Zimboplag – oder warum kopieren auch legitim sein kann!

„Denke nie gedacht zu haben, den das Denken der Gedanken…“ und so weiter und so fort. Sie kennen den Spruch von Kästner vermutlich, man könnte das als Allgemeingut bezeichnen, das immer mal wieder zitiert wird; zu Recht, wie ich finde, denn es ist ein guter Spruch. Darüber hinaus funktioniert er auch als Sinnbild für die feine Linie zwischen Zitat und Plagiat oder manchmal auch zwischen tatsächlich selbst drauf gekommen und woanders geklaut.

Menschen bekommen ihre akademischen Würden im Nachhinein aberkannt, weil andere Menschen mit Akribie – man könnte es weniger freundlich auch Dippelschisserei nennen – deren Dissertationen auf Fehler überprüfen. Ich behaupte mal, so gut wie jeder längere wissenschaftliche Text enthält zumindest Flüchtigkeitsfehler, womit eine solche Suche als selbst erfüllende Prophezeiung betrachtet werden kann. Insbesondere, wenn man sich moderner Methoden des Textvergleichens bedienen kann.

Die Frage ist also nicht, ob plagiiert wird oder wurde. Im Zeitalter des Internet, wo Copy=>Paste so einfach ist wie das Einmaleins, beklagen sich immer mehr Hochschulprofessoren über die wachsende Zahl von mehr oder weniger gewichtigen Betrugsversuchen, wobei ich davon überzeugt bin, dass ein nicht unerheblicher Teil davon nichts mit Betrügen zu tun hat, aber dazu später mehr. Wichtiger ist, geschieht bzw. geschah es denn tatsächlich mit Vorsatz? Kann man das daraus erwachsende Produkt eventuell dennoch als original und originell einstufen? Und was verspricht sich der Plagiatjäger davon, jemanden des – vermeintlichen – Betruges zu entlarven?

In der ersten Frage klang bereits an, dass ich nicht überzeugt bin, dass jedes Plagiat auch tatsächlich bloßes Abschreiben ist. Vielmehr ist, wenn man die oftmals begrenzte Reichweite der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit und des individuellen Variantenreichtums in Betracht zieht die Wahrscheinlichkeit gar nicht so gering, dass ein einigermaßen begabter Student bei Kenntnis der Grundlagen im Kontext einer bestimmte Frage zu den gleichen Schlüssen kommt wie andere vor ihm; und diese dann auch zumindest ähnlich formuliert, insbesondere, wenn man sich der eigentümlichen Sprachkonventionen des akademischen Alltags bewusst ist. Muss man diesem armen Tropf dann das Pech der späteren Geburt vorhalten? Ich finde nicht. Wenn jemand allerdings eine bereits vorbestehende längere Textpassage eins zu eins wiedergibt, darf man zumindest am lauteren Charakter seiner Bemühungen zweifeln.

In meinem Artikel zu Recyclingkreativität sprach ich bereits davon, dass die Zitation, Neuinterpretation und Neumodellierung tradierter Kulturbestände durchaus achtbarer Teil des kreativen Prozesses sind – auch weil nicht jeder zur creatio ex nihilo fähig ist – und gleiches sollte auch im akademischen Bereich gelten. Wir sollen uns ja nicht vollkommen von den „Klassikern“ lösen, aber eben hier ist es stets eine Gratwanderung zwischen unreflektierter Reproduktion – vulgo Wiederkäuen – und dem Begreifen und Vernetzen des Studierten, die den Unterschied ausmacht.
Manche Sachverhalte sind so komplex, das es wenig alternative Möglichkeiten gibt, sie zu erklären als mit eben den Worten Desjenigen, der sie zuerst für andere zugänglich gemacht hat. Hier Plagiarismus zu unterstellen grenzt an Bigotterie.

Es ist also zumindest in einigen Fachdisziplinen – insbesondere den Geisteswissenschaften und den Künsten – sehr schwer, heraus zu finden, ob jemand bewusst plagiiert hat; allerdings sollte meines Erachtens hier auch gefragt werden, ob derjenige dann aus den Bauteilen nicht vielleicht doch etwas Neues, Bedenkenswertes, vielleicht sogar Wertvolles geschöpft hat, das den Umstand schluderiger Arbeit wenigstens etwas mildert. Die Originalität des erarbeiteten Ergebnisses sollte demnach in der Gesamtbetrachtung durchaus beachtlich werden.

Was nun allerdings die Jagd nach Plagiaten angeht, bin ich zwiegespalten. Auf der einen Seite ist es wohl notwendig, die gewaltige Menge an für eine akademische Karriere zu verfassenden Papieren durchaus diesbezüglich zu durchleuchten, wenngleich, wie ich bereits dargelegt habe harte Kriterien oft eine Mangelware darstellen.

Wenn sich allerdings irgendwelche Netzbürger auf einem Kreuzzug befinden, um Dissertationen von Personen des öffentlichen Lebens zu zerpflücken, die in ihren Augen Amt und Würden nicht verdient zu haben scheinen, muss die Frage erlaubt sein, wie viele von denen wohl von der politischen Opposition alimentiert wurden, ebendies zu tun. Oder anders gesagt: es ist ihnen wahrscheinlich vollkommen wurscht, ob der Von und Zu ein guter Jurist sein könnte, Hauptsache, er wird für den Bajuwarischen Flügel des politischen Christentums in unserem Land nicht mehr öffentlich tätig.

Derlei hat nichts mit der Frage nach akademischer Integrität zu tun! Hier geht es nur darum, politische Gegner zu demütigen und zu demontieren. In einer medial befeuerten Erregungsbürgerlichen Gesellschaft, wie sich unsere bunte Republik im Moment darstellt, sind solche Kampagnen – die sehr einfach für jedermann publizierbar sind – nichts weiter als Mittel zum Zweck. Es MUSS jede Woche eine andere Sau durchs Dorf getrieben werden, sonst erlahmen die Auflagen- bzw. Klickzahlen und die Werbekunden bleiben aus. Man mag sich also fragen, woher nur immer all die willfährigen Menschen mit ausreichend Zeit kommen, welche stets zur rechten Zeit Skandale liefern.

Ob ihnen wohl auffällt, dass sie mit dieser Redundanz sich solange selbst plagiieren, bis das Interesse daran vollends erlahmt ist…?

PS: Auch wenn ich das hier geäußerte stets selbst erdacht habe, bin ich nicht so töricht zu glauben, dass solche Gedanken nicht schon ein anderer gehabt haben könnte – ob er sie dann auch geäußert hat, prüfe ich nicht nach, denn selbst wenn es so wäre, würde das den Wert meiner Worte um nichts schmälern.

2 Antworten auf „Zimboplag – oder warum kopieren auch legitim sein kann!“

  1. Sehr wichtige – und in meinen Augen auch sehr richtige – Gedanken. Als Mensch mit akademischem Abschluss – wenn gleich auch keiner Doktorwürde, vermutlich heutzutage zum Glück – und IT’ler möchte ich noch Etwas ergänzend anfügen: Zum einen stützen sich wissenschaftliche Arbeiten heutzutage in der Regel auf Grundlagen, die andere gelegt haben. Natürlich mag es noch Arbeiten, gerade im Bereich einer Habitilation, geben, die auf der grünen Wiese beginnen, doch meist werden Ergebnisse anderer Forschungsgruppen und Grundlagenpapiere zu Rate gezogen. Diese sind aber in manchen Bereichen – entweder weil diese für die breite Masse uninteressant, schlecht gefördert oder schlicht neue Forschungsgebiete sind – ziemlich dünn gesät. Das sorgt dafür, dass die Wahrscheinlichkeit, zu gleichen Schlüssen zu kommen und die ähnlich zu formulieren, deutlich steigt. Manche Vorgänge kann man auch nur schlecht anders formulieren – gerade im naturwissenschaftlichen Bereich (aber wohl auch im juristischen) gibt es ja ein festes Vokabular um Vorgänge eindeutig zu beschreiben.
    Zum zweiten sollte man nicht vergessen, dass die achso tolle moderne Wunderwelt des allgemein zugreifbaren digitalen Wissens gerade einmal rund 20 Jahre alt ist. Personen, deren Doktorarbeit vor 25, 30 oder 35 Jahren entstanden ist, hatten damals gar nicht die technische Möglichkeiten, an bestimmte Publikationen zu kommen oder nach möglichen gleichen Arbeiten zu suchen. Diesen dann mit den Methoden des modernen Textvergleichs zu Leibe zu rücken, mag daher auch hochgradig unfair sein.

    Auch ich möchte keine Lanze brechen für Menschen, deren Arbeit ‚erschummelt und erlogen‘ ist – aber wie du so schön schreibst ist auch die Intention zu erfragen. Kritisch finde ich in diesem Falle, dass die Öffentlichkeit und die Medien dafür verwendet werden, um politisch unliebsame Konkurrenten oder Initiativen zu stoppen. Früher hat man Attentäter beauftragt, heute entledigt man sich einer unbequemen Person per crowd-surfing. Langfristig halte ich das für ein gefährliches Vorgehen und für eine gravierende Störung unserer politischer Prozesse.
    Wenn man sich einmal überlegt, wer denn das Geld und den Einfluss hat, um solche Dinge loszutreten, dann landet man ganz schnell bei dem Gedanken, dass hier schmutzigste Lobbyarbeit betrieben werden und zum Beispiel die Wirtschaft so ‚legal‘ ein unliebsames Gesetzesvorhaben stoppen kann. Denn längst beschränken sich ja Rücktrittsforderungen nicht nur auf Schummeleien bei einer Jahrzehnte zurückliegenden Doktorarbeit – es wird ja regelmäßig nach Schmutzwäsche gegraben, die dann ‚zufällig‘ genau vor irgendwelchen Wahlen, Abstimmungen oder sonstigen wichtigen politischen Prozessen ausgegraben wird.
    Auch eine Gefahr der digitalen Welt… Shadowrun lässt übrigens grüßen.

Schreibe einen Kommentar zu Effi Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert