Beannachtaí na hÉireann N°13 – performative…?

Ich habe in den unendlichen Weiten des Internets mal wieder etwas dazu gelernt, nämlich dass es wohl sogenannte “performative males” gibt; also Männer, die bewusst das Image eines woken, feministischen, sanften, “modernen” Mannes kultivieren, um damit auf Frauenfang zu gehen. Also mit anderen Worten eine gefällige Fassade aufbauen, die danach trachtet, für Mädels attraktiv zu sein, ohne jedoch tatsächliche Substanz zu haben. Dabei spielen wohl bestimmte Kleidungscodes, Musikgeschmäcker und Accessoires eine Rolle, die heutzutage eine Gesinnung symbolisieren sollen. Früher nannte man sowas übrigens “so tun als ob”, “Schauspielern”, “Manipulation” oder was auch immer. Es ist ja nicht so, dass es nicht schon zu allen Zeiten Männer gegeben hätte, die sich als Frauenversteher inszeniert haben, um Mädels rumzukriegen – und sich dabei einen Scheiß für die Belange der Frauen interessiert haben. Das war schon immer mysogyn, daran ändert auch ein neues Hashtag jetzt eher wenig. Was mich heutzutage allerdings immer wieder f***t, ist der Umstand, dass man wirklich ALLES zu einem instagrammierbaren Trend stylen oder Tiktokerisieren muss. Diejenigen, welche darüber berichten und es bewerten, um sich darüber wahlweise mokieren oder echauffieren zu können, sind dabei im Übrigen selbst nichts weiter als performative Aufmerksamkeitshuren. Hauptsache die Shitstorm-Schleuder läuft immer schön auf Hochtouren, denn Klicks verkaufen… was auch immer. My five Cents: wer nicht in der Lage ist, solche Fake-Feminists zu erkennen, sollte sich vielleicht weniger mit den sozialen Medien sondern mehr mit echten Menschen befassen. Das schult die Sinne. Aber was weiß ich schon…

Mich überkam dabei natürlich auch die Frage, welche “performativen” Aspekte ich an mir selbst wahrnehme. Und ihr müsst jetzt stark sein, denn ich muss euch jetzt leider Folgendes mitteilen: wenn das Adjektiv “performativ” neuerdings als Synonym für das Vorspiegeln falscher Tatsachen (also “Lügen”) herhalten muss, anstatt als Indikator für das Erbringen einer Leistung (auf welchem Gebiet auch immer), bin ich endgültig raus. Ja ich bin performativ. Aber eben im letzteren Sinne; und auch nur dann, wenn ich es entweder a) für sinnvoll und angebracht halte, oder b) dazu auf Grund meines Anstellungsverhältnisses durch das mit Geld Beworfen Werden genötigt bin. Und was mein Äußeres und meinen Habitus angeht – ich sehe seit knapp 30 Jahren immer gleich aus. Ich folge keinen Trends (zumal ich in den Klamotten, die für “performative males” beschrieben werden Sch***e aussähe), ich trinke kein Matcha, ich trage keine dämlichen Kappen und ich hasse In-Ear-Kopfhörer. Lediglich den Jutebeuteln kann ich etwas abgewinnen. Allerdings schon seit knapp 35 Jahren… Zu was macht mich das jetzt? Keine Ahnung.Aber die Debatte, ob ich für einen white middle-aged cis-gender male hinreichend feministisch eingestellt bin, führe ich sicher nicht mit irgendwelchen random Deppen im Internet, sondern mit meinen Lieben. Wofür hat man drei Mädels zu Hause! Ich finde es jedenfalls extrem schwierig, dass man immerzu alles zu einem “Trend” einer “Bewegung” oder einem “neuen sozialen Phänomen” machen muss, ohne mal darüber nachzudenken, oder – Gott behüte! – zu recherchieren, was zuvor schon war. Denn so wenig, wie irgendeine Geschichte, die heute erzählt wird vollkommen neu ist, so sind es irgendwelche sozialen Artefakte. Lediglich die Einordnung mag sich ändern. Für mich bleibt der ganze Schmonz einfach nur Click- oder Ragebait. Aber ihr dürft natürlich denken, was ihr wollt.

Für mich viel wichtiger ist nun die schmerzliche Tatsache, dass wir morgen Irland “farewell” oder “Slán”sagen müssen; auch wenn das Wetter die letzten Tage eher durchwachsen blieb, nehme ich einerseits eine Menge schöner Erinnerungen mit, andererseits aber auch – zumindest für jetzt – auch einen erheblichen kreativen Schub, der mich echt glücklich macht. Außerdem warten noch eine weitere Fährfahrt und die dritte Station unserer Reise auf uns. Doch davon werde ich in der kommenden Woche sicher auch noch zu berichten wissen. Bis dahin bleibt immer schön performativ im richtigen Sinne und habt einen guten Start in die kommende Woche.

Beannachtaí na hÉireann N°12 – Keepsakes

Die Heimstadt der Lieben und meiner Wenigkeit ist ein ziemliches Durcheinander. Könnte daran liegen, dass Menschen drin leben. Könnte auch dran liegen, dass manche dieser Menschen es mit dem Thema aufräumen nicht so genau nehmen. Könnte ebensogut auch daran liegen, dass diese Menschen dauernd an irgendwas rumexperimentieren, basteln, bauen, wasweißichen. Und schlussendlich daran, dass sie aus dem Urlaub immer wieder irgendsoein Zeuch mitschleppen, dass die Funktion eines Andenkens erfüllen soll. Nun ist es nach meiner Erfahrung so, dass die allermeisten Andenken bei Erblicken am Reiseort kurz angestaunt, ja sogar angeschmachtet werden, um dann unrühmlich in eine Tüte gestopft davon geschleppt zu werden. Zunächst noch häufiger beachtet müssen sie dann aber irgendwann für die Rückreise eingepackt werden; bei UNS gibt es zum Glück ja keine Gewichtsbegrenzung für das Handgepäck – außer dem oberen Beladelimit des Fahrzeuges. Das mag anderen anders gehen. Nach dem Auspacken zu Hause allerdings werden die Sachen (mit Glück) in einem Regal zu verstauben, oder (mit Pech und wahrscheinlicher) in irgendeinem Karton zu landen, der Jahre später, wenn einen mal wieder die Aufräumwut packt, in den Müll fliegt. Ganz, ganz selten nimmt man dabei das ehemalige Objekt der Begierde noch mal zur Hand, erlebt diesen “Ach ja, damals…”-Moment… und dann fliegt es zumeist trotzdem. Eines der traurigeren Kapitel unseres heißgeliebten Konsummaterialismus’.

Natürlich entwickelt man zu einigen, ausgewählten Stücken unter Umständen über die Zeit eine besonderes Verhältnis. Aber die eigentliche Funktion, sich an einen schönen Ort, einen besonderen Tag, ein erhebendes Erlebnis erinnern zu wollen, geht zumeist in der industriell geformten Beliebigkeit der Objekte verloren. Denn irgendein 1000fach verkaufter Nippes, den ich mir in einem Souvenirgeschäft mal eben mitnehme, hat natürlich mit zeitlichem Abstand ungefähr genausoviel Bezug zu mir und meinen Gefühlen für den Ort oder das dort Erlebte, wie der Sitz in der Straßenbahn, auf dem ich morgens am ersten Tag nach dem Urlaub meinen Allerwertesten postiere. Is also für den Arsch. Ich wanderte dieser Tage durch einen reizenden Ort, ganz hier in der Nähe und selbstverständlich gibt es auch dort Shops, die sich hauptsächlich an Touris richten. Ich richtete, nachdem ich das sonstige Angebot mit der üblichen Ernüchterung studiert hatte, meine Schritte noch flugs zum örtlichen Buchhändler, ohne irgendetwas besonderes zu erwarten – und erblickte doch tatsächlich im Schaufenster ein paar gebrauchte Graphic Novels, die stante pede mein Interesse erregten. Ich hab sie für einen lachhaften Preis mitgenommen – allerdings nicht, ohne mit der reizenden älteren Dame, welche das Geschäft führt, einen netten Plausch über dies und das – und natürlich auch Graphic Novels – geführt zu haben. Das ist eine nette Erinnerung, der ich lange gedenken werde; und bei der ich nebenbei noch was über den Ort und die Leute gelernt habe. Und dass es offensichtlich noch andere Interessenten gab. Haha, zu spät, ihr Zögerlichen… 😉

Die Tage stand jemand an unserem Auto und offenbarte freimütig, dass er dereinst in unserer Heimatstadt studiert habe, aber jetzt hier lebe. Und er meinte, nachdem ich von Rundreise gesprochen hatte, die irische Kultur, dass seien nicht die alten Steine, oder die faszinierende Landschaft, sondern vor allem die Menschen, die hier leben. Natürlich ist das für jedes Land der Welt gültig, aber wenn ich eines über die Iren gelernt habe, dann, dass sie auf ihre Geschichte verdammt stolz sind und, dass das Land die Historie und die Menschen (mit)geformt hat. Und ich suche mir auch im Urlaub gerne aus, mit wem ich einen Plausch führen möchte und wem eher nicht; zu viele Sozialkontakte sind derzeit noch nicht so gut für mich. Daher sind für mich jedoch optische Zeugnisse unserer Reisen (also die vielen Fotos, die ich mache), zumindest für mich, die besten Keepsakes. Zumal sie im Zeitalter der Digitalfotografie nur dann irgendwo irgendwas anderem Platz wegnehmen, um sich als Staubfänger andienen, sofern ich mir die Mühe mache, sie auszudrucken. Das passiert zumeist nur im Kleinformat für meine privaten Journale, die ich ansonsten von Hand vollschmiere. Fallen die jemals dereinst einem Archäologen in die Hand, wird er einen Doktor der Kritzologie zum Entziffern hinzuziehen müssen. Für mich gilt, dass Andenken am besten durch einen selbst gestaltet werden und nicht durch nutzlosen Konsum. Meine Graphic Novels werde ich trotzdem genießen. Euch ein schönes Wochenende.

Beannachtaí na hÉireann N°11 – We’re in for nasty weather…

Habt ihr auch schon mal so eine Bewertung eines Urlaubsdomizils gelesen, wo jemand hart abwertet, weil das Wetter nicht so gut war, wie gewünscht? Habt ihr euch dann auch schon mal gefragt, wie wahrscheinlich es ist, dass diese Person in den Himmel kommt, denn selig sind ja die, die geistig arm sind…? Als wenn mein Ferienhaus irgendwas für das regionale Wetter könnte. Aber hey, Menschoide bewerten ja auch Restaurants schlecht, weil man zu Hause das Schnitzel günstiger haben könnte. [EXKURS: Eine Bewertung soll abbilden, ob ein Produkt oder eine Dienstleistung ein gewisses Qualitätsniveau hat. MICH selbst interessieren dann nicht irgendwelche Kontextfaktoren, sondern inwiefern DIESES Produkt oder DIESE Dienstleistung den gängigen Anforderungen entspricht. Und die Sternchen symbolisieren umgekehrt proportional zu Schulnoten, was Phase ist; 5 Sterne sind also eine 1+, ein Stern eine 5 (also mangelhaft). Und ein “Mangelhaft” hat etwas nur verdient, wenn das Ding selbst die Anforderungen nicht hinreichend erfüllt. Nicht jedoch, wenn der Paketbote dumm ist, oder der Händler teurer als andere, oder ich von einer Sache etwas erwarte, was diese Sache PER DEFINITIONEM nicht leisten kann. EXKURS ENDE]. Wir – also meine Lieben und ich – sind ja nun derzeit in Irland, spezifisch im County Kerry, also an der südwestlichen Spitze der grünen Insel. Hier hat es – dank des Golfstroms – das mildeste Klima; allerdings ist es ebenfalls die regenreichste Region des Landes. Sowas weiß man übrigens, BEVOR man irgendwo hinreist. Ich hatte mich also NICHT auf einen Sommersonnestrandurlaub eingestellt, sondern auf wilde Landschaft, alte Steine und evtl. Abende am Kaminfeuer. Oder, wie der Bootskapitän, der uns nach Innisfallen Island gefahren hat mit einem Schmunzeln meinte: “Yeah, in Kerry it rains twice a week. The first time three days, and the second time four days…”

Um’s kurz zu machen – ja wir haben Regen gesehen, und auch sonst recht viele Wolken. Ebenso aber auch blauen Himmel mit hinreichend Sonne und Temperaturen immer so um die 20°C, die sich meist jedoch eher wie 25°C anfühlen. Oder anders gesagt – ideales Ausflugswetter. Also haben wir Ausflüge gemacht. Und wenn das Wetter dies mal nicht zulässt, ist unser Cottage heimelig genug, es auch drinnen auszuhalten. (das da oben ist übrigens NICHT unser Cottage, sonder eines der Gemäuer auf Innisfallen…). Um auf die geistig armen zurückzukommen… es war noch nie meins, mich nutzlos untätig auf dem waagrechten Human-Grill liegend Niedertemperaturgaren zu lassen. Zumal das Fett leider dabei nicht unten raustropft. Und nachdem ich die Tage über die demütige Erkenntnis der eigenen Vergänglichkeit im Angesicht der hierorts überall erlebbaren Naturgewalten referiert hatte, sei nun angefügt, dass auch meine Kreativität erheblich profitiert. Wenn ich quasi ein bisschen dazu gezwungen bin, mich mit wenigen Dingen zu beschäftigen – mit denen dafür aber umso intensiver – ist es nur eine Frage der Zeit, bis etwas Brauchbares entsteht. Insofern möchte ich mich über den Regen, der heute immer wieder über Kenmare Bay und unserem Häuschen niedergeht in keiner Weise beklagen. Vielleicht ist es einfach so, dass das eigenen Anspruchsdenken der größtmögliche Feind ist. Allzu oft glauben wir, dass uns irgendetwas zusteht, einfach weil. Allzu oft fühlen wir uns um irgendetwas betrogen, weil die Dinge nicht so laufen, wie gewünscht; wahlweise ist daran die Politik schuld, der Vatikan, die Illuminaten, die Reptiloiden, irgendeine andere Weltverschwörung, oder einfach nur “…die da oben111!!!111!”. Kleiner Tipp: so geschwätzig und blöd, wie die allermeisten Menschen sind, wäre es schlicht unmöglich irgendeine Hollywoodreife Verschwörung auch nur für drei Stunden aufrechtzuerhalten…

Lasst uns kleinere Brötchen backen und die Dinge einfach so nehmen wie sie sind. Lasst uns ein bisschen fatalistischer sein. Lasst uns nicht gleich alles zur Katastrophe erklären, nur weil wir gerade nicht bekommen haben, was wir wollen. Lasst uns etwas genügsamer sein und das schätzen lernen, was wir bekommen. Ich rede nicht davon, Ungerechtigkeit laufen zu lassen. Aber ich rede davon, dass wir alle einfach immerzu, von allem, sofort und viel zu viel wollen. Immer nur haben wollen; aber möglichst nichts geben. Darum gebe ich euch heute eine Aufgabe: tut irgendjemandem etwas Gutes, ohne nach einer Belohnung zu fragen! Erfreut euch an einem kleinen Augenblick! Setzt euch hin (und sei es nur für fünf Minuten) und denkt darüber nach, was am heutigen Tage das Schlimmste war – und was das Beste! Schreibt eure Gedanken auf einen Zettel und hebt ihn irgendwo auf. Und dann macht das in Zukunft öfter. Es wird euch die Augen öffnen, wenn ihr nur wollt. Schönen Tag noch…

Beannachtaí na hÉireann N°10 – Insight…

Wenn du dich nur am Rande mit der Welt befasst (und ja, sie befasst sich natürlich dennoch mit dir, egal ob du willst oder nicht), fliegt die Zeit nur so dahin. Die Tage fließen ineinander, die Erlebnisse, groß und klein, reihen sich wie Perlen auf einer Schnur. Und während du dich nur einmal kurz umgedreht und GELEBT hast, ist fast eine Woche dahin. Kein Grund zur Klage; vielleicht zur Verwunderung, aber sicher nicht zur Klage. Denn egal, was sich auch hinter irgendwelchen zukünftigen Zeitpunkten verbergen mag – genau hier und jetzt ist alles genauso, wie es sein soll. Und ich bin Gandalf. Denn ein Magier kommt niemals zu früh, oder gar zu spät. Er erscheint IMMER zur rechten Zeit. Und ich habe sogar einen Teil meines Zaubers wiedergefunden, konnte ich doch meine monatelange Schreibblockade überwinden. Wer weiß, vielleicht wird dat DIng doch noch dieses Jahr fertig. Was ich derzeit immer wieder bemerken darf, ist ein unerhörtes Aufleben meiner Sinne im Angesicht der atemberaubend schönen Landschaft. JA, wir haben auch alte Steine gesehen… aber die Natur-Szenerien lassen mich neu verstehen, warum die Menschen hier sehr lange (manche wohl bis heute) an mystische Wesen geglaubt haben. Denn mancher Ausblick führt einen – subjektiv – fort in eine andere Welt. Ich bin Fan des Fantastischen und natürlich spreche ich eben über mich. Was anderen durch den Kopf geht, wenn sie so etwas sehen, kann ich natürlich nicht wissen. Aber keine Sorge – ich wälze beim Durchschreiten dieser inspirierenden Lanschaft nicht nur TTRPG-Szenarien…

Allzu gerne lassen wir uns von Äußerlichkeiten ablenken. Allzu gerne ist es das Materielle, das zum Fokus unseres Suchens und Sehnens wird. Allzu gerne hetzen wir von A nach B nach C, immer in dem (Irr)Glauben, ALLES müsse schnell-schnell und effizient sein. Allzu gerne vergessen wir, wie verfi**t vergänglich wir sind. Allzu gerne versuchen wir, unser Licht heller scheinen zu lassen, indem wie jemand anders in den Schatten stellen. Und allzu gerne sonnen wir uns in der Illusion, Meister unserer kleinen Welt zu sein. Alles Mumpitz. Wenn du schließlich da oben stehst, auf diese gewaltige Szenerie hinunterschaust und mit einem Mal WEISST, dass das alles schon da war, als an dein Land, deine Stadt, deine Famile, DICH und dein verzweifeltes Bemühen, jemand oder etwas sein zu wollen noch nicht einmal ein einziger Gedanke verschwendet worden war; und dass es noch da sein wird, wenn du schon ein Dutzend Generationen lang zu Staub zerfallen sein wirst – dann begreifst du vielleicht endlich, dass du dein Leben nicht für irgendeine Ideologie, irgendeinen Hass, irgendeine Gier, irgendein fernes Ziel, irgendjemand anderes Agenda leben solltest, sondern für DICH, und deine LIEBE, HIER und JETZT. Vergiss den ganzen Tand und sei endlich mal ein Mensch. Ist natürlich leichter gesagt als getan, da wir alle eingespannt sind in ein – mal mehr mal weniger sichtbares – Netz aus Verpflichtungen, Bedürfnissen, Ideen, Wünschen, Überzeugungen und Normen. Aber nur weil etwas bislang immer so gewesen ist, stellt noch keinen hinreichenden Grund dar, dass es auch in Zukunft so bleiben muss. Wir wählen (zumindest in MEINER Heimat) unser Gift und unsere Waffen immer noch selbst… Darüber nachzusinnen, wie ich mich von manchen Dingen freimachen kann, passiert daher gerade mehr oder weniger von selbst

Ob man für diese Erkenntnis bis nach Irland fahren muss? Ne, vielleicht langt auch der Pfälzer Wald. Jedoch habe ich für mich ganz persönlich die Erfahrung gemacht, dass der Entkopplungsprozess, der schließlich solche Gedanken in Bewegung setzt bei mir ein paar Tage braucht, bis er volle Wirkung entfaltet; dazu muss man halt ein bisschen unterwegs sein. Und überdies kratzt es mich einen Scheiß, was andere darüber denken. Wer nach Malle fliegt oder eine Kreuzfahrt bucht, braucht sich über eine Reise nach Irland mit der ganzen Familie im eigenen PKW nicht zu beklagen. Ihr könnt euch die Ökobilanz ja mal selbst ausrechnen, wenn’s nicht zu viel Mühe macht. Das ich mich für die Reisen, die wir uns leisten nicht schäme, habe ich an anderer Stelle bereits dargelegt. Was wird aber nun tatsächlich am Ende hängenbleiben? Das weiß ich noch nicht, da ich a) weder im Traum, noch in der Realität wirklich Meister meines Schicksals bin, b) so wenig wie jeder andere Mensch hinter die Mauer der nächsten Sekunde blicken kann und c) Ideen und Pläne oft erst einmal reifen müssen. Außerdem kann ich ja nicht alles sofort in die Öffentlichkeit rausposaunen. Nur so viel: für’s erste sind wir noch ein Weilchen unterwegs. Und entlang des Weges warten noch weitere, sicherlich höchst faszinierene An- und Ausblicke; über welche ich hier evtl. berichten werde. Bis dahin für euch da draußen einen schönen Sonntagabend und einen guten Start in die neue Woche.

Beannachtaí na hÉireann N°9 – Back again…

Das Länderkennzeichen für Irland auf Nummernschildern lautet IRL. Kann man auch mit “In Real Life” übersetzen. Was es mit diesem Gedankensprung (für mich) auf sich hat, möchte ich in Kürze erläutern, doch zuvorderst sei Folgendes ausgesprochen: JA, ich gebe es gerne zu das ich den Sommer in Mittelitalien LIEBE! Aber das hier (ein nicht zu kleines Cottage direkt an der N70, auch “Ring of Kerry” geheißen, mit unverbautem Blick auf Kenmare Bay) ist mal eine Hausnummer, die sich sehen lassen kann; denn zu sehen gibt es hier so einiges. Bereits die letzten paar Dutzend Kilometer Anfahrt haben in mir spontan die Erinnerung an unseren letzten Aufenthalt in Irland geweckt. Die Landschaft, die enge Straße, der letzte, höchst bunte kleine Ort vor unserem völlig frei steheden Refugium – Seele auf Suche nach Frieden, was willst du mehr? All in (also mit dem 2-Tages-Schlenker über Brügge und der Fährfahrt Cherbourg -> Dublin) waren wir in den letzten 4 Tagen aber auch insgesamt über 2200 KM unterwegs. Und hier wird es auch die eine oder andere Tour zu fahren geben. Denn es gibt viel zu knipsen 😉 Unsere neuerliche Reise nach Éire lässt mich also, vom Start weg, keinesfalls unbeeindruckt zurück.

Urlaub soll ja eine Auszeit von der allzu durchgetakteten Normalität des Alltags sein. Denn oft genug kommt man sich in seinem sonstigen Leben nur noch wie ein NPC (also ein Non-Player-Character) vor; wer jetzt nicht weiß, was das ist, liest es bitte hier nach. In aller Kürze beschrieben bedeutet dieses Gefühl, subjektiv nicht die Kontrolle über bestimmte Rahmenbedingungen der eigenen Existenz zu haben, seine Entscheidungen nicht einfach frei treffen zu können, weil irgendwelche Algorithmen diese Freiheit begrenzen (z. B. die Notwendigkeit den eigenen Lebensunterhalt in abhängiger Lohnarbeit bestreiten zu müssen), schlicht seine Bedürfnisse hintenan stellen zu müssen; sich insgesamt also fremdgesteuert zu fühlen. Vollkommen unabhängig davon, wie sehr man tatsächlich fremdgesteuert wird (oder auch nicht), führt diese Empfindung natürlich dazu, sich aus dem engen Geschirr des Alltags herauswinden und mal etwas Anderes machen zu wollen. Und weil wir Menschen diesbezüglich alle zumindest ähnlich gestrickt sind – und Arbeitgeber überdies heutzutage keine Peitsche mehr benutzen dürfen, um Compliance mit IHREN Bedürfnissen herzustellen – ist Urlaub eine der Maßnahmen, die der Wiederherstellung der Fähigkeit zur Erduldung des NPC-Daseins dienen sollen. Obacht – mir ist bewusst, dass diese Darstellung polemisch überzogen wirken mag; jedoch komme ich nicht umhin, auch für mich feststellen zu müssen, dass mich das Leben im Dienste Anderer in letzter Zeit in einem Maße angekotzt hat, dass der Gedanke, sich frei zu machen (oder selbstständig) immer charmanter in meinen Ohren klang. Aber ich kann natürlich immer nur für mich selbst sprechen. Überdies waren (und sind) da natürlich Verpflichtungen, die man nicht einfach so hinschmeißt, was aber das NPC-Gefühl verstärkt, weshalb die Verpflichtungen… wie man es auch dreht und wendet: es bleibt ein Teufelskreis, wenn man erst mal ein gewisses Level an Frustration erreicht hat.

Nun ist jedoch – ganz nach den perfiden Plänen der Kapitalisten, in deren Fängen so viele von uns unser unfreies Dasein fristen – der Urlaubseffekt eingetreten und ich habe einmal mehr am WAHREN LEBEN geleckt. Bin also subjektiv wieder Im Realen Leben angelangt. Oder besser in einem realen Leben, welches mir echte Freude bereitet, mich wieder auf vollkommen andere Arten fordert und mir die Chance gibt, neue Perspektiven zu gewinnen. Weil hier meine Bedürfnisse wieder so viel Geltung haben, dass sie in Einklang mit meinen Ideen, Plänen und Handlungen stehen können. Soweit ist dieser verdammte Kapitalistenplan aufgegangen… Schade nur, dass ich euch durchschaue, haha…! Spaß beiseite. Erstmal wird hier keine Rebellion stattfinden. Weil ich Verantwortung trage und in vielen Momenten meines Lebens alles andere als ein NPC bin; nein vielmehr selbst ein Player sein muss, weil sonst so manches nicht funktioniert. Aber die eben gesponnenen Gedanken bleiben im Hinterkopf, in der Ablage A wie Archiv, um bei Bedarf weiter gedacht werden zu können. Bin ich also wirklich ein NPC? Sagen wir mal so: in den dunkleren Stunden meines Daseins fühlt es sich manchmal so an, als sei ich nur eine Figur aus “Brave New World” oder “1984” – gemacht, um dem System zu dienen. Der Umstand, dass ich all diese Dinge (öffentlich) reflektieren kann, verrät mir jedoch, dass ich weder in einer solchen Dystopie lebe, noch dauernd fremdgesteuert werde. Ich kann den Grad der Manipulation, die auf mich ausgeübt wird anscheinend ganz gut regulieren. Was bedeutet, dass ich mindestens ein Player-Character sein muss – wahrscheinlicher aber selbst ein Player. Man muss sich dessen nur immer wieder erinnern. Und die Rückkehr nach Irland scheint dazu ein guter Anlass zu sein. Feels good, to be back again, Éire. Wir hören uns die Tage, folks…

In Transit…

Ich habe keine Seemannsbeine. Aber wenn man vom europäischen Festland auf die Insel Irland reisen möchte, bleiben – so man nicht auf Umwege steht – ungefähr zwei Möglichkeiten: Fähre oder Fliegen. Es ist nicht so, dass ich Fliegen per se nicht mag, aber a) isses halt schon arg wenig umweltfreundlich und b) schwierig, den ganzen Schamott ins Handgepäck zu schmuggeln, den meine Mischpoke und ich so im Urlaub mitzuschleifen pflegen. Ohne näher darauf eingehen zu wollen, aber… oft geht die Gepäckraum-Abdeckung nicht mehr zu. Dennoch ist der eigene Wagen für uns die geeignete Lösung. Also saß ich, während ich diese Zeilen schrieb auf dem Oberdeck der “W. B. Yeats” in Diensten von Irish Ferries und blinzelte in die, immer noch kraftvolle Augustsonne – und unsere Karre stand vier Decks tiefer. Die anderen Teile der Familie stromerten irgendwo an Bord umher – wahrscheinlich im Restaurant – und ließen es sich auf individuelle Weise gut gehen, während in der Ferne die Kanalinseln sichtbar wurden. Ich jedoch lümmelte hier unterdessen auf dem Boden rum, wie so ein Bettelstudent, sinnierte über dies und das und schaute Menschen beim Menschsein zu.

Es ist faszinierend, wie der Mikrokosmos Passagierschiff ein bedingungsloses Dazwischen schafft. Denn während wir mit guten 17,5 Knoten eher gemächlich durch den Ärmelkanal pflügten, entfaltete sich überall ein unvermeidliches Panorama des ungefiltert sozialen. Kleine und große Dramen, Liebe, völlige Entkopplung wie auch Hektik können nirgendwo hin; denn über Bord gehen wäre eine sehr krasse und vermutlich endgültige Option. Also lebten alle (zwangsweise) im hier und jetzt. Die mangelhafte Qualität des Bord-WLans trug das ihre dazu bei. Sind Menschen auf sich selbst zurückgeworfen, geschehen mitunter… interessante Dinge. Ich werde jetzt keine Geschichten aus dem Bordrestaurant erzählen. Manche könnten es zwar wert sein, mich interssiert hieran aber vor allem die Metabetrachtung. Denn es warf in mir die Frage auf, wie ich mich gerade fühlte. Vorgestern bin ich noch mit einem Boot durch die Kanäle Brügges gefahren – nun, einen Tag später trug mich ein Schiff durch die See nach Eire. Und wenn ich ehrlich sein soll – es fühlte sich VERDAMMT gut an. Ich möchte behaupten, zum ersten Mal seit Monaten wahrhaftig bei mir selbst gewesen zu sein. Ich zu sein ist nicht immer schön, wie hier bereits sattsam beschrieben wurde. Die Schatten sind noch nicht weg. Aber sie schmerzen weniger. Ein Fortschritt.

Ich hatte erst sehr kürzlich davon gesprochen, dass mein Geld mir (und meinen Lieben) heutzutage vor allem Erlebnisse kauft. Das hier ist so ein Erlebnis. Neue Dinge zu sehen (oder evtl. schon bekannte Dinge neu zu sehen) macht mir mein Leben lebenswert. Ich stelle immer mehr fest, dass ich mich nach mehr Zeit für meine eigenen Ideen, Projekte – mein eigenes Leben – sehne. Vor diesem Hintergrund ist etwas wie das hier eigentlich unbezahlbar; auch, wenn es sicher nicht billig ist. Doch es lässt mich auch – einmal mehr – an der gefährlichen Systemfrage lecken: bin ich wirklich da, wo ich hin will? Mache ich wirklich dass, was ich will? Darauf kann es allerdings keine abschließende Antwort geben, denn… Sind wir nicht dauernd “in transit”? Unterwegs von dem, was eben noch war, hin zu dem, was noch nicht festgeschrieben ist, noch nicht festgeschrieben sein kann, weil es uns stets hinter der Mauer der nächsten Sekunde verborgen liegt? “Panta Rhei” (alles fließt) mag einer der Glückskekse der Philosophie sei ; aber dort und zu der Zeit stimmte er. Für mich. Für alle anderen an Bord der “W. B. Yeats”. Die Fahrt endete, wie geplant und erwartet gegen 10.45 am Montagmorgen in Dublin. Und auch, wenn die eben beschriebenen Prozesse der Veränderung subtiler Natur sein mögen – ICH war nicht mehr der Gleiche, der in Cherbourg abgefahren ist. Denn “in transit” flossen meine Gedanken frei und formten dabei Sein neu… Wir hören uns.

Hartelijk welkom in Brugge…

Es ist nur eine Stipvisite, aber… Ach, beginnen wir die Geschichte doch einfach ein paar Tage früher. Zum Beispiel in dem Augenblick, wo ich merkte, dass mein Kopf gerade nicht so kann, wie er eigentlich müsste. Weshalb ich zwei Wochen draußen war. Also draußen aus diesem Prozess, den man Arbeitsleben nennt. Ich meine, ich war ja trotzdem häufig drinnen – also zu Hause in den eigenen vier Wänden. Außer, wenn ich draußen war, also weil ich ging, um den Kopf freizukriegen. Jedenfalls war zu dem Zeitpunkt unser Urlaub schon lange geplant, gebucht und bezahlt. Und weil die zwei Wochen Arbeitspause kombiniert mit den richtigen Gesprächen (vor allem mit den richtigen Leuten, auch Fachleuten) mich zwar wieder geerdet, aber nicht wirklich erholt hatten, hielten wir an dem Plan fest, jetzt wegzufahren. Nun haben wir dieses Jahr so etwas wie eine Rundreise geplant. Und die erste Station ist Brügge in Flandern. Wir kamen gestern Nachmittag hier an und haben seitdem eine Menge Eindrücke gesammelt, bevor es morgen früh weitergeht nach Cherbourg. Die Stadt ist… entspannt. Ja, natürlich ist an den Touri-Hotspots in Brügge auch an einem bedeckten Mittag mit gelegentlich leichtem Nieselregen die Hölle los. Wir haben immerhin (noch) Hauptsaison. Aber es ist immer noch nicht so wuchtig, wie an anderen Orten, die ich schon besucht habe. Und irgendwie ist alles überschaubar weit voneinander weg, was es hier irgendwie arg nett macht…

Es ist komisch, wie – aus großer Ferne betrachtet – all der Ungemach um all die kleinen Ränke und Spielchen, all das gelegentliche Tamtam (oft um nichts als eigene Eitelkeiten), all die überzogenen Forderungen plötzlich zusammfällt wie ein Soufflé, wenn man die Ofentür zu früh aufmacht. Die Probleme sind irgendwann im Rückspiegel so klein geworden, dass ich sie jetzt kaum noch auf einer Landkarte zu finden vermochte. Ja… wenn ich mich darauf konzentrierte, käme bestimmt wieder alles hoch. Aber wisst ihr was: f***t euch, einen Teufel werde ich tun! Morgen warten auf mich (und natürlich meine Lieben) wieder einige Hundert Kilometer Strecke und das Einschiffen nach Dublin. DAS ist es, worauf ich mich im Moment konzentriere. Und vielleicht darauf, diesen Text fertig zu schreiben 😉 aber auch das wird schon. Wenn man durch die Gassen geht, vorbei an all den alten Häuschen (wir wohnen in so einem), vorbei an den Kontoren, Kirchen, Plätzen und Waffelläden (ja wir sind in Belgien, was soll ich halt sagen), dann bleibt das Auge noch viel öfter hängen als die Zunge, dann wird der Auslöser meiner Kamera so oft benutzt, dass es irgendwann beinahe schmerzt… nein Scherz, so schlimm KANN es für mich nicht kommen. Aber die Summe der Eindrücke ist eindrücklich erdrückend. Man ist ganz plötzlich in einer ganz anderen Welt und nach einem witzigen (und höchst leckeren) Abendessen gestern war die Entkopplung vom Alltag schon beinahe komplett. Dem hat der heutige Tag bislang wirklich noch einiges hinzugefügt. An dieser Stelle ein Tipp: ja, die Bootsfahrten auf den Reien von Brügge (so nennt man hier die Kanäle, welche die Stadt durchziehen) ist zwar so ein Touri-DIng – aber total schön und für mich das Geld in jedem Fall wert.

Apropos Geld… ich stehe unterdessen auf dem Standpunkt, dass a) das letzte Hemd keine Taschen hat (ich habe schon viele Sterben sehen und bin durch diese Erfahrungen davon überzeugt, dass der Volksmund hier verdammt Recht hat), b) mein Leben daher also JETZT stattfindet, nicht jedoch erst, wenn ich in Rente gehe (denn es könnte auch schon vorher vorbei sein) und c) regelmäßig neue (sinnliche) Erfahrungen zu machen so ziemlich das einzige ist, wofür sich ein Kapitaleinsatz lohnt; zumindest wenn zuvor die existenziellen Bedürfnisse gestillt sind – UND NEIN! EIN VERSCHISSENES NEUES IPHONE IST KEIN EXISTENZIELLES BEDÜRFNISS! Man kann ein Leben nur leben, nicht kaufen… Jedenfalls bedeutet dies zusammengenommen, dass ich bei der Zusammenstellung der Reise im Rahmen unserer Möglichkeiten keinesfalls zur billigsten Variante gegriffen habe. Was auch für die Lustbarkeiten vor Ort gilt, denen hinzugeben wir uns noch aufmachen werden. Mir ist im Übrigen bewusst, dass diese Position privilegiert ist, da sich ca. 20% der Deutschen offensichtlich nicht mal eine Woche Urlaub leisten können. Aber ich werde ganz gewiss nicht die alte “Leistungsträgerleier” vom “mehr anstrengen”, “sparsam sein und Kapital aufbauen” oder derlei Quatsch herbeten. Vor 60, 70 Jahren konnte man mit eigener Hände Arbeit noch ein Vermögen aufbauen, weil die gesellschaftliche und soziale Situation eine andere war. Aber manche Menschen konnten auch damals schon NICHT auf einen grünen Zweig kommen, weil sie systemisch benachteiligt wurden und werden (im Grunde alle jene, die nicht den heteronormativen Familienvorstellungen der Konservativen entsprechen, welche bedauerlicherweise bis heute in erheblichem Umfang unser Land strukturieren). Eingedenk all dieses Wissens habe ich trotzdem keinen Schmerz, so zu urlauben, wie wir es tun. Denn der bescheidene Überfluss, welcher uns zur Verfügung steht, entsteht im wesentlichen in abhängiger Erwerbsarbeit. Und dafür, halt zur rechten Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen und sich bis in die Erschöpfungsdepression geschuftet zu haben werde ich mich nicht entschuldigen, sondern den Umstand genießen, dass die Früchte dieses Tuns mir nun die Gelegenheit geben, mich von einer neuerlichen Depression zu erholen. Wir hören uns daher die Tage… nur dann schon wieder von woanders…

Der verwirrte Spielleiter N°66 – Gaming with myself

Ich habe, teils weil ich mich, bedingt durch eine depressive Episode auf nichts besseres konzentrieren konnte, teils weil ich seit Monaten dauerunterspielt bin (eine Runde pro Monat mag anderen genügen, für mich ist das knapp unter meinem spielerischen Existenzminimum), noch mal darauf eingelassen, mit ChatGPT als DM zu spielen. Und weil es dafür halt das meiste Referenzmaterial online gibt, entschied ich mich für DnD 5e als Basis. Die physischen Bücher stehen seit Jahren im Schrank und werden nur höchst selten genutzt, weil wir zumeist mit anderen Regelwerken arbeiten (derzeit Dragon Age, Starfinder und mein eigenes). Lag also nahe, es nochmal auf diese Art zu probieren, nachdem der letzte Versuch eher durchwachsen gelaufen war. Ich gehe an sowas zumeist mit eher geringen Erwartungen und vor allem forensischem Interesse ran, weil ich, obschon halbwegs geübt im Umgang mit LLMs (dem, was der Volksmund halt so als KI bezeichnet), wie gesagt beim ersten Mal nach kurzer Zeit eher ernüchtert von dem Vorhaben abließ. Dieses Mal etablierte ich relativ früh einige Anforderungen und ließ mich ansonsten überraschen. Eine kurze Vorbemerkung noch – ich habe die komplette Konversation auf Englisch geführt. Warum erkläre ich später. And so, without much further adoe, here is, what happened:

  • Setting: ChatGPT entschied sich dafür, ein Kampagnensetting zu designen, welches stark auf meine Charakterklasse zugeschnitten ist. Es orientiert sich bislang oft an “Generic Fantasyland”, was aber aus meiner Sicht für eine “shared vision” der Spielumgebung kein Nachteil ist. Das mit dem Zuschnitt auf meine Klasse ist natürlich schon schön, wurde mit der Zeit jedoch etwas redundant, so dass ich die Maschine daran erinnern musste, dass diese Welt auch noch andere Dinge enthält, als Barden (ja, ich kanns nicht lassen. Aber keine Sorge, mein Char ist nicht stereotypisch promisk und nymphoman). Insgesamt war es bisher aber durchaus stimmig und auch stimmungsvoll. Allerdings schwurbelt dieser spezielle DM bei seinen Beschreibungen gelegentlich schon arg umher…
  • Crunch: ohweiohwei… ich hatte echt noch keinen DM, der so oft irgendwas bullshittet, meine Agency missachtet, weil er jetzt einfach durcherzählen will, es meinem Char im gleichen Atemzug trotzdem (zu) einfach macht, Regeln vergisst oder welche erfindet, wenn er Bock drauf hat. Zumindest anfangs… allerdings reagiert die Maschine auf meine Richtigstellungen umgehend und angemessen. Auch verliert die Maschine bei Kämpfen mit mehreren Kombatanten schnell den Überblick über Initiativereihenfolge und Positionen. Aber auch hier – ein kurzer Hinweis und es fuppt wieder! Regeln werden dann sauber befolgt. Es war aber schon ein Stück Arbeit, verschiedene Regelaspekte immer wieder klarzustellen und deren Einhaltung einzufordern… aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass es unterdessen geschmeidiger klappt. Und… lebendige DMs in der realen Welt machen auch jede Menge Fehler; ask me… 😉
  • Story: Natürlich gibt es Anleihen aus verschiedenen verfügbaren Medien und es tauchen bekannte narrative Figuren auf (gleich als erstes mal eine Damsel in Distress als Falle für mich). Dennoch macht ChatGPT hier vieles richtig: Hot Start (AUS einer Taverne), Tone of Voice (NPC-charaktergerecht), Story Mood (düster, mysteriös, bedrohlich), alles wird sofort mit Namen benannt, und es gibt (zumeist sinnvolle) Antworten auf alle Fragen. Wir wollen des Lobes hier nicht zu voll werden, denn natürlich ist vieles Hausmannskost (schon mehr als einmal dagewesen) und manche Erzählfiguren wiederholen sich, insbesondere bei NPC-Interaktionen. Und… ChatGPT hat manchmal digitale Amnesie, wodurch Inkonsistenzen im Erzählkontinuum entstehen können, wenn man nicht gleich interveniert. Aufmerksames Lesen ist also King! Dennoch hat man den Eindruck, einen DM vor sich zu haben, der gerne erzählt. Und einiges habe ich (mit menschlichen DMs) auch schon schlechter erlebt.
  • Technik: nach einer Weile wird der Thread langsam, weil sich ChatGPT anscheinend zumindest kursorisch gegenliest (wir reden allerdings von 200+ Seiten Din-A4. Und die kommen ratzfatz zusammen). Ich bin dazu übergegangen, dann einen Textdump zu ziehen, mir eine Campaign-Bible erstellen zu lassen, alles in einen neuen Thread zu laden (PDF) – und die Maschine nochmal ein bisschen zu erziehen; denn bestimmte “Verhaltensweisen” ergeben sich bei längeren Threads aus der bisherigen Konversation. Da muss man beim Umstellen auf einen neuen Thread nicht nur die Story rekapitulieren. Ich konnte hier zwischen GPT 4o und 5 bislang übrigens keine erheblichen Unterschiede hinsichtlich des Handlings und der Textqualität feststellen.

Wenn ich die Erfahrung mit einem Wort zusammenfassen müsste, so lautete dieses: befriedigend. Nicht mal im Sinne einer Schulnote, aber hinsichtlich der Möglichkeit eine Stelle zu kratzen, die schon eine Weile juckt – nämlich selbst wieder mehr spielen zu wollen. Und ich tat das in Englisch – also der Muttersprache von ChatGPT – weil mein Kalkül war, dass es dort lyrisch wertvollere Beiträge zum Spiel liefern würde. Und die Maschine hat mich diesbezüglich nicht ettäuscht. Natürlich ist das nur Rollenspielmethadon, denn nichts kann die interpersonale Dynamik am Spieltisch ersetzen. Aber als Snack für zwischendurch werde ich das beibehalten. Vielleicht kann ich ein paar Ideen ja sogar selbst als SL verwerten. Wenn ihr Fragen habt – nur Mut. Und ansonsten – always game on.

Auch als Podcast…

Workplace culture?

Es ist schon irgendwie komisch; sehr oft wenn Menschoide über die Arbeit anderer Menschoiden sprechen, dann neigen sie entweder dazu, diese schlecht zu machen. Oder aber, sie versuchen, sich deren Erfolge an die eigene Brust heften. Okay das ist jetzt möglicherweise ein kleines bisschen übertrieben, aber es ist ein wiederkehrendes Motiv, welches ich immer und immer wieder wahrnehme. In Kommentarspalten, in persönlichen Gesprächen, ja sogar in Zeitungsartikeln und Videos muss ich immer wieder sehen und hören, wie niederträchtig über die vermeintliche Nicht- oder Schlechtleistung der jeweils anderen Beschäftigtengruppen, bzw. deren Beitrag zur Gesamtleistung in der eigenen Organisation gesprochen wird. Nicht selten fällt dabei der Begriff “Sesselfurzer”; ein höchst despektierliches Wort für jene Menschen, die anstatt körperlicher Wissensarbeit leisten. Und nur um das an dieser Stelle in aller Form und endgültig klarzustellen: Wissensarbeit ist genauso Arbeit, wie Hausbau, Güterproduktion oder Transport! Wir mögen dann und wann über den realen Gehalt dieser oder jener Tätigkeit streiten können (Stichwort hier: Bullshitjobs) – aber am Ende des Tages bleibt Wissensarbeit eine Arbeit wie jede andere auch. Wertschöpfung bemisst sich nicht nur an der Menge der verarbeiteten Materialien, sondern auch an der Qualität der Ergebnisse; und DIE hängt in wesentlichem Maße von der Zuarbeit der “Sesselfurzer” ab: Workflows organisieren, Arbeitsmittel und Ressourcen heran schaffen, Aus- Fort- und Weiterbildung für alle Beteiligten bereitstellen, Werbung machen, die laufende Mittelverwendung optimieren, das Geld eintreiben und verteilen, und, und, und… Wenn das keine Arbeit ist, könnt ihr’s ja mal Blaumann-only versuchen. Da wird euch nach kurzer Zeit die Puste ausgehen, wenn niemand den “Papierkram” für euch erledigt, ihr Superhirne. Zumal diese ganze Schattenfechterei zwischen einzelnen Parteien vom eigentlichen Problem ablenkt.

Seit Corona flammen immer wieder die gleichen – im übrigen unnötigen – Diskussionen über die Frage auf, ob mobiles Arbeiten oder Home-Office (oder wie auch immer das Kind nun genannt oder organisiert sein soll) nun produktiver oder unproduktiver seien, als die typische Präsenz-Tätigkeit im Büro. Da haben wir schon die erste künstliche Dichotomie: denn man – lies: Arbeitgeberverbände und deren Lobbystiftungen – grenzt jene, die einen Arbeitsplatz haben, der auch von zu Hause stattfinden kann ab gegen jene, denen das nicht möglich ist; und facht in dieser Zone immer schön ein Feuer des Streits an, um vom eigentlichen Thema abzulenken, zu welchem wir alsbald kommen werden. Butter bei die Fisch: ich habe 26 Jahre im Einsatzdienst und auf Rettungsleitstellen gearbeitet. Und es wäre mir im Leben nicht in den Sinn gekommen, zu beklagen, dass andere es besser hätten, weil sie in einem Büro, oder eben nicht in einem Büro sitzen. Denn am Anfang stand halt die verfluchte Berufswahl. Und wenn DICH dein Job jetzt so ankäst, dass DU es nicht ertragen kannst, dass dieser Verwaltungsheini, Lehrer, oder sonstwer einen oder zwei Tage die Woche von daheim arbeiten darf – dann such DIR verdammt noch mal was anderes. DEIN Problem ist nicht der Job der anderen Person, sondern DEIN eigener, GODDAMIT! Aber… das Framing durch Lobbyismus und regelmäßig wieder lancierte Studien, die dieses oder jenes behaupten, hält den Kampf an dieser Front am Laufen. Auf die Art und Weise generiert man ein Feindbild: den “Sesselfurzer”. Es ist a) Blödsinn, zu glauben, dass alle Menschen, die in Büros wohnen nichts arbeiten würden und b) aus verschiedenen Gründen eine verdammt gute Sache für alle Beteiligten, wenn man denen unter bestimmten Umständen mobiles Arbeiten ermöglicht. Lässt sich auch recht gut begründen:

  • Umweltvertäglichkeit: weniger Pendeln = weniger Emissionen = Umweltschutz. Könnte eigentlich jeder verstehen können, der noch sechs bis acht funktionierende Hirnzellen hat. Aber das mit der Umwelt geht offensichtlich ja nicht wirklich in viele Schädel rein…
  • Sozialverträglichkeit: verschiedene Aspekte des Privatlebens und der Arbeit lassen sich so wesentlich besser unter einen Hut bringen. Und ja, das bedeutet bisweilen auch, dass die Arbeitszeit zergliedert sein mag. Solange jedoch die abgelieferte Leistung im richtigen Verhältnis zum gezahlten Gehalt steht, ist mir – auch als Vorgesetztem – am Ende herzlich egal, wann genau diese Leistung erbracht wurde, FALLS das Gegenüber die Vorzüge dieses Arrangements ebenso zu schätzen weiß. Überdies sind manche Menschen Introvertierte – und die BRAUCHEN ihre Zeit zum Nachladen der sozialen Batterien.
  • Produktivität: meine persönliche anekdotische Evidenz sagt mir, dass bestimmte Arbeiten in einem ruhigen, abgeschotteten Umfeld besser von der Hand gehen. Bei mir wäre das vor allem klassische Unterrichtsvorbereitung oder das Erstellen von Instruktionsdesigns. Es steht außer Frage, dass sich das Team trotzdem regelmäßig in Person sehen muss, denn Home-Office ist aus meiner Sicht immer nur ein Teil der Lösung. Für die Unken: die ernstzunehmenden Studien kommen allesamt zu dem Ergebnis, dass die gemessene Arbeitsproduktivität bei einer Hybridlösung (Home-Office vs. Präsenz 35 – 65) ideal ausfällt.
  • Teamwork: lässt sich nur teilweise über die Distanz aufrecht erhalten. Aber es ist eine Legende, dass das gar nicht ginge. Mein Team und ich haben das mehrfach bewiesen. Die richtige Mischung aus Nähe und Distanz ist allerdings in jeder Beziehung entscheidend für den langfristigen Erfolg – auch am Arbeitsplatz.

Worum geht es also: es geht NICHT um die Frage, ob Menschen generell im Home-Office fauler sind. Funfact: manche sind das auch am Präsenzarbeitsplatz, denn Penner die sich mit minimalem Aufwand durchs Leben stinken, gibt’s leider überall. Die muss man einfach markieren, observieren und ggfs. eliminieren – egal ob im Home-Office oder im Büro! NEIN, es geht darum, die Gräben innerhalb der erwerbstätigen Masse der Menschen im Lande schön tief zu halten, damit wir working people ja nicht auf die Idee kommen, mit einer Stimme zu sprechen. Wo kämen wir denn da hin? Da kommt ja am Ende noch “TAX THE RICH” raus. Das geht ja mal gar nicht. Kleines Rechenbeispiel: Jemand hat 100 Millionen auf der Bank. Darauf bekommt die Person, wenn sie gut verhandelt hat derzeit ca 2,5% Zinsen (wahrscheinlich mehr, denn man braucht viel Kapital, um neues FIAT-Geld erzeugen zu können). Das sind 2.500.000,00 €. per Anno. Darauf werden in Deutschland 25% Kapitalertragssteuer also 625.000,00€ fällig. Und noch mal der Solidarzuschlag in Höhe von 5,5% des Kapitalertragssteuersatzes. In diesem Fall sind das 34.375,00€. Bleiben also 1.840.625,00€ per anno übrig. Würde das als normales Erwerbseinkommen versteuert, würde deutlich mehr fällig. Der Einfachheit halber nehmen wir den Höchststeuersatz von 45% (stimmt nicht ganz, lässt sich hier aber leichter darstellen). Das wären dann 1.125.000,00€ mit einem verbleibenden Einkommen von 1.375.000,00€ – oder 465.625,00€, die der Staat NICHT einnimmt, weil er erwerbsloses Kapitaleinkommen gegenüber Erwerbseinkommen aus eigener Tätigkeit bevorteilt. Und das kommt NUR UND AUSSCHLIESSLICH einer Gruppe in Deutschland zu Gute: dem oberen Prozent. Und da wird wesentlich mehr Kapital bewegt als lumpige 100 Millionen, das waren doch schon 1994 mur Peanuts, nicht wahr, Herr Kopper?

Die ganzen Neiddebatten, das scheinbar nutzlose Wiederaufkochen alter Diskussionen, das Veröffentlichen dieser oder jener Studie, das dauernde Trara irgendwelcher Arbeitgeberverbände, wir würden alle zu wenig arbeiten – all das dient nur dem Zweck, dass wir NIEMALS wirklich darüber nachdenken, das Geld, welches uns fehlt, um den Schwächsten der Gesellschaft ein würdiges Leben zu ermöglichen, sofern sie dazu nicht selbst in der Lage sind, dort holen, wo es eh schon zuviel von allem hat. Und nur mal so am Rande – viele Staaten in der EU haben Höchststeuersätze weit jenseits der 50%-Marke. Wie wir übrigens auch bis ca. zum Jahr 2000. Man möchte es kaum glauben, aber ausgerechnet während der, ansonsten eher neoliberal ausgerichteten Ära Kohl (1982- 1998) waren deutlich mehr Steuern fällig als heute… Wenn also jemand für mich den Begriff “Sesselfurzer” benutzt, weil ich (leider zu viel) sitzender Tätigkeit nachgehe, dann kann ich nur mit Schulter zuckend sagen: “DU hast GAR NICHTS verstanden, DUMMY!” Eine gute Workplace Culture wäre folglich, zu akzeptieren, dass a) nicht alle Tätigkeiten gleich und b) nicht alle Tätigkeiten GLEICHWERTIG sind; und überdies c) nicht alle Tätigkeiten auf die gleich Art und am gleichen Ort erbracht werden müssen. Kommt drüber hinweg ihr hart arbeitenden Wertschöpfer da draußen. Schönen Tag noch.

Auch als Podcast…

…unfinished business!

Ich gab zuvor schon einige Hinweise auf meine momentane Situation. Nun ist es so, dass ich – vollkommen unabhängig von meinem derzeitigen Zustand – sowieso immer jede Menge Zeug rumliegen habe, mit dem ich nicht so recht vorankomme. Aufgaben die unerledigt bleiben. Projekte, die ich nicht vorantreibe, entweder weil sie zu anstrengend, zu kompliziert oder zu langwierig sind; und ich mir das überdies vorher einfacher vorgestellt hatte. Alltagskram, der einfach nicht von der Hand gehen will. Jeder von uns hat vermutlich diesen kleinen Friedhof von Lebenslast, der einfach nicht weggehen will. Aber wie soll er das auch, wenn man sich nicht dazu aufraffen kann, etwas gegen diesen mentalen Gottesacker zu unternehmen. Manchmal ist es bloßes Prokrastinieren. Manchmal ist es Ablenkung. Und manchmal ist es Zeitnot. Doch egal welche Ausrede ich mir auch einfallen lasse, vom ignorierend Abwarten wird es nicht besser. Zähle ich jetzt noch meinen derzeitigen mentalen Zustand hinzu, wird daraus plötzlich eine explosive Mischung aus Verweigerung, Indolenz und Überforderung, welche meine Probleme verschärft. Einfache Missgeschicke, die zumeist mit einer charmanten Entschuldigung aus der Welt geschafft werden können, gären dann unter Umständen so lange, bis der üble Geruch der enttäuschten Erwartungen Anderer anfängt, meine komplette Umwelt zu verpesten. Und ich kann den anderen noch nicht einmal böse dafür sein.

Das unerledigte Problem – so als eigene Kategorie – ist für mich EIN Stigma meines Daseins. Und es ist ja nicht so, dass ich nicht eh schon genug Stigmata hätte: zum Beispiel einen an der Klatsche, um es mal etwas unpoetisch auszudrücken. Oder mein manchmal viel zu loses und lautes Mundwerk. Nun ja, jeder legt sich seine Bäreneisen selber aus, in die er dann hinterher hineintritt. Ich hatte vor kurzem schon einmal darauf hingewiesen, dass ich die letzten Tage als einen irritierend angespannten Zustand bitteren Nichtstuns empfinden musste. In meinem Geist flogen zwar diverse Gedanken und Ideenfetzen durcheinander, doch nichts davon konnte soweit reifen, dass es einen – produktiven – Kreativprozess ausgelöst hätte. Ich hänge immer noch in diesem Dazwischen fest und habe keine Ahnung wie lange das noch so weitergehen soll. Ich meine, es heißt doch immer, man soll die Zeit der Rekonvaleszenz für die Dinge nutzen, welche dem aktuellen Leiden, etwas entgegensetzen können; also im besten Falle eine, wie auch immer geartete, Heilung unterstützen. Auf mich bezogen wäre es ein Schaffensprozess, der meinem Geist guttäte, denn ich liebe es, kreativ sein zu können. Nur klappt das leider im Moment nicht…

Ich gehe derzeit so gut wie jeden Tag allein am Fluss entlang. Hauptsächlich, um meine verzwickten Gedanken zu ordnen; und tatsächlich funktioniert das auch. Und zwar genauso lange, wie ich in Bewegung bleibe. Sobald ich jedoch wieder zu Hause bin und versuche, zu greifen, was mir gerade eben noch durch den Kopf ging, ist diese Ordnung, sind diese Ideen oftmals schon wieder verflogen. Zumindest die allermeisten. Ich habe unterdessen den Eindruck gewonnen, dass meine kreativen Muskeln derzeit ohne Erlaubnis eine längere Pause machen. Und zwar irgendwo anders, nur nicht hier mit mir. Daraus folgt jedoch zwangsweise, dass die Bibliothek mit meinem unfinished Business wächst, anstatt kleiner zu werden. Denn so manche Sache wartet dort schon eine ganze Weile auf eine Lösung, einen Kniff, einen Workaround – oder letztlich die Erledigung. Bei meiner Arbeit bin ich (oder besser, war ich) meist in der Lage, Herr der Dinge zu bleiben. Aber möglicherweise habe ich dabei in den letzten Monaten soviel Kraft aufgebraucht, dass die Maschine sich überhitzt hat. Und in der Folge fühle ich mich selbst derzeit wie unfinished business – unfertig, unbeachtet, ungewohnt untätig… oder mit einem Wort UNERFÜLLT.

Nun könnte man mir erwidern “…aber du schreibst doch gerade!”. Und das ist auch wahr. Es stellt den – in meinem eigenen Empfinden allerdings sehr bemühten, ja nachgerade verzweifelten – Versuch dar, mich wieder in den Griff zu bekommen. Wohin der führt, wird sich noch weisen müssen. Ursprünglich hatte ich das Gefühl, Menschen im Stich zu lassen, wenn ich mich in eine ärztlich angeordnete Rekonvaleszenzphase (besser bekannt als AU-Bescheinigung) begebe. Ich bin ja immer noch selbst so dumm, dem sozialen Stigma der psychischen Erkrankungen aufzusitzen, getreu dem Motto “stell dich doch nicht so an, ist doch nur ‘ne Phase” – FICK DICH “nur ne Phase”; nur weil man’s nicht sehen kann ist es deswegen nicht weniger schmerzhaft, Dummy! Mittlerweile bin ich mir nämlich ziemlich sicher, dass ich gut daran getan habe, manche Menschen nicht weiter mit meiner, mutmaßlich letzthin gelegentlich belastenden Anwesenheit zu nerven. Es ist, wie es ist – es ist, was es ist. Manchmal stehst du im Ruderhaus und kannst einfach nur zuschauen, wie der Eisberg näherkommt. Dieses Mal habe ich – hoffentlich – das Ruder früh genug herumgerissen. Wir hören uns – das hier ist für mich nämlich Therapie. Kommt darauf mal klar, liebe Mitmenschen.

Auch als Podcast…