meno è abbastanza – Neue italienische Geschichten N°2

Strandliegen-Urlaub. So sieht’s bisher aus. Abgesehen von zwei Ausflügen zum Einkaufen dreht sich unsere Welt im Moment um Pool und Prokrastination. So weit, so gut. Nun stehen die Dinge so, dass es wohl manche Menschen gibt, die damit (und dem Kampf-Strohhalmen alkoholischer Getränke aus Blecheimern) locker drei Wochen füllen können. Ist vermutlich ein evolutionär erworbenes Talent, mit weniger auskommen zu können; dass damit allerdings unbedingt weniger Futter für den Geist gemeint gewesen sein soll, will mir bis heute nicht recht einleuchten. Um der Ehrlichkeit Willen: wir saufen halt nicht aus Eimern, sondern aus Gläsern. Und ich kenne ein gutes Sangria-Rezept; auch wenn wir gerade in Italien sind.

Es gibt da so dieses oft aufgekochte Klischee vom Universitätshintergründigen Bildungsurlauber: tagsüber alte Steine, abends alte Reben. An dieser Stelle noch ein Geständnis: passiert uns manchmal auch. Diesen Urlaub brauchte es ein paar Tage, bis sich die Lust einstellte, mal was anzuschauen, aber wie die beste Ehefrau von allen kürzlich sagte – Urlaub muss auch Neues für die Sinne bieten. Im besten Falle Eindrücke, die einen zum Nachdenken, oder gar zur Kreativität anregen. Der persönliche, positive Nebeneffekt für mich ist, dass ich mich im Urlaub wesentlich mehr bewege, als zu Hause. Jeden Tag ein km im Pool, Spazieren gehen zum Knipsen, usw. Urlaub ist also gesund. Und abends sind es ja nur Gläser, keine Eimer…

Ich bemerke noch andere Prozesse an mir. Zum Beispiel eine gewisse Scheiß-drauf-Haltung beim Autofahren, die ich zurück in der bunten Republik dringend wieder ablegen muss. Man hält in Italien schon immer viel mehr von Gebrauch der Hupe anstatt dem des Fahrtrichtungsanzeigers, Abstand- oder Spurhalten sind mehr so Optionen, und in die engste Kurve passt noch ein Überholmanöver. Es hat genau vier Stunden gebraucht und ich fahre wieder, wie alle anderen hier auch – wie eine gesengte Sau. Dafür ist man kaum nachtragend, jeder macht sein Ding und der Verkehr fließt zumeist trotzdem halbwegs. Nur eine Sache werde ich wohl nie verstehen: Kolonne fahren und Reißverschlussprinzip kann auch hier keiner. Schwamm drüber. Alle anderen regen sich vermutlich genauso über die verfluchten Staus auf, wie ich.

Ich habe meine neue Kamera schon ein bisschen durch die Hügel rings um unser Appartamento getragen und bin gespannt, ob die Locations, die wir für die nächsten Tage ausgekuckt haben meinen rechten Zeigefinger auch so zum Zucken bringen. Manches kennen wir schon, manches noch nicht. Irgendwo schon mal gewesen zu sein, ist allerdings nicht unbedingt von Nachteil, denn neue Blickwinkel finde ich manchmal auch beim fünften Besuch noch. Keine Ahnung warum, und auch keine Ahnung, ob’s anderen auch so geht – aber manche Orte werden MIR einfach nie langweilig. Das widerspricht ein bisschen dem Wunsch meiner besseren 85% nach neuen Eindrücken, oder? Na ja, wir werden schon einen gesunden Mittelweg finden.

Weniger? Das einzige Weniger, dass ich bisher feststellen konnte, ist ein bemerkenswerter Mangel an negativen Stressoren. Ansonsten vermisse ich nix. Man kann auch mit etwas altmodischerer Ausstattung sehr bequem leben. Manchmal frage ich mich sogar, ob ich überhaupt so weitermachen will, wie bisher? Ob ich Karriere brauche? Ob mein Wort etwas gelten muss? Ob weniger nicht tatsächlich mehr sein könnte? Nämlich mehr Lebensqualität. Und ganz ehrlich – wenn ich nicht für eine Familie zu sorgen hätte, würde ich manche Entscheidung anders getroffen haben. Nun ist mein Leben, was es ist, und ich bin nicht der Typ, der vor Verantwortung davonläuft. Aber der Moment, da es wieder losgeht, ist genau jetzt unendlich weit weg. Das darf er – zumindest subjektiv – gerne noch länger bleiben. Buonasera…

coda sulle autostrada… – Neue italienische Geschichten N°1

Bevor irgendjemand jetzt gleich auf die unselige Idee kommt, meine Familie und mich verdammen zu wollen weil wir, Corona zum Trotze ins Ausland gereist sind – geht doch einfach mit den Zwiebeln spielen! Wir sind in der Toskana in einem Selbstversorger-Appartment auf einem Agriturismo (Wein und Oliven), den wir schon von früher kennen. Deshalb war es möglich, mit dem Gastgeber eine Übereinkunft zu treffen, die eine flexible Absage möglich gemacht hätte. Nun ist die Situation aber nach wie vor entspannt. UND ICH BRAUCHE DIESEN URLAUB SO SEHR WIE NOCH NIE IN DEN LETZTEN JAHREN! Also geht zum Jammern in den Keller. Herzukommen war anstrengend und schwierig genug, da brauch ich nicht auch noch Moralisten-Vibes. Insbesondere, wenn man den Umstand in Betracht zieht, dass wir satte 4,5h in Staus haben liegen lassen (Gotthard, Gernzübergang Chiasso, immer wieder auf der A1 von von Mailand bis Florenz) und ich deshalb erst gestern abend gegen 21:00 meine ersten 700 Meter im Pool schwimmen konnte. Immerhin – dafür gab es neben dem Pool noch Eis, Pizza, Prosecco und eine große Mütze voll Schlaf.

Ansonsten funktioniert hier alles, wie in Deutschland auch: mit Tests, Abstand und Maske. Was für Deutsche gewöhnungsbedürftig sein mag, ist für mich mittlerweile einfach ein tolles Feature: Sonntags Vormittags im COOP einkaufen gehen können; ist hier in der Urlaubszeit möglich. Allerdings geht hier alles nur mit dem Auto. Da muss man sich vorher schon genau überlegen, was man alles braucht, damit man nicht umsonst Sprit verbrennt. Dafür ist schon die Fahrt ein Erlebnis, denn unser Anwesen liegt am Ende einer ca. 2 km langen Staubstraße (im Moment wortwörtlich zu nehmen) durch die Hügel nahe Certaldo. Ich habe mich ehrlich gesagt gestern über die Staus und die Warterei tierisch aufgeregt. Die mir gegenüber getroffene Feststellung “Der Weg ist das Ziel!” hätte gestern u. U. zu Toten geführt. Heute jedoch… ist alles eitel Sonnenschein. Und das sogar mit Gewitter am Vormittag. Die Grillen Zirpen, die Landschaft duftet auf diese besondere Art, die Sonne scheint wieder und heute Abend wird der Grill heiß und der Wein kühl sein.

Zu sich kommen (nicht im medizinischen Sinne) ist für mich, erkennen zu dürfen, dass es wenig braucht, um sich als Mensch fühlen zu dürfen. Auch wenn man dafür manchmal einen etwas längeren Weg gehen – bzw. fahren – muss. Das mag ökologisch nicht 100% einwandfrei sein, aber immerhin ist das Auto bis unters Dach beladen => hohe Effizienz. Manche Leute faseln immerzu irgendwas von Erholungsdruck im Urlaub, weil sie meinen, etwas Besonderes tun oder erleben zu müssen – und bei der Jagd nach diesem Moment übersehen, dass er sich eben schon realisiert hat. Z.B. in einem schönen Blick aus der eigenen Appartmenttür, den man schon morgens beim Frühstücken genießen kann. In der Möglichkeit, Abends, wenn alle anderen ihr Ding machen, noch mal ein paar 100 Meter im Pool schwimmen zu können. In Raubvögeln, die am Tage über der Zufahrtsstraße kreisen und scheuen Rehen, die abends am Waldrand stehen. Im Geruch der Landschaft. Es ist dieser Geruch, der für mich eine spezielle Bedeutung hat: nach Hause kommen. In diesem Sinne bin ich nun gesegnet

Die nächsten Tage werden mit dem gefüllt, was keinem besonderen Zweck dient – außer, noch mehr zu sich selbst zu kommen. Mal ein Nicht-Fachbuch lesen. Schöne Sachen anschauen und knipsen bis der Auslöser glüht. Kochen und Essen. Bloggen (sorry, aber es wird noch mehr kommen). Runterkommen. Und jeden Tag schwimmen. Alles zusamen genommen: hart prokrastinieren! In diesem Sinne sind es keinen neuen italienischen Geschichten. Obwohl, wer weiß schon, was sich in den kommenen Tagen und Wochn ereignet. Ich freue mich drauf. Mehr kann man sich doch gar nicht wünschen, oder…?