sinn haben. Wie könnte man es sich sonst erklären, dass das Wahlvolk wieder und wieder bei Parteien sein Kreuzchen macht, deren einzige Errungenschaft in den letzten drei Jahrzehnten die beschleunigte Umverteilung aller erwirtschafteten Werte von unten nach oben ist. Jede Regierung seit 1982 hat die Spreizung zwischen Arm und Reich verschärft, die Reichsten reicher, die Ärmsten ärmer und die Sozial- und Gesundheitssysteme weniger leistungsfähig, dafür aber für die Besitzer von Dienstleistungsunternehmen in diesem Sektor profitabler gemacht.
Es geht uns nicht besser! Oh ja, es ist viel mehr Geld da und eine beeindruckend große Zahl Menschen hat heute einen Job. Allerdings liegt die Arbeitslosenquote immer noch deutlich über der von 1982. Und wesentlich mehr Menschen als damals können von ihrem erwerbseinkommen nicht ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das ist nämlich, was der Begriff „prekäre Arbeitsverhältnisse“ meint. Arbeiten zu gehen und dennoch nicht genug zum Leben zu haben. Ein durchschnittlicher Monat hat 21 Arbeitstage. Bei 8,88€/h Mindestlohn reden wir also von 1491,84€. Brutto! Das macht in Baden-Württemberg, wo ich wohne 1098, 54€ netto. Spätrömische Dekadenz, nicht wahr? Mal ehrlich, speziell alleinerziehende Mütter, die oft in solchen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, sollen davon ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder bestreiten? Ja, die leben bestimmt in Saus und Braus…
Diese knapp 1100 Ücken gibt so Mancher, der von oben auf die sozialen Probleme in unserem Land schaut an einem Abend für Schampus aus. Ich gönne jedem hart arbeitenden Boss seinen Schampus, sein Chalet, seinen Porsche. Auf diese Art von Diskussion will ich nicht hinaus. Denn er (sind ja fast immer noch alles Kerle) hat zumeist für seine Position studiert, hart gearbeitet und selbst einen schweren Weg gehen müssen. Aber ein System, dass die schaltenden und waltenden Eliten belohnt und gleichzeitig – zumindest subjektiv – jene bestraft, welche die tatsächliche Wertschöpfung schultern, wird uns in nicht allzu ferner Zukunft um die Ohren fliegen. Und das vollkommen zu Recht.
Doch zurück zu unserer Wahrnehmung. Anstatt also mal darüber nachzudenken, dass die etablierten Parteien uns immer wieder Versprechungen machen, die sie nicht halten und überdies Sozialsysteme demontiert haben, um neue Geschäftsmodelle für die neoliberalen Einflüsterer (Lobbyist sagt man, glaube ich, in gebildeten Kreisen) schaffen zu können, rennen wir entweder Mutti Merkels Gestrigen-Club hinterher, fühlen aus tradtitioneller Verpflichtung heraus mit Polter-Siggi und seinen planlosen Sozen, oder glauben tatsächlich, dass die AfD eine Kraft des Volkes sein könnte. Lest ihr eigentlich die Parteiprogramme? Ach so, halt… ihr lest ja nicht mal die Nachrichten, ich vergaß…
Die AfD will Frauen zum Kinderkriegen verpflichten (ade Gleichberechtigung – wie wohl Frau Dr. Petry selbst das findet?), unsere Kinder auf das klassisch deutsche Lebensmodell (Vater, Mutter, Kinder, etc.) verpflichten (keine gleichen Rechte für Andersdenkende oder sexuell anders orientierte mehr) und die Wirtschaft stärken, indem sie die Erbschaftssteuer abschaffen, die Märkte noch mehr deregulieren, etc. Ähm, ach und sie wollen mehr soziale Gerechtigkeit und lehnen TTIP ab…! Ja was denn nun?
Noch mal für alle zum Mitschreiben: wenn ich Märkte dereguliere und Regeln des Wirtschaftens liberalisiere (sagen wir mal den Kündigungsschutz lockere), dann bekommen wir amerikanische Wirtschaftsverhältnisse. Das aus dem Steelbelt mittlerweile der Rustbelt geworden ist, hat aber der eine oder andere schon gehört, oder? Zudem basiert unsere Wirtschaft zumindest im Moment auf einem Außenhandelsüberschuss; will heißen, uns geht es gut, weil wir so viel Zeug teuer ins Ausland verkaufen und weniges billig zurückkaufen. Das muss zwar mittelfristig tatsächlich anders werden, aber eine hastig eingeführte protektionistische Handelspolitik, wie sie Donald Trump gerade anstrebt, treibt die Wirtschaft in eine Rezession und damit Menschen in die Armut, denn unsere neoliberalen Superfreunde von der AfD werden kaum Mercedes oder Thyssen-Krupp die Zeche solcher Dummheiten zahlen lassen. Also wäre wieder Ottonormal-Dummkopf dran.
Part 3 morgen…