Benvenuti nelle Marche N°8 – Arrivederci Marche!

Hat man sein ganzes Gepäck beisammen? Hat man auch wirklich nichts vergessen? Dieses und jenes müssen noch verstaut werden, damit ja nix von dem zurückbleiben muss, was man mitgebracht hatte (wie immer eigentlich zu viel). Die Äußerlichkeiten gewinnen schnell die Oberhand und man findet sich unversehens in jenem Stress wieder, der einen auf den ersten paar 100 Kilometern der Reise hierher noch begleitet hatte; und der dann doch irgendwann die Gnade besaß, nach und nach von einem abzufallen. Und abgefallen soll er noch ein bisschen bleiben, daher ist es der Moment darüber nachzudenken, was man von hier mitnimmt, dass sich in keiner Reisetasche wiederfindet, nicht zu Hause gewaschen, verstaut oder aber verzehrt werden werden muss. Ich habe eine Menge Dinge, die ich von hier mitnehme. Zuallererst die Gastfreundschaft unserer Gastegeber hier in den Marken – ohne die ich nicht so einfach zu einem wieder flott gemachten Familienauto gekommen wäre! Oder die Landschaft – ganz anders als die Toskana, weil oft viel schroffer, ursprünglicher und überraschender, aber mindestens genauso schön!

Die Zeit – so sagt man – heile alle Wunden. Das ist natürlich einfach gelogen, denn Wunden (egal ob innen oder außen) heilen – oder manchmal auch nicht – aber die Zeit macht zumeist, dass der Schmerz besser erträglich wird. Ein Urlaub wie dieser ist dabei absolut förderlich, wieder auf ein erträgliches Level herunter zu kommen und sich beinahe auf das freuen zu können, was einen zu Hause erwarten mag. Auch das ist natürlich gelogen, denn meine Lust, mich mit anderer Leute erheblich differierender Wahrnehmung von Realitäten beschäftigen zu müssen, ist immer noch unterausgeprägt. Ich kann das aber vermutlich aushalten und meinen Unmut zumindest meistens ganz gut überspielen. Daher denke ich, dass ich auch ein schönes Bündel Langmut aus den Marken mitnehme. Insbesondere, weil ich weiß, dass wir nächsten Frühsommer wiederkommen werden, um noch mehr von dieser besonderen Landschaft kennenzulernen. Und ich durfte feststellen, dass der hiesige Menschenschlag diese eine Eigenschaft hat, von der ich noch mehr brauche: Serenità, bzw. die Gelassenheit, Dinge auf sich zukommen lassen, zu schauen was funktioniert und auch mal Fünfe gerade sein lassen; im privaten genauso wie im geschäftlichen Leben.

Was ich hierlassen muss, sind meine allmorgendlichen Bahnen im Pool, die mir verdammt gut getan haben. Aber irgendwas ist ja immer. Man findet ja aber, wenn man nur ausgiebig genug sucht auch immer irgendwas, dass man z.B. an seinem Ferienhäuschen aussetzen kann. Derartige Erbsenzählerei ist mir jedoch fremd, ich bin vollauf glücklich, selbst wenn ich hierorts den Abwasch wieder von Hand machen muss wie früher, gelegentlich Krabbel-Viecher vor die Tür gesetzt werden müssen und der Kühlschrank nach dem Befinden der besten Ehefrau von allen viel zu klein ist. Who cares? Wegfahren ist schön, Heimkehren ist schön, die Zeit dazwischen jedoch muss das Herz mit Glück, den Geist mit Freiheit und die Seele mit Ruhe erfüllen – dann hat man alles richtig gemacht! Und ich hätte mit Blick auf diese Überlegung da jetzt wenig zu beklagen!

Morgen früh rollt der Diesel gen Heimat. Und ganz gleich an welcher Stelle uns der Stau auch erwischen mag (A14 zwischen Rimini und Bologna, A50 Stadtring Mailand, A9 an der Grenze vor Como, A2 vor dem Gotthard oder auf der Stadtdurchfahrt von Luzern, oder auf der A5 in irgendeiner Baustelle) – Hauptsache wir kommen heil heim! Alles andere findet sich dann am Sonntag, wenn der September beginnt. Ich würde gerne sagen „Wake me up, when September ends“, aber vielleicht ergibt sich – der Arbeit zum Trotze – noch die eine oder andere schöne Spätsommererfahrung daheim! In diesem Sinne – habt ein schönes Wochenende.

Benvenuti nelle Marche N°7 – In Style?

T-Shirts in gedeckten Farben… okay, fast alle sind schwarz, nur manche haben (aus meiner Sicht lustige) Mottos aufgedruckt. Jeans (oder im Sommer wegen akuter Verdampfungs-Gefahr auch Shorts) in gedeckten Farben. Hier dominieren Blau- und Grautöne; natürlich neben Schwarz. Sneaker, meistens uni, oft grau oder schwarz, aber niemals weiß. Ergänzt durch Socken, deren Länge und Stoffstärke tatsächlich die Außentemperatur reflektieren. Das ist meine übliche „Uniform“. In der Dienststelle wechsele ich das T-Shirt zumeist gegen eines unserer Dienstpolos, oder manchmal gegen ein richtiges Hemd, wenn der Anlaß dies erfordert. Und an zwei bis drei Tagen im Jahr trage ich einen Anzug: bei meiner Statur selbstverständlich einen dunklen Einreiher, Maßanfertigung und dazu echte Lederschuhe in … tadaaaa… schwarz. Oxfords, keine Budapester; ist eine Entscheidung fürs Leben. Bin ich also stylisch? Ich würde sagen, aus Sicht junger Menschen in etwa so sehr wie der Bauhaus-Katalog, aber das ist mir wumpe. Denn Hübschheit vergeht – Gehirn besteht! Und ab einem bestimmten Punkt im Leben (nicht erst mit 50) muss man sich optisch für niemanden mehr zum Affen machen, weil das schlicht peinlich ist.

Ich finde ja Menschen, die offenkundig älter sind als ich, jedoch immer noch krampfhaft versuchen, sich zu (ver)kleiden wie meine Schüler*innen ehrlich gesagt ziemlich lächerlich. Zumal diese äußerliche „Jugendlichkeit“ meist mit Balearen-ledriger Knusprigkeitsbräune einher geht, bei der viele Kids, deren Wochenverbrauch an LSF 50 mittlerweile in Litern gemessen wird heutzutage einfach nur noch „IGITT“ sagen. Die „gemachte“ Optik in all ihren Spielarten und Ausprägungen hat als Distinktions-Merkmal schon seit eh und je Hochkonjunktur. Aber je „individueller“ sich die Menschen herrichten, desto häufiger stelle ICH mir die Frage, ob das nur eine „Phase“ ist – oder schon ein Schaden? Ich weiß, ich weiß, „lass dem Kind die Puppe!“. Wenn sich jemand unbedingt auf eine bestimmte Art stylen möchte, dann hat das in aller Regel seinen Grund (ich nehme mal an, dass z.B. Lady Gagas „Schnitzkleid“ nicht allzu bequem gewesen sein dürfte) und ist damit Ausdruck von Persönlichkeit; womit sich das jeglicher Diskussion entzieht. Und doch steht/sitzt/liegt man manchmal da und kommt nicht umhin, sich „Was zum *******…?“ zu denken. Und genau damit hat der fragliche Style dann ja auch schon wieder einen Zweck erfüllt: er hat Aufmerksamkeit erregt! Übers Botoxen, Nail- und Hair-Extensions und manch anderen Quatsch für die Optik werde ich jetzt hier allerdings nichts sagen.

Bleibt die Diskussion um die Angemessenheit bestimmter Kleidung an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten. Spielt immer der Male Gaze die erste Geige, wenn Hotpants, Miniröcke, bauchfreie Tops, etc. in Bausch und Bogen verdammt oder sogar institutionell verboten werden? Wie steht man zu einem genderfluiden Style, bzw. der bewussten Konterkarierung tradierter Gender-Stereotype (Stichwort: Conchita Wurst)? Bedeutet Hochzeit automatisch weißes Kleid und Anzug (und Todesdrohungen für Brautjungfern, die ebenfalls weiß tragen…!)? Muss meine optische Darreichungsform heute auch noch alle möglichen Befindlichkeiten in meinen Gegenübern antizipieren und respektieren? Oder kann ich nicht einfach so sein, wie ich möchte? Ich meine, ganz ehrlich, ICH habe damit wenig Probleme, da mein oben beschriebener Nicht-Style a) wenig kontrovers ist, b) bei den meisten Gelegenheiten vollkommen ausreicht, c) nicht gerade nach Aufmerksamkeit heischt und d) bei einem white, middle-aged cis-gender-male von gewissem Format die „Problemzonen“ nicht über Gebühr betont! Abgesehen davon ist er günstig und die Auswahl am Kleiderschrank geht in Nullkommanix. Mir tun diejenigen ehrlich leid, die sich Gedanken um so etwas wie Style machen zu müssen glauben, weil diese Mühe ihr Leben vermutlich erheblich verkompliziert. Aber wenn es halt zum persönlichen Asudruck und vor allem den Balzritualen gehört… Mehr Sorgen mache ich mir um diejenigen, denen ihre Individualität Probleme bereitet, weil andere nicht einfach akzeptieren können, das Optik einfach nur das ist – Optik! Sie sagt über das Innenleben der Person NICHTS aus. Gar nichts… Und wenn das Licht ausgeht, sind wir alle grau – einfach nur Menschen.

Hier in Italien, wo, wie man sagt, JEDE*R sich angeblich stylisch kleide, habe ich durchaus auch ein gewisses Maß an Eitelkeit an einem Teil der Menschen bemerkt (zumeist den Jüngeren). Ebenso viele Andere (eher die Älteren) scheinen sich aber weniger bis (gelegentlich) gar keine Gedanken um ihr Äußeres zu machen, womit sich das kein Jota von meinen Erfahrungen in Deutschland unterscheidet. Ich werde hier dennoch treffsicher als Deutscher erkannt – so gut wie niemand rennt hier in Schwarz rum! Und meine Italienisch-Kenntnisse sind überschaubar. Erwischt! An meinem Italienisch arbeite ich, an meinem Aussehen wird sich in absehbarer Zeit jedoch nichts ändern: keine weißen Sneaker und Tennissocken für mich; da winken mir die 80er zu hart, deren Musik ich liebe, aber deren Kleidungsstil nicht selten heute noch aufgerollte Zehennägel erzeugt. Wenn ich Vintage höre, muss ich meistens ziemlich Lachen, weil das was damals schon scheiße war, heute kaum besser daher kommt. Wenn ich etwa junge Kerle mit blodiertem Vokuhila und Tom-Selleck-Gedächtnisbalken in der Fresse sehe… ach schwamm drüber. Soll jeder nach seiner Facon selig werden – sie dürfen sich nur nicht wundern, wenn ich zu kichern anfange. In diesem Sinne – styleyourself well, you little baby-bell…

Benvenuti nelle Marche N°6 – Mythen treiben Blüten!

Eingerahmt vom Schilf, Bäumen und Weinreben liegt der Naturpool, verborgen vor den allzu neugierigen Augen Dritter. Wenn der eigene Blick schweift, fängt er nicht viel mehr ein als das Innen dieser Oase; eine gelegentliche dunkelblaue Traube schimmert an der Pergola durch das alles dominierende Grün, an der hölzernen Umfriedung nagt der Zahn der Zeit, die dunkle Lasur blättert ab. Aus all dem emergiert ein Gefühl: befreit von der Notwendigkeit auf etwas anderes (wichtigeres?) zu achten als die Zahl der Bahnen, die zu schwimmen ich mich eben angeschickt habe, ist es diese Einfachheit der Dinge, die davon abhält, zu sehr nach irgendetwas zu suchen. Dieser Pool ist der Ort, in dem ich vergesse, dass es jemals eine Box gab, außerhalb welcher man denken sollte. Ich bin einfach und das genügt, um dem ganzen eben so viel Sinn zu geben, wie das Leben braucht. Diese Gedanken begleiteten mich in der Tat, als ich eben genau das tat: einfach nur schwimmen. Das mag jetzt ein bisschen wie eine contradictio in adjecto klingen, jedoch emergierten diese Gedanken – gleich dem beschriebenen Gefühl – auf genau die beschriebene Weise und baten darum, festgehalten zu werden, was ich hiermit pflichtschuldigst erledige. Ich bleibe meinen Gedanken nur ungern etwas schuldig, denn Geschichten wollen erzählt werden… War das eben etwa eine Geschichte? Nun, sagen wir mal so: zumindest wurde etwas über den Protagonisten preis gegeben und das Setting wurde gesetzt. Als ich vor etwa 35 Jahren anfing, tiefer in die Welt des (kollaborativen) Geschichtenerzählens einzutauchen (ich fing u. A, an mit Pen’n’Paper-Rollenspiel), war mir natürlich weder bewusst, wie komplex dieses Hobby für mich werden würde und wie viel Bezug es zu meiner späteren Arbeit als Pädagoge haben würde, noch ahnte ich, WIE VIEL es darüber zu wissen geben könnte. Noch immer sind es vor allem die Worte, mit denen ich gerne und häufig arbeite; wenngleich meine Arbeit mit visuellen Medien in den letzten Jahren an Umfang und Bedeutung erheblich zugenommen hat. Ich sagt ja bereits, dass Kreativität ein Muskel ist, der regelmäßig trainiert werden möchte. Doch alle Übung nutzt nichts ohne eine Quelle, aus der man schöpfen kann!

Ich habe über diese Quellen in der Vergangenheit immer wieder gesprochen, doch ich bin mir nicht sicher, wie viel von meinen Beschreibungen tatsächlich verständlich war. Es gibt ja diese Idee, dass man sich an den einfachen Dingen erfreuen soll, dass es nicht immer den ausufernden Konsum braucht, dass etwas Mäßigung uns allen ganz gut zu Gesicht stünde und das man die Welt um sich herum achtsam betrachten soll, um an dieses Ziel gelangen zu können. Schön und gut, aber dafür braucht man tatsächlich weder ein Retreat im Kloster, noch die Reise nach sonstwo, oder gar ein Achtsamkeits-Seminar auf einer Insel, sondern schlicht die Entkopplung vom eigenen Alltag. Denn es ist die Summe all der kleinen und großen Verpflichtungen, die uns von früh bis spät auf Trab halten und uns nicht selten des Abends vollends erschöpft auf dem nächstbesten Sitz-/Liegemöbel zusammen sinken lassen. Kontemplation, Reflexion, Kreativität? Fehlanzeige. Warum wohl erscheinen meine Blogposts, wenn ich nicht gerade Urlaub habe, vornehmlich am Wochenende… hm…? Oh ja, man könnte mich schon wieder eitler Bigotterie beschuldigen, da ich diese Zeilen 1100 KM weit von zu Hause schreibe. Von wegen, man muss nicht nach sonstwo reisen! Tatsächlich ist das purer Selbstschutz, denn ich musste die Erfahrung machen, dass wenn ich nicht weit genug weg bin, leider dazu neige erreichbar zu sein. Und erreichbar sein ist Scheiße! Also tue ich mir den Gefallen und entkopple auch örtlich. Ich nehme an, dass ich da nicht der einzige Mensch bin, welcher das aus ähnlichen Gründen so handhabt. Jedenfalls sind diese Momente reinen Erlebens meine Quellen. Es geht dabei nicht um Selbstwirksamkeit, oder das motiviert sein, oder die bewusste Selbstreflexion; sondern einfach nur um das Sein an sich. Was in mir an Kreativität steckt, kann erst fließen, wenn ich frei bin von alltäglichen Zwängen.

Ich würde die Erzählung meiner Existenzt gerne Ändern, denn ich habe Angst, dass der Fluss meiner Gedanken in wenigen Tagen, wenn der Alltag zwangsweise mit Macht zurückkehrt alsbald wieder versiegt, einem Wadi gleich, der nur bei Schneeschmelze oder besonders starken Regenfällen überhaupt Wasser führt. Ich will nicht schon wieder an Freiheits-Mangel verdorren, so wie ich dies war, bevor wir hierher kamen! Ich möchte meinen eigene Geschichte auf eine Art neu erzählen dürfen, dass sie dem Mythos des Alltags wiederstehen kann. Jedes Jahr versuche ich auf’s Neue, etwas vom frisch geschöpften Spirit des Urlaubs mit in dieses andere Leben zu nehmen – und jedes Jahr scheitere ich wieder an der Übermacht dieses Endgegners namens ALLTAG! Ich weiß nicht, was ich falsch mache, aber so kann das nicht weitergehen. Ich brauch Change – und zwar nachhaltig. Schönen Abend, schöne Woche.

Benvenuti nelle Marche N°5 – Impressionen aus Assisi…

Hab ich eigentlich irgendwann mal erwähnt, dass ich kein sonderlich gläubiger Mensch bin, wohl aber ein durchaus spiritueller? Mich interessieren die Dogmen einer von Menschen gemachten Organisation nicht die Bohne. Kirche war (und ist teilweise heute noch) zumeist auch nichts anderes als Staat, nur mit anderer Dienstkleidung. Damit könnt ihr mir getrost vom Halse bleiben, denn meine Spiritualität braucht sicher niemand anderes Regeln und auch keinen besonderen Ort oder eine spezielle Zeit, um zu funktionieren. Dennoch gibt es da in mir schon eine besondere Verbindung zu alten Sakralbauten; nicht nur weil ich diese aus dem ästhetischen Kalkül heraus spannend finde, sondern weil ich zu wissen glaube, was Menschen jener Zeit bei dem Anblick empfunden haben müssen. Handwerkskunst als Stein gewordenes Gotteslob ist immer wieder beeindruckend. Manchmal ist sie auch echt spannend, Insbesondere dann, wenn Glaube und Pragmatismus eine Verbindung eingegangen sind. Ich konnte das in einer Kathderale in Südfrankreich sehen, wo man irgendwann einfach mit dem Kirchenschiff aufgehört hat, weil entweder keine Kohle mehr da war, oder kein Platz zum Bauen. Das erinnere ich nicht mehr so genau, ist aber auch Wurst, denn die dadurch entstandene, eher ungewöhnliche Form hat der Bau bis heute behalten. Die allermeisten neuen Kirchen sind aus meiner Sicht wenig spannend, weil die Formensprache sich mir nicht erschließen will. Aber das ist dann mein Problem.

Wenn man nun an einen Ort wie Assisi reist, der für gläubige Christenmenschen auf Grund der Verbindung mit dem Gründervater des Franziskanerordens eine gewisse Bedeutung haben mag, könnte man sich also von der dargebotenen Pracht des Gotteslobes einfangen lassen und gläubig werden; oder man nimmt einfach mit angemessener Bewunderung zur Kenntnis, was Menschen hier geleistet haben, interessiert sich für die Geschichte(n) des Ortes (einfach weil die Geschichte uns IMMER irgendetwas lehren kann) und ehrt diesen schließlich, indem man die Schönheit als Anlass zum inspiriert-sein begreift. Die Tage war ich wieder mal über so einen Artikel auf Zeit Online gestolpert, wo irgendsoein jemand dem „klassischen Bildungsreisenden“ (den es übrigens genausowenig gibt, wie den „klassischen Journalisten“) Schuld an verschiedenen negativen Auswirkungen von Tourismus zuweist. Ich weise diese Anschuldigung insofern weit von mir und meinen Lieben, als wir abseits der Nutzung unseres privaten PKWs, die vermutlich CO2-mäßig allerdings dennoch eine gute Alternative zum viel zu beliebten Fliegen darstellt, stets respektvoll im Umgang mit Land und Leuten sind, nicht an jene Plätze drängen, wo eh schon alle anderen Selfie-Stick-jonglierenden Insta-Huren herum turnen, wo man eigentlich nicht rumturnen soll; und wir versuchen, die örtliche Kultur so gut zu leben, wie wir können. Wenn wir dennoch Teil des Problems sein sollten, muss mir das jemand mitteilen, damit ich was daran ändern kann. Komischerweise habe ich jedoch in den letzten 20 Jahren bei so gut wie allen Urlaubs-Gelegenheiten kein solches negatives Feedback bekommen. Wahrscheinlich sind es doch die Arschlöcher, welche die meiste Publizität bekommen…

Zurück zum inspiriert-sein: was auch immer meine Kreativität triggert versuche ich ganz und gar aufzusaugen. Es mag manchmal so wirken, dass ich diese Orte nur durch den Sucher meiner Kamera betrachte; doch das täuscht! Einerseits, weil der Blick durch den Sucher einem die Suche nach einer anderen, frischeren, besseren Perspektive aufzwängt, wenn man schon eine Weile geübt hat. Und zum Anderen, weil die Ergebnisse meiner Knipserei für mich ein Quell des Nachdenkens sind, aus dem ich noch schöpfen kann, lange nachem ich den fraglichen Ort schon wieder verlassen habe. Dass dabei unter 100 Shots oft nur einer heraussticht, liegt in der Natur des Augenblicks, dieser von mir schon öfter beschworenen, unüberwindbaren Mauer der nächsten Sekunde, deren Vergänglichkeit der Druck auf den Auslöser nur bruchstückhaft zu vermindern mag, weil alle anderen Eindrücke, die mich in dem Moment dazu bewogen haben mögen, genau diese Perspektive zu wählen schon wieder hinfort sind… für immer… Insofern sind meine Bilder nicht nur mangelhafte Abbilder meines inspiriert-seins, Gedankenstützen so nützlich wie ein Knoten im Taschentuch des Schicksals sondern stumme Zeugen meines verzweifelten Bemühens, Fetzen von etwas etwas einzufangen, was man eigentlich nicht einfangen kann – (ER)LEBEN! Also war ich auch nur ein typischer Besucher in Assisi, aber immerhin stets bemüht, kein Arschloch-Touri zu sein. In diesem Sinne einen schönen Abend.

Benvenuti nelle Marche N°4 – all you need is…?

Wenn’de Zeitung liest, kriegste manchmal komischen Kram serviert. Heute Morgen zum Beispiel bekam ich einen Artikel zum Thema „Cortisol-Face“ serviert. Offenbar ist es derzeit ein Trend, ein wenig aus der Form geratene Gesichter einem Stress-induzierten Cortisol-Überschuss im Körper zuschreiben zu wollen. Manchmal wäre es ganz gut, wenn das Insta-Völkchen, die TikTok-Nation und die SnapChat-Jünger NICHT jeden Quatsch einfach replizieren würden. Insbesondere in einem Zeitalter, in dem manche selbsternannte Besserwissende – a.k.a. Influencer – einem auch noch das Letzte Stückchen ALTEN Blödsinn als den NEUEN heißen Scheiss verkaufen wollen. Verkaufen hier im wahrsten Wortsinn, weil diese Bübchen und Mädchen meinen halt, mit gequirlter Scheiße Geld machen zu können. (Der Artikel auf ZON, der den Quatsch mit dem Cortisol-Face sachlich widerlegt, ist leider hinter der Bezahlschranke). Bezeichnend finde ich die Aussage eines Mediziners aus dem Artikel, das eine in seine Ambulanz mitgebrachte Selbstdiagnose aus dem Internet quasi automatisch ein Ausschlußkriterium darstellt. So viel zur Nützlichkeit von Selbstdiagnostik durch die Halbwissenden. Gemischt mit einem Schuß Dunning-Kruger ein weiteres soziales Pest-Bazillus unserer Zeit. Ich sage das jetzt vollkommen unironisch, nicht in beleidigender Absicht aber sehr wohl mit der Zielgruppe Gen Z und jünger: Erfahrung ist durch NICHTS zu ersetzen, außer durch mehr Erfahrung und Dazu(Lernen) findet NIEMALS ohne Anstrengung statt! Merkt euch das endlich und hört endlich auf, dauernd nach der Abkürzung zum Topf voller Gold zu suchen! Das einzige, was ihr damit erreicht, ist noch mehr gequirlte Scheiße in diese Welt zu setzen (siehe oben)!

Das Restaurant in Macerata war nicht übel…

Der Titel sagte ja was von „all you need is…?“. Und auch wenn die Beatles natürlich schon lange und überdies vollkommen richtig besungen haben, dass die Liebe wirklich das Allerwichtigste in unserem Leben ist, bleiben natürlich noch ein paar andere Bedürfnisse, die es zu stillen gilt. Jedes Mal, wenn ich die Frage nach den Bedürfnissen in Aus- und Fortbildungskontexten anspreche, fangen die Leute unwillkürlich an, Maslows Pyramide zu zeichnen oder mit Worten zu beschreiben. Da Brecht schon wusste, dass das Fressen vor der Moral kommt (da hat er natürlich bei Marx abgekupfert), ist das an sich noch nix bemerkenswertes. Es scheint sich aber ins kollektive Gedächtnis eigearbeitet zu haben, dass ganz unten die physiologischen Bedürfnisse stehen. Und „physiologisch“ wird oft und gerne mit „existenziell“ verwechselt, wobei die Leute dann unterschlagen, dass soziale und individuelle Bedürfnisse (zumindest in unserer Gesellschaft) subjektiv sehr wohl ebenso existenziell sein können, wie die physiologischen – anders wären manche psychische Zivilisations-Krankheiten wie etwa Burn-Out wohl nicht zu erklären. Womit wir wohl wieder beim Cortisol-Face angelangt wären. Welche Bedürfnisse noch existenziell sind, bestimmt – sofern die physiologischen halbwegs gedeckt sind – jeder Mensch für sich; was allerdings mittelfristig ein Problem darstellt, wenn jede/jeder der Meinung sind, IHRE diesbezüglichen Empfindungen und Erkenntnisse zu denen ALLER erklären zu müssen! Und das überdies auch noch in die Weiten des Wenig Wichtigen Webs hinausposaunen… Womit wir wieder bei den Influenzeranzien wären; Menschen, die ihre (wie auch immer beschaffene) Reichweite ausnutzen, um gequirlte Scheiße zu ver breiten, was mich dann mental ranzig macht.

Denke ich über das nach, was ich brauche, dann komme ich zummeist zu dem Schluss, dass ich immer noch mehr Konsumkapitalist bin , als ich das gerne wäre, aber immerhin weniger als viele Andere. Ich brauche vor allem eine Ressource: Zeit. Zeit für meine Lieben, vor allem aber auch Zeit für mich, weil ich in letzter Zeit zu oft bemerken musste, dass dieser ständige Modus des (aufoktroyierten) Kommunizieren-Müssens über alles und jedes mich ermattet hat. Bis zu dem Punkt, da meine Resilienz aufgebraucht war. Und ich bin mir NICHT sicher, dass sie zum Ende des Urlaubs wieder voll aufgefüllt sein wird. We’ll see to that… Was ich jedoch feststellen konnte ist, dass Chef-Sein mich NICHT erfüllt. Now, don’t get me wrong: ich mag die Herausforderungen, welche meine Arbeit mit sich bringt, es gibt einige Kolleg*innen, mit denen zusammenzuarbeiten Spaß macht und ich empfinde meine Aufgaben ehrlich als richtig und wichtig. Und trotzdem fehlt mir letzthin der Drive; weil es immer wieder nur um das eine geht: Kohle, Moos, Schotter, Asche, Zaster, Penunze. Ich sehe keine Visionen – und ich finde das Peer Steinbrück ein Dummschwätzer war, als er sagte, für Visionen ginge man zum Wahrsager. Ich weiß nicht, ob ich überhaupt je zum Chef-Sein gemacht war; insbesondere, weil ich eigentlich kein direktiver Typ bin, sondern eher jemand, der bedächtig lenkt und auf die Einsicht der Menschen hofft. Immer noch. Mittlerweile muss man sagen: wider besseres Wissen. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

Wir fuhren hier in den letzten Tagen mit einem Leihwagen umher, der objektiv betrachtet lächerlich klein, dezent untermotorisiert und nicht sonderlich gut ausgestattet war. Dafür war er halbwegs kostengünstig. (Lancia Ypsilon Model 846). Unser eigenes Auto laboriert an einem Atmungsproblem, welches erst derzeit behoben werden kann, nachdem in der Woche um Ferragosto kein Ersatzteil zu bekommen war. Wir haben trotzdem schöne Ausflüge gemacht und ich war, bzw. bin, allen kleinen Widrigkeiten zum Trotze zufrieden. Sehr sogar. Vor allem, weil unsere Unterkunft einen vieles vergessen lässt, aber auch, weil unsere Vermieter wirklich reizend hilfsbereite Menschen sind. Ich durfte einmal mehr feststellen, dass meine Vorstellung von einem guten Leben und die meiner besten Ehefrau von allen gelegentlich ein wenig differieren. Ich brauche materiell wirklich nicht viel. Vielleicht liegt es daran, dass sie an ihren Wurzeln, also der Art, wie ihre Familie gestrickt ist nicht vorbeikommt. Ich bin – und das kann man unumwunden sagen – vollkommen anders als meine Geschwister. Ob das mit meiner Erziehung (die anscheinend anders verlaufen ist, als bei meinen älteren Geschwistern) oder doch eher mit meinen Lebens-Erfahrungen zu tun hat, werde ich nicht beurteilen. Aber es hat so einige Auswirkungen… Wenn ich ehrlich bin – ich könnte mir das Leben hier auch vorstellen. Doch ich weiß, dass es meinen Lieben da anders geht und ich käme im Leben nicht darauf, sie entwurzeln zu wollen. Denn ihre Bedürfnisse sehen eben ganz anders aus, als meine. Und ihr existenziell sieht vermutlich auch ganz anders aus, als mein existenziell, selbst wenn wir alle Menschen sind. Am Ende des Tages weiß ich nicht, ob ich den Mut aufbrächte, mit 50 in einem anderen Land noch mal ganz neu anzufangen; von den Kosten mal ganz abgesehen. Aber davon träumen ist schon ganz nett. In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Tag.

Benvenuti nelle Marche N°3 – Hitzige Klassenfragen…?

Ich las heute morgen einen Artikel, der sich mit der Frage beschäftigte, wie man angesichts wachsender Auswirkungen des Klimawandels – vulgo: es wird im Sommer früher, länger und intensiver heiß – mit sozialen Unterschieden umgehen soll. Und insinuiert dabei, dass ein niedrigerer sozioökonomischer Status automatisch mit größeren Belastungen einher ginge. Das ist so schlicht nicht richtig, da etwa die Verfügbarkeit von Klimaanlagen am Arbeitsplatz mitnichten mit dem Gehalt der arbeitenden Personen korrelliert, sondern mit der Bereitschaft oder Fähigkeit des Arbeitgebers welche zu installieren. Und gerade am Arbeitsplatz, wo wir Lebenszeit gegen Geld tauschen, wünscht sich er Arbeitgeber ja, dass wir konzentriert und produktiv sind. Dass Hitze an sich bereits eine gesundheitliche Belastung darstellt und die Leistungsfähigkeit negativ beeinflusst, darf als Tatsache geltenzu klären ist die Frage, wie viel der Mensch aushalten können muss. Und da sind wir bei einem gesellschaftlichen Aushandlungsprozess, der noch lange nicht zu Ende geführt ist. Da stellen sich immer noch genug Leute hin und bramabarsieren irgendwas von „stellt euch nicht so an ihr Pussies, früher sind wir bei jeder Hitze arbeiten gegangen“, „Was für ein Klima-Wandel? Das ist doch nur Wetter!“, „Typische Gen-Z-Probleme, die sind alle nur zu Faul zum Schuften!“ oder aber der Klassiker „Was interessieren mich eure Armut – ich hab ’ne Klimaanlage!“. Ja, Arschlöcher wachsen anscheinend immer noch auf sehr prall gefüllten Bäumen; und irgendein Depp lässt immer das Türchen zur Streu-Arschloch-Wiese offen, damit die rausgelangen und unnötig die Welt mit ihrem verbal-kognitiven Abraum verpesten können… Schönen Dank für NIX!

In der Tropfsteinhöhle ist es immer schön kühl => idealer Arbeitsplatz für alle?

Wie der Titel dieses Posts verrät, weilen meinen Lieben und ich derzeit nicht daheim, sondern im Urlaub in Italien. Wir sind mit dem eigenen Auto hergekommen, einem Diesel. Selbst wenn man Lebenszyklusemissionen für ein älteres Fahrzeug umrechnet, ist es noch lange nicht so gut, wie ein Elektroauto. Immerhin arbeitet es aber derzeit effizient, weil vollbesetzt. Wobei wir derzeit ein unfreiwilliges Downgrade auf einen Kleinwagen haben. Dazu zu anderen Zeit mehr. So oder so: für das, was eine Flugreise nach Italien an Emissionen vrebraucht hätte, könnten wir hier ein halbes Jahr rumfahren. Das Gebäude, in welchem wir wohnen, ist ein altes Natursteinhaus, das keine Klimaanlage hat, aber aus meiner Sicht auch keine braucht, da selbst bei sehr hohen Außentemperaturen (wir hatten die Tage immer mal wieder 37°C!) die Innenräume angenehm bis erträglich temperiert bleiben. Nun könnte man wieder einmal sagen, dass ich gerade so einen typischen Bildungsbürgerurlaub der gehobenen Mittelschicht abfeiere; aber wenn man ein bisschen sucht, vergleicht und nicht nur auf das erstbeste (oder – schlechtetese) „Billich Willich!“-Angebot anspringt, ist das jetzt nix, was sich recht viele andere nicht auch leisten könnten. Wenn man halt am Ballermann zum Human-Grillwürstchen werden will, ist das nur eine weitere eigene Lebensentscheidung von vielen. Entlastung schaffen muss man indes für jene, die sich einen Urlaub schlicht nicht leisten können – entweder indem wir über deutlich höhere Mindestlöhne, veränderte Transferleistungen oder eine wesentlich lebenswertere Umgestaltung des urbanen Raumes an sich reden!

Um’s kurz zu machen – wir werden nicht umhin kommen, mehr zu klimatisieren, damit wenigstens in Schulen, sowie an bestimmten Arbeitsplätzen wie Krankenhäusern und Altenheimen Patienten und MItarbeitende nicht weiterhin so stark zu Schaden kommen. Solche Klimaanlagen muss man mit erneuerbaren Energien betreiben und so nicht zum Treiber der Klimakrise werden lassen. Gleiches gilt für Menschen, die sich Klimaanlagen für den privaten Bereich leisten können und wollen – der Betrieb mit Photovoltaik oder wasauchimmer muss dann obligat vorgeschrieben sein. Worüber wir aber dringend diskutieren müssen, sind autofreie, weitesgehend bodenentsiegelte Innenstädte und neue Arten zu bauen, um Städte nicht – wie das heute der Fall ist – zu riesengroßen Schamottsteinen zu machen, welche die tagsüber gespeicherte Hitze nachts schön kontinuierlich abgeben, um ihre Bewohner sous-vide zu garen. Und hier ist der Gesetzgeber ultimativ gefragt. Denn vernünftiges Verhalten im Angesicht der drohenden Katastrophe ist offenkundig von den allermeisten Menschen nicht zu erwarten. „Was, ihr wollt mir meinen vollkommen überdimensionierten Carburator verbieten, mit dem ich alleine ins Geschäft fahre, weil ich mich dann wie King/Queen of the Road fühlen kann? NIEMALS!“ (ja, es gibt auch genug unvernünftige Frauen, nur so am Rande). Tja, Jungs und Mädels die Antwort lautet: weil ihr unnötig Ressourcen verschwendet, eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer darstellt, den Menschen in der Stadt Platz wegnehmt und ihre Luft verpestet . DESHALB! „Wieso soll die Flugreise nach Malle jetzt so teuer sein? Kann man denn nicht makl mehr Urlaub machen, wie man will…!“. Doch, doch ihr dürft Urlaub machen. Aber ihr solltet zwei, nein besser drei Mal darüber nachdenken, wie viele Ressourcen ihr dafür verschwenden wollt.

Und dann waren da noch die Menschen, die weite Strecken pendeln müssen. Oder wollen? Oder doch müssen? So ganz klar ist das nämlich nicht. Aber auch auf dem platten (oder hügeligen) Land gibt es noch jede Menge Möglichkeiten, den ÖPNV weiterzuentwickeln. Und niemand will irgendwem das Auto verbieten. Aber es muss viel kleiner, sparsamer, effizienter gehen, als derzeit. Die Dinger sind Gebrauchsgegenstände, keine Statussymbole – GEHT DAS ENDLICH MAL IN EURE DICKSCHÄDEL? Und wir müssen endlich davon Weg, das individuelle Kraftfahrzeug (am besten auch noch Verbrenner) als Nonplusultra von vorne und von hinten staatlicherseits zu subventionieren. Ob das einen gewaltigen Umbau der Gesellschaft erfordert? OH JA! Ob das nur mit dem Einverständnis und der Vernunft der Bürger gehen wird? OH NEIN! Welche Vernunft meint ihr? Die oben beschriebene? Ja, ne, is klar; schönen Dank auch! Ja, mag sein, dass die Ressourcen im Umgang mit den steigenden Temperaturen in einigen wenigen Situationen eine Klassenfrage sind – vor allem aber sind sie eine Bildungsfrage und eine Frage kluger Politikgestaltung; und das meint nicht mehr, immerzu auch dem letzten Depp alles noch transparent erklären müssen zu glauben, sondern sinnvolle Fakten zu schaffen, weil es JETZT verdammt nochmal notwendig ist. Ich wünschte mir nur ein einziges Mal eine Legislatur, in der Probleme tatsächlich angegangen werden, ohne immerzu auf den Proporz am Ende der Legislatur zu schielen. Und Medien, die verstehen, wann es besser ist die Fresse zu halten, anstatt duarend eine neue Sau durch’s Dorf zu treiben. Ach, wär des schee! Schönen Tag noch.

Benvenuti nelle Marche N°2 – Character-driven Storytelling

Als ich vor einigen Tagen hier darüber schrieb, dass Kreativität heutzutage oft vor allem Recycling-Kreativität sei, weil die großen Geschichten alle schon auserzählt seien, meinte ich damit vor allem Archetypen von Geschichten. Die klassische Form des Dramas mit seinen fünf Akten gibt bis heute Geschichten jedweder Art ein Grundgerüst, welches uns immer wieder bestimmte Figuren des Erzählens in verschiedenen Kunstformen zuverlässig wiedererkennen lässt:

  • Exposition (oder Protase) => wir werden in die Geschichte eingeführt und lernen Pro- wie Antagonisten kennen. Davon abgeleitet ist einer der wichtigen Ratschläge für Möchtegern-Romanciers: beginne die Geschichte mit einigen wenigen Sätzen, welche den bzw. die Protagonisten möglichst stark charakterisieren und positionieren. Doch dazu später mehr.
  • Komplikation (oder Epitase) => der Konflikt, bzw. die zentrale Spannung betritt die Bühne der Geschichte. Dies kann sich an eine Person polarisieren, oder an einem besonderen Sachverhalt (etwa einem McGuffin, den alle haben wollen). In jedem Fall wird der Eintopf gerade mit einigen 1000 Scoville nachgewürzt…
  • Peripetie => eine erste Klimax führt dazu, dass der/die Protagonisten eine Niederlage, einen Verlust oder einen Rückschlag erleiden und an den Folgen wachsen müssen, um den/die Antagonisten später (evtl.) überwinden zu können.
  • Retardation => Steigerung der Spannung durch das langsame Hinarbeiten des/der Protagonisten auf den finalen Akt. Die Kräfte werden gesammelt, Wunden geleckt, Erkenntnisse gesammelt, eine neue Kraft entdeckt. All das führt entweder zur…
  • Katastrophe oder zur Lysis => Wir alle lieben Happy-Ends…oder? Nun, offenkundig hat insbesondere die Mainstream-Filmemacherzunft vergessen, dass eine Geschichte auch mit einem Niedergang enden kann. Das Happy-End ist nur eine Möglichkeit, aber kein Gegebenes, wenn es um Geschichten geht.
Der Weg ist das Ziel 🙂

Vollkommen unabhängig davon, ob man nun als Autor eines Romans, eines Drehbuches, eines Computerspiels oder eines Skriptes für ein Instruktionsdesign in der beruflichen Bildung tätig wird, gibt es ein paar Dinge die man abseits der eben beschriebenen Struktur beachten sollte: a) inhaltliche Kohärenz: Wenn die Plotholes so groß sind, dass die voll aufgefächerte Pazifikflotte hindurchrauschen kann, ist irgendwas beim Denkprozess des Autors falsch gelaufen. Das bedeutet übrigens mitnichten, dass JEDE Geschichte den Gesetzen der Physik huldigen muss, oder den knochentrockenen Realismus eines alten Tatortes braucht. Die Geschichte muss in ihrem eigenen Kontinuum funktionieren und darf selbst aufgestellte Regeln nicht (allzu oft) brechen: ein Beispiel ist die vielzitierte Protagonistin Rey aus der dritten Star-Wars-Trilogie („Das Erwachen der Macht“ etc.), die vollkommen ohne Training oder mentorielle Begleitung beim zweiten Zusammentreffen schon einen Sith-Lord zerlegt – und damit erhebliche Bestandteile der Star-Wars-Lore ad absurdum führt. b) glaubwürdige Motivation: warum stellt sich ein Protagonist gewissen Herausforderungen? „Weil es eben da steht“, ist MIR als Begründung deutlich zu knapp. Es muss sich aus der Exposition und Komplikation erklären lassen, warum jemand sich auf ein Abenteuer begibt, warum und vor allem wie viel er oder sie für den Erfolg zu geben bereit ist und wie der Weg dahin aussehen könnte. Wenn hier zu viel Deus Ex Machina passiert, und ein*e Protagonist*in von Zero to Hero gebullshittet wird, bin ich als Konsument raus. Denn Erfolg / Stärke / Macht muss erworben werden und geht immer mit Verantwortung einher c) glaubwürdige Beziehungen: wenn da plötzlich aus zwei Personen, die in etwa so viel gemeinsame Chemie haben wie das Sandmännchen und der Osterhase eine Love-Interest hergesponnen wird, revoltiert mein Erzählerherz. Beziehungen entstehen nicht aus dem Nichts und bedürfen eines Reife-Prozesses (Sex in Extremsituationen, ein Klassiker des 80er-Action-Kinos, sei hiervon ausgenommen. Aber derlei Blödsinn sieht man ja heutzutage nur noch selten). Das betrifft aber auch die Verbindung mit Nebencharakteren, Sidekicks, Henchmen des/der Antagonisten etc.

Die „willing Suspension of disbelief“ funktioniert nur dann, wenn die Erzählung im Rahmen ihrer eigenen Parameter glaubwürdig bleibt, unsere menschliche Erfahrung hinsichtlich bestimmter Sachverhalte (eine 55KG-Frau wirft keinen 125KG-Mann umher, außer sie ist mit Superkräften gepimped und das wurde vorher auch so erklärt) nicht vollkommen konterkariert und die Struktur der Beziehungen erklärbar ist und bleibt – dann erzeuge ich Buy-In und die Leute kaufen mir meine Geschichte ab. Character-driven bedeutet also, dass ich Persönlichkeiten erzählen muss und nicht nur Schablonen; dass die Motive und resultierenden Handlungen der Pro- und Antagonisten emotional wie auch rational nachvollziehbar bleiben müssen. Und schließlich, dass die Beziehungen der Figuren untereinander relevant sind. Selbst dann, wenn diese durch die Geschichte einer (teils unvorhersehbaren) Dynamik unterworfen werden. Ich denke Geschichten immer von den Charakteren her. Übrigens auch im Lehrsaal. Szenen-Beschreibungen und Personen, die nah genug an einer realen Erlebniswelt dran sind, vermitteln den Schüler*innen stets bessere Einstiegspunkte in Fall-Szenarien, als irgendwelcher wirrer, an den Haaren herbeigezogener Action-Quatsch. Und tatsächlich beobachte ich, dass eine solche Einstellung beim Lehrpersonal auch auf die Schüler*innen abfärbt, wenn diese mit der Zeit teilweise selbst beginnen, auf diese Art Szenarien füreinander zu entwickeln. Das macht mich dann auch ein bisschen stolz.

Ich kämpfe hier im Urlaub gerade mal wieder mit verschiedenen Ideen für hobbymäßiges Storytelling, die allerdings noch nicht richtig Struktur annehmen wollen. Das Einzige, was mir, einer Fingerübung gleich, sofort aus der Feder lief, waren Nichtspielercharaktere und deren Beziehungen. Sogar für verschiedene Settings, die ich derzeit beackere. Tatsächlich ergibt sich der Rest der Geschichten dann vermutlich alsbald von allein, denn Kreativität kann man, wie ich neulich auch geschrieben hatte ja nicht zwingen; aber wenn der Moment günstig ist… Also hoffen wir auf die weitere Wirkung der Erholung. Die beste Ehefrau von allen meinte in dem Zusammenhang übrigens dieser Tage zu mir, dass ich in den letzten Jahren hinsichtlich meines Outputs für Pen’n’paper viel zu selbstkritisch geworden sei. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber das was ich geschrieben hatte, lasse ich jetzt so. Und jetzt kann ich den Pool rufen hören. Denn bei den aktuellen Temperaturen tut gelegentlich Abkühlung not. Wir hören uns alsbald wieder.

Benvenuti nelle Marche N°1 – irgendwas ist ja immer…

Die Erwartung, einfach und friktionsfrei an den Urlaubsort zu kommen, ist ja ungefähr so wahrscheinlich zu erfüllen, wie das Verlangen, etwas im Lotto zu gewinnen – einen Schein müsste man halt schon ausfüllen, nicht wahr. Ich lasse mich hier nun nicht aus über den Verkehr (wer in der Woche rings um Ferragosto, also den 15.08 oder Maria Himmelfahrt nach Italien reist, ist sowieso selbst schuld), oder über den Umstand, dass das Familienauto Dinge tut, die es nicht tun sollte. Immerhin fährt es (noch) und die Location erfüllt meine Erwartungen in jeder Hinsicht. Idyllisch gelegen, von sehr, sehr gastfreundlichen Leuten betrieben, mit allem ausgestattet, was man unbedingt braucht und trotz der atomaren 37°C Außentemperatur innen recht angenehm temperiert, weil halt altes Natursteinhaus. Herz was willst du mehr.

Ich schrieb neulich irgendwo in den Weiten des Web, dass Urlaub kein physischer Ort an sich, sondern eher eine Einstellung zu den Dingen sei. An dieser Behauptung möchte ich festhalten, indes aber eine Einschränkung anfügen: es hilft total, wenn ich den Geruch der warmen Erde Mittelitaliens in der Nase habe, morgens meine Bahnen im Pool schwimmen kann und ansonsten gerade durch die Tage hindurch mäandere wie ein Faultier durch die Bäume: bedächtig und doch irgendwie dauernd in Aktion. Ich bin an und für mich (und meine, die Festellung treffen zu dürfen, dass dies für meine Lieben ebenso gilt). Eine liebe Kollegin fragte mich vor ein paar Monaten, was ich mit dem Begriff ZWECKFREI denn meinen würde; und ich konnte ihr nur antworten: ebendas! Zweckfreiheit bedeutet – in meiner bescheidenen Welt – die vollkommene Kapitulation des Homo Oeconomicus vor der unüberwindbaren Mauer der nächsten Sekunde. Pläne sind für die Katz, Erwartungen schrumpfen auf das absolute Minimum zusammen, Schwarze Schwäne passieren – und es ist einfach vollkommen egal. Ich sitze, während ich diese Zeilen schreibe in einem kühlen Wohnzimmer voller Memorabilia anderer Menschen an einem alten Sekretär und schaue durch ein Fenster nach draußen, wo gleißende Sonne alles mit ihrem Feuer überzieht – Leben spendend und Leben bedrohend im gleichen Moment. Die Zeit fließt derweil, ganz im Gegensatz zu meinen Gedanken, zäh wie Melasse und ich frage mich, wann dieser eigentlich vollkommene Moment aufhört. Ich muss übrigens von dieser Einschränkung lassen, denn eigentlich ist das Wort „eigentlich“ riesengroßer Mist – also ist es ein vollkommener Moment, falls es überhaupt je einen geben kann. Doch wann er endet? Vielleicht bevor ich mit diesem Post zu Ende bin, vielleicht auch erst danach. Who cares…?

In einem Moment aufzugehen, sich dem Kairos hinzugeben und der Intuition folgend zu tun, was man für gut und richtig hält, ist DAS Privileg des im Urlaub seienden Menschen. Ich plane tatsächlich für meine Freizeit – im Urlaub genauso, als wenn ich meinem Lieblings-Hobby Storytelling (also etwa Pen’n’paper-Zocken) nachgehe – eher wenig. Es gibt gewiss gelegentliche Erwägung über die Tagesgestaltung, Gespräche mit meinen Lieben über das Für und Wider von Besuchszielen, Speisenfolgen und anderen Aktivitäten; aber im Großen und Ganzen lasse ich es auf mich zukommen. Einfach weil ich das sonst einfach nie tun kann. Andere Leute, die mal ausnahmsweise ihre Kontroll-Illusion verlassen wollen, gehen zur Domina. Ich suche lieber weniger Schmerz- und/oder Demut versprechende Abenteuer. Ich muss an dieser Stelle noch einmal betonen: echte Kontrolle über das eigene Leben zu haben ist eine Illusion, der wir nur verfallen, weil unsere Affengehirne darauf konditioniert sind, die – absolut und vollkommen offene und zudem hoch volatile – Zukunft auf Basis der vergangenen Erfahrungen vorhersagen zu können glauben. „Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Der olle Faust meinte zwar etwas anderes, passend sind die Worte an dieser Stelle dennoch. Also bleibt mir nichts anderes übrig, als auf die Fortune zu vertrauen und einfach mein Ding zu machen, wie es mir gefällt. Und falls das jetzt klingt, als wenn ich einfach bestimmen könnte, was in diesem Urlaub als nächstes passiert… nun, da bin ich wohl meiner eigenen Kontrollillusion aufgesessen; denn mit meinen drei Frauen im Haus kommt es erstens anders und zweitens als man denkt! Wir hören uns.

Hast du mal eine Idee für mich…?

Wir haben da in der beruflichen Welt ein ziemlich großes Missverständnis am Laufen: nämlich dass Handlungskompetenz im Sinne des situations-, sach- und sozialadäquaten Problemlösens Kreativität an sich sei. Ja, Handlungskompetenz hat eine kreative Komponente, wenn ich bekannte Ingredenzien meines Gewerkes auf jeweils neue Weise miteinander mischen muss, um eine neue Problemlage lösen zu können. Manche nennen das Improvisation, aber tatsächlich ist es Handlungskompetenz; lediglich auf einem neuen Niveau gedacht. Man kann es mit DJs vergleichen, welche die Situation (also den Saal) lesen und ihren Mix an die Stimmung, die Vibes, das Publikum anpassen. DJs sind dabei zumeist spielerischer unterwegs als Notfallsanitäter*innen oder Lehrkräfte. Aber im Kern ist die Aufgabe sehr ähnlich. Handlungskompetenz ist jedoch keine Kreativität an sich, weil sie so gut wie nie in der Freiheit ausgeübt wird, zu vergessen, wo die verdammte Box steht; zur Erinnerung es gibt den Terminus „to think outside the box“, wo es darum geht, seine üblichen Denkmuster zu verlassen, über den ´Tellerrand zu blicken, frei zu assoziieren, sich schlicht quer zu seinem sonstigen Denken zu stellen. Einen solchen Flow-Zustand erreiche ich unter dem üblichen Druck der Arbeitswelt, bzw. wenn ich in teilweise sehr streng und eng definierten Rahmenbedingungen arbeiten muss NICHT, weil ich dazu weder die Zeit, noch die freien kognitiven Ressourcen habe. Selbst, wenn die Arbeitsumgebung fancy and free gestaltet ist; was z.B. für Notfallsanitäter*innen und Lehrkräfte auch nicht der Fall ist.

Echte Kreativität lebt von eben jener Freiheit, die mich vergessen lässt, dass es jemals eine Box gegeben haben könnte. Das große Problem damit ist, dass man diesen Zustand nicht herbei zwingen kann – schon mal was von Schreibblockade gehört? Es gibt einen guten Grund, warum George R. R. Martin „Winds of Winter“ mehr als 12 Jahre später immer noch nicht fertig hat. Man kann es nicht erzwingen. Mal davon abgesehen, dass seine Geschichten eigentlich auserzählt sind. Wie oft kann man immer gleiche Intrigen aufbauen, dann eigentlich wichtige Charaktere töten – und immer noch frisch wirken? Die Frage muss jeder für sich selbst beantworten. Mal davon abgesehen, dass heutige Kulturprodukte auch deswegen so ein Problem damit haben, immer härter um ausreichendes Publikum kämpfen zu müssen, weil die Urgeschichten alle erzählt sind. Ich habe vor mittlerweile 15 Monaten in Berlin ein Interview geführt, bei dem es um das Geschichten Erzählen ging. Und meine Interviewpartnerin meinte, dass speziell die alten griechischen Mythen sie immer noch faszinieren, weil sie immer wieder etwas Neues über diese uralten Geschichten herausfindet – und weil sie immer wieder neue Bezüge zu unserer heutigen Zeit herstellen kann. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ein altes Thema, über das ich schon vor 10 Jahren geschrieben hatte, kam wieder hoch: nämlich, dass streng genommen fast alles, was wir heute als neue Schöpfung hip und smash und frisch finden im Grunde nichts weiter ist, als ein Mash-Up, ein Re-Mix – kurz Recycling-Kreativität.

Im Grunde ist es mit unserer Kreativität heute so, wie mit dem, von einem Mehr an Biographie belasteten Menschen mittleren Alters beim Lernen: je mehr Vor-Gewusstes, Erfahrungen, Wissenssedimente sich in unserem Langzeitgedächtnis abgesetzt haben, desto länger brauchen wir, um Neuem darin einen sinnvollen Ort geben zu können. Je älter man wird, braucht man nicht länger zum Lernen, weil man langsamer denkt, sondern weil man wesentlich mehr Altes mit dem Neuen in Einklang bringen muss. Und so ist es mit unserer Kreativität: wenn ich etwas wirklich frisches schaffen möchte, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich mit dem ganzen alten Kram auseinanderzusetzen – allein schon, wenn ich einen Copyright-Verstoß vermeiden möchte. Ein gutes Beispiel dafür sind auch die Produkte, welche man mittels KI-Tools wie Chat-GPT erzeugen kann; denn generative KI erzeugt das „NEUE“ ja einfach nur durch Heuristiken, die Altes auseinander nehmen und neu zusammensetzen. Et voilà: Mash-Up und Re-Mix. Zwar wirkt das dann oft auf den ersten Blick überraschend kreativ; hat man aber ein einigermaßen geschultes Auge, bemerkt man, dass gerade DALL-E 3 mit seinen Bildern gerne in Pomp und Pathos abgleitet. Was neulich z.B. dazu führte, dass ich die KI darum bat, es noch mal mit etwas weniger sozialistischem Pathos zu versuchen, weil das Ergebnis aussah, wie ein Propaganda-Wandbild aus Sowjet-Zeiten…

Creatio ex nihilo – also die Erschaffung von etwas wirklich Neuem aus dem Nichts heraus passiert heutzutage nur noch ziemlich selten. Allein schon deshalb, weil der größte Teil unserer Unterhaltungsindustrie sich um des konsumkapitalistischen Paradigmas der Umsatz-Rendite Willen algorithmisiert hat – und in der Folge immer mehr von der selben Scheiße produziert. Adorno Ahoi! Und trotzdem entstehen ein ums andere Mal Ideen, die tatsächlich diesen Charakter der Novität haben. Etwa, weil sie in der Lage sind, unsere Sicht der Dinge zu verändern; oder weil sie ein wirklich neues Element in eine alte Geschichte einfügen, was diese wieder spannend macht. Weil sie etwas Bekanntes auf überraschende Art neu denken. Es sind diese Ideen, die es wert machen, die eigene Kreativität zu trainieren. Denn in der Tat ist die Fähigkeit, Neues zu schaffen, Neues zu erdenken, sich selbst neu zu erfinden wie ein Muskel, der atrophiert, wenn man ihm kein Training angedeihen lässt. Dass ist die wahre Gefahr von zu viel Routine, von zu viel „Das haben wir ja noch nie so gemacht“, von zu viel Tradition – die Fähigkeit zur Kreativität und damit zu echter Innovation zu verlieren. Problemlösen kann man dann trotzdem noch, aber irgendwann wird auch diese Fähigkeit schlechter, weil neue Problemlagen manchmal anstatt alter auch mal neue Antworten brauchen. Könnten sich Politiker aller Parteien mal hinter die Ohren schreiben. Insbesondere aber die von CDU/CSU und FDP; die blauen Faschos lernen eh nix mehr dazu.

Ob ich heute eine Idee für euch habe? Jawoll! Probiert es doch einfach mal aus und lasst euch auf die Ideen, die Gedanken, die Philosphie von jemandem ein, um den ihr bisher einen Bogen gemacht habt, weil ihr immer dachtet, dass das aus 1001 Grund nicht zu euch passt! Ihr werdet überrascht sein, wie anders diese Welt plötzlich aussieht, wenn man seine Offenheit trainiert – und auf was für krasse Ideen man dann kommt. Lasst euch nur bitte nicht von irgendwelchen chauvinistischen, rassistischen, faschistischen Arschlöchern inspirieren. Die wollen nicht kreieren, sondern destruieren! Und damit ist auch genug für heute. Schönen Sonntag noch!

Echt männlich N°0 – …wer bist du denn?

Mit „Männlichkeit“ ist es wie mit „Identität“ oder „Heimat“ – der Begriff kann niemals unabhängig von der eigenen (Er)Lebenswelt diskutiert werden. Was ICH als männlich wahrnehme, ist immer durch Sozialisation, Erziehung, Medienkonsum, kurz gesagt durch Biographie aufgeladen. Mit Biographie ist das ja auch so eine Sache: man nimmt eine Lebensgeschichte oft erst als eine hörenswerte Erzählung wahr, wenn das biologische Alter der erzählenden Person eine gewisse Zahl überschritten hat. Ganz so, als wenn das Alter ein Wert an sich wäre. Ist es aber nicht, denn es gibt da draußen so viele Menschen, die konsistent 50+ Jahre immer alles auf die gleiche Art erledigen – 50+ Jahre lang falsch! Und ja, ich erlaube mir diese normative Festlegung. Denn ein kurzer Blick in die aktuellen wissenschaftlichen Diskusionen zeigt sehr klar, dass ein Handeln, welches andere Menschen willentlich herabsetzt, erschöpfliche Naturressourcen um des egoistischen Spaßes Willen nutzfrei vergeudet und alles Andere der konsumkapitalistischen Prämisse ewigwährenden Wachstums unterordnet, ein falsches Handeln ist! „Es gibt kein richtiges Leben im falschen!“

Kehren wir zum Begriff „Männlichkeit“ zurück. Wenn ICH hier nun darüber rede, so wird das Gesagte zunächst MEINE individuelle Sicht auf die Angelegenheit wiedergeben. Ich versuche zwar verschiedene Blickwinkel einzunehmen; wir wissen aber alle (hoffentlich) gut genug, dass der menschliche Modus das Machen von Fehlern von vornherein beinhaltet. Ergo wird meine Sicht der Dinge nicht friktionsfrei auf andere Individuen übertragbar sein. Dennoch erlaube ich mir gelegentlich normative Einlassungen, weil ich meine Meinung zumindest für informiert und ausgewogen genug halte, in einem erweiterten Diskus als Grundlage zu dienen. So arrogant bin ich dann halt doch… Ich bilde unter anderem Ausbilder aus. Und eine der wichtigsten Aufgaben bei der Aus- und Fortbildung von Ausbildern ist, sie immer wieder daran zu erinnern, wie Wahrnehmung, Persönlichkeit, Verhalten und Lernen miteinander zusammenhängen; erinnern deswegen, weil nicht wenige Menschen die Basics zum Ausbilden mitbringen. Und zwar in Form von Haltung, Empathie, Integrität und guter Affektkontrolle. Betrachte ich Männlichkeit nun aus dem Blickwinkel des Ausbilders, so kann man diese als Mischung verschiedener Persönlichkeitsfaktoren gemäß des Big-Five-Model aus der Sozialpsychologie charakterisieren; wobei wichtig ist, dass der Schieberegler zwischen den beiden Polen niemals ganz auf 0 oder 1 steht, sondern fast immer irgendwo dazwischen. Und das es neben einer starken auch eine überstarke (u.U. pathologische) Ausprägung geben kann, so wie es neben einer schwachen Ausprägung eine überschwache (ebenfalls u.U. pathologische) geben kann:

schwach ausgeprägt   -vs-   stark augeprägt

Offenheit für Erfahrungen:
konservativ, vorsichtig -vs- erfinderisch, neugierig

Gewissenhaftigkeit:
unbekümmert, nachlässig -vs- effektiv, organisiert

Extraversion:
zurückhaltend, reserviert -vs- gesellig

Verträglichkeit:
wettbewerbsorientiert -vs- kooperativ, freundlich, mitfühlend

Neurotizismus:
selbstsicher, ruhig -vs- emotional, verletzlich

Wichtig an dieser Stelle ist, dass ICH Männlichkeit nicht per se als „gut“ oder „schlecht“ betrachte, sondern mich zuerst nur für die Beschreibung der jeweiligen Ausprägungen interessiere. Da spricht dann der deskriptive Sozialwissenschaftler in mir. Das bestimmte Ausprägungskombinationen von verschiedenen Menschen – wie auch mir – als „gut“ oder „schlecht“ wahrgenommen werden, ist allerdings eine Tatsache. Vielleicht, weil bestimmte Ausprägungskombinationen stets ein Verhalten erzeugen, dass je nach eigener Disposition als mehr oder weniger kompatibel zum Eigenen wahrgenomnmen wird. Wenn ich mich selbst als empathischen und zurückhaltenden Mann sehe, dann wird mir ein Andrew Tate immer zuwieder sein. Ist übrigens der Fall, weil dieser misogyne, chauvinistische, arrogante Menschoid seinen unerträglichen Müll immer noch in die Weite des Internets erbrechen kann. Was soll man da sagen…? Jedenfalls beschäftigt MICH die Frage, was für ein Mann ich BIN, was für einer ich SEIN MÖCHTE und ob diese beiden Beschreibungen (schon) etwas miteinander zu tun haben erheblich. Ich habe zwei Töchter, die gerade in einer Welt aufwachsen, in welcher junge Männer anscheinend wieder einen reaktionären Schritt zurück Richtung 50er Jahre zu tun bereit sind, weil sie sich vom Feminismus bedroht fühlen. Die Folgen kann man insbesondere auf TikTok beobachten, wo junge Männer von teilweise auch noch rechten Rattenfängern in die toxische Maskulinität geführt werden.

Ich könnte ja jetzt sagen: aber ich bin anders. Vielleicht stimmt das auch. Weiß nicht so genau, woran ich das festmachen würde. Was ich weiß, ist aber Folgendes: der Gedanke, dass gerade Teile einer ganzen Generation durch den Gebrauch von antisocial media dazu verführt werden, die gesellschaftliche Uhr wieder zurückdrehen zu wollen, hin zum oldschool-Patriarchat, erschreckt mich. Denn eben dieses Patriarchat hat uns in der Vergangenheit neben einigen bahnbrechenden Erfindungen leider auch Kriege, Elend, Staatsterror von Rechts und Links und einen Amok laufenden Konsumkapitalismus beschert. Ich als white middle-aged cis-gender male habe davon genug. Ich wäre bereit für was anderes. Dieses Andere wird aber bedroht durch solche Entwicklungen, wie sie die verlinkten Studien beschreiben. Kästner hat ja immer gesagt: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“ In diesem Sinne muss ich als Pädagoge wohl etwas dagegen tun. Und ich beginne daher diese neue Serie. Und vielleicht muss ich doch auf TikTok, so schwer mir das auch fällt. Hat jemand noch ein paar gute Ideen, was man tun könnte? Ich würde mich freuen, von euch zu hören. Einstweilen – schönen Samstag Abend noch.